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Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704.

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Vorrede-
es noch viel eher thun/ und wie der Stein Synochites al-
le Geister und was nur kan ersonnen werden/ in Versse
sich zustellen/ zwingen/ so daß wie der Arcinische See/ ein
Spiegel Dianae hieß/ dieses Buch ein Spiegel der Lust
könte genennet werden/ weilen die Dicht-Kunst nicht an-
ders als einen lustigen Kopf erfodert/ auch daher gedich-
tet worden/ die Göttin der Weißheit sey nicht von einem
Weibe/ sondern aus dem Gehirne des Jupiters erzeigt/
als der von keiner Melancholey wuste; Sondern von
grossen und vergnügten oder frölichen Sachen. Wächst in
Ariana ein feuerrothes Kraut/ welches das Oel anzün-
det/ dafern es abgebrochen/ wenn die Sonn im Leuen ist/ so
sag ich/ daß Begierden wohl ein Feuer sind/ Lust aber alles
anzündet/ doch diese Poetische Anweisungen werden
Ariadnens-Faden/ Collimachi-Ampel gleichen/ so ihren
Nachfolgern den richtigsten Weg zeigen/ und das Ge-
müthe anzünden/ wem nur nicht die Mühe zu wider
ist/ wie den Haasen Ithaca, den Wölffen der Berg O-
lympus,
den Hirschen Africa, der wird hier ein Univer-
sale
antreffen/ und mehx Vergnügung in der Poesie, als
in allen Reichen der Welt finden.

Zwar recht seltsam muß es lassen/ daß man in Asia ei-
nen gewissen Berg genöthigt sey tantzend zu übersteigen/
so man nicht vom Fieber wolle befallen werden. Ich wol-
te aber glauben/ wer sich der Poesie ergebe/ daß der nur
spielende alle Berge des Verdrusses/ alle Hügel der Be-
schwerden übersteige/ weswegen die Araber in Numi-
dien
so begierig sind auf die Dicht-Kunst/ daß ein jeder
unter ihnen seine Liebe/ Jagt/ Krieg- und andere Tha-
ten sehr artig in Reimen zu beschreiben bemüht ist/ weil

sie

Vorrede-
es noch viel eher thun/ und wie der Stein Synochites al-
le Geiſter und was nur kan erſonnen werden/ in Verſſe
ſich zuſtellẽ/ zwingen/ ſo daß wie der Arciniſche See/ ein
Spiegel Dianæ hieß/ dieſes Buch ein Spiegel der Luſt
koͤnte geneñet werden/ weilen die Dicht-Kunſt nicht an-
ders als einen luſtigen Kopf erfodert/ auch daher gedich-
tet worden/ die Goͤttin der Weißheit ſey nicht von einem
Weibe/ ſondern aus dem Gehirne des Jupiters erzeigt/
als der von keiner Melancholey wuſte; Sondern von
groſſen uñ vergnuͤgten oder froͤlichẽ Sachen. Waͤchſt in
Ariana ein feuerrothes Kraut/ welches das Oel anzuͤn-
det/ dafern es abgebrochen/ weñ die Soñ im Leuen iſt/ ſo
ſag ich/ daß Begierdẽ wohl ein Feuer ſind/ Luſt aber alles
anzuͤndet/ doch dieſe Poetiſche Anweiſungen werden
Ariadnens-Faden/ Collimachi-Ampel gleichen/ ſo ihren
Nachfolgern den richtigſten Weg zeigen/ und das Ge-
muͤthe anzuͤnden/ wem nur nicht die Muͤhe zu wider
iſt/ wie den Haaſen Ithaca, den Woͤlffen der Berg O-
lympus,
den Hirſchen Africa, der wird hier ein Univer-
ſale
antreffen/ und mehx Vergnuͤgung in der Poeſie, als
in allen Reichen der Welt finden.

Zwar recht ſeltſam muß es laſſen/ daß man in Aſia ei-
nen gewiſſen Berg genoͤthigt ſey tantzend zu uͤberſteigẽ/
ſo man nicht vom Fieber wolle befallen werden. Ich wol-
te aber glauben/ wer ſich der Poeſie ergebe/ daß der nur
ſpielende alle Berge des Verdruſſes/ alle Huͤgel der Be-
ſchwerden uͤberſteige/ weswegen die Araber in Numi-
dien
ſo begierig ſind auf die Dicht-Kunſt/ daß ein jeder
unter ihnen ſeine Liebe/ Jagt/ Krieg- und andere Tha-
ten ſehr artig in Reimen zu beſchreiben bemuͤht iſt/ weil

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[0010] Vorrede- es noch viel eher thun/ und wie der Stein Synochites al- le Geiſter und was nur kan erſonnen werden/ in Verſſe ſich zuſtellẽ/ zwingen/ ſo daß wie der Arciniſche See/ ein Spiegel Dianæ hieß/ dieſes Buch ein Spiegel der Luſt koͤnte geneñet werden/ weilen die Dicht-Kunſt nicht an- ders als einen luſtigen Kopf erfodert/ auch daher gedich- tet worden/ die Goͤttin der Weißheit ſey nicht von einem Weibe/ ſondern aus dem Gehirne des Jupiters erzeigt/ als der von keiner Melancholey wuſte; Sondern von groſſen uñ vergnuͤgten oder froͤlichẽ Sachen. Waͤchſt in Ariana ein feuerrothes Kraut/ welches das Oel anzuͤn- det/ dafern es abgebrochen/ weñ die Soñ im Leuen iſt/ ſo ſag ich/ daß Begierdẽ wohl ein Feuer ſind/ Luſt aber alles anzuͤndet/ doch dieſe Poetiſche Anweiſungen werden Ariadnens-Faden/ Collimachi-Ampel gleichen/ ſo ihren Nachfolgern den richtigſten Weg zeigen/ und das Ge- muͤthe anzuͤnden/ wem nur nicht die Muͤhe zu wider iſt/ wie den Haaſen Ithaca, den Woͤlffen der Berg O- lympus, den Hirſchen Africa, der wird hier ein Univer- ſale antreffen/ und mehx Vergnuͤgung in der Poeſie, als in allen Reichen der Welt finden. Zwar recht ſeltſam muß es laſſen/ daß man in Aſia ei- nen gewiſſen Berg genoͤthigt ſey tantzend zu uͤberſteigẽ/ ſo man nicht vom Fieber wolle befallen werden. Ich wol- te aber glauben/ wer ſich der Poeſie ergebe/ daß der nur ſpielende alle Berge des Verdruſſes/ alle Huͤgel der Be- ſchwerden uͤberſteige/ weswegen die Araber in Numi- dien ſo begierig ſind auf die Dicht-Kunſt/ daß ein jeder unter ihnen ſeine Liebe/ Jagt/ Krieg- und andere Tha- ten ſehr artig in Reimen zu beſchreiben bemuͤht iſt/ weil ſie

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Zitationshilfe: Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704. , S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704/10>, abgerufen am 28.03.2024.