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Lüders, Else: Das Interesse des Staates am Frauenstimmrecht. Berlin, 1908.

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Frauenbewegung, welche die Stunde oder den Anlaß segnen,
da sie hineingezogen wurden in die Reihen der Frauenbewegung,
da ihre Augen geöffnet wurden für das soziale Leben rings um
sie her, und sie - an welcher Stelle es auch sei - nun teil-
nehmen an der Arbeit und dem Kampf für die Gerechtigkeit.
Keinem bleiben Wunden und Enttäuschungen hierbei erspart,
aber alle sind einig darin, daß die Teilnahme am öffentlichen
Leben trotz allem den Menschen bereichert, weil sie die Persön-
lichkeit entwickelt.

Betonen möchte ich noch zum Schluß, daß es mir selbst-
verständlich
erscheint, daß wir Frauen in all den Be-
wegungen für die Verfassungsreform, die in Deutschland sicher
kommen werden, nur für ein gleiches Wahlrecht zu haben
sind, daß wir uns auf keinerlei Konzessionen einlassen, wenn
man uns für ein sogenanntes Census-Wahlrecht oder das
Pluralwahlrecht gewinnen will.

Man macht dem Deutschen Verbande für Frauenstimmrecht
oft den Vorwurf, dadurch, daß er in sein Programm die For-
derung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts aufge-
nommen habe, verstoße er gegen einen anderen Passus seiner
Satzungen, der die Stimmrechtsorganisationen zu partei-
politischer Neutralität
verpflichtet. Dem gegenüber
ist festzustellen, daß, abgesehen von der Sozialdemokratie sowohl
im Zentrum wie in allen Schattierungen des Liberalismus An-
hänger dieses Grundrechtes der Völker zu finden sind, es liegt
also durchaus kein einseitig parteilicher Standpunkt in dieser
Forderung. Von den Frauen aller Kreise aber, auch den rechts
stehenden, fordere ich mehr soziales Verständnis und mehr Ge-
rechtigkeitsgefühl, als bei den Männern ihrer Kreise vorhanden
ist. Denn soll unser Ruf nach Gerechtigkeit, auf die wir
all unsere Forderungen stützen und die uns diese innere Zuver-
sicht und Freudigkeit in unserer Arbeit gibt, nicht nur Phrase
sein, dann müssen wir die Gerechtigkeit, die wir für uns ver-
langen, auch jedem unserer Volksgenossen gegenüber wahren.
Darum kann in unserer Bewegung für das Frauenstimmrecht
- welcher Partei wir auch sonst angehören mögen - die

Frauenbewegung, welche die Stunde oder den Anlaß segnen,
da sie hineingezogen wurden in die Reihen der Frauenbewegung,
da ihre Augen geöffnet wurden für das soziale Leben rings um
sie her, und sie – an welcher Stelle es auch sei – nun teil-
nehmen an der Arbeit und dem Kampf für die Gerechtigkeit.
Keinem bleiben Wunden und Enttäuschungen hierbei erspart,
aber alle sind einig darin, daß die Teilnahme am öffentlichen
Leben trotz allem den Menschen bereichert, weil sie die Persön-
lichkeit entwickelt.

Betonen möchte ich noch zum Schluß, daß es mir selbst-
verständlich
erscheint, daß wir Frauen in all den Be-
wegungen für die Verfassungsreform, die in Deutschland sicher
kommen werden, nur für ein gleiches Wahlrecht zu haben
sind, daß wir uns auf keinerlei Konzessionen einlassen, wenn
man uns für ein sogenanntes Census-Wahlrecht oder das
Pluralwahlrecht gewinnen will.

Man macht dem Deutschen Verbande für Frauenstimmrecht
oft den Vorwurf, dadurch, daß er in sein Programm die For-
derung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts aufge-
nommen habe, verstoße er gegen einen anderen Passus seiner
Satzungen, der die Stimmrechtsorganisationen zu partei-
politischer Neutralität
verpflichtet. Dem gegenüber
ist festzustellen, daß, abgesehen von der Sozialdemokratie sowohl
im Zentrum wie in allen Schattierungen des Liberalismus An-
hänger dieses Grundrechtes der Völker zu finden sind, es liegt
also durchaus kein einseitig parteilicher Standpunkt in dieser
Forderung. Von den Frauen aller Kreise aber, auch den rechts
stehenden, fordere ich mehr soziales Verständnis und mehr Ge-
rechtigkeitsgefühl, als bei den Männern ihrer Kreise vorhanden
ist. Denn soll unser Ruf nach Gerechtigkeit, auf die wir
all unsere Forderungen stützen und die uns diese innere Zuver-
sicht und Freudigkeit in unserer Arbeit gibt, nicht nur Phrase
sein, dann müssen wir die Gerechtigkeit, die wir für uns ver-
langen, auch jedem unserer Volksgenossen gegenüber wahren.
Darum kann in unserer Bewegung für das Frauenstimmrecht
– welcher Partei wir auch sonst angehören mögen – die

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[12/0015] Frauenbewegung, welche die Stunde oder den Anlaß segnen, da sie hineingezogen wurden in die Reihen der Frauenbewegung, da ihre Augen geöffnet wurden für das soziale Leben rings um sie her, und sie – an welcher Stelle es auch sei – nun teil- nehmen an der Arbeit und dem Kampf für die Gerechtigkeit. Keinem bleiben Wunden und Enttäuschungen hierbei erspart, aber alle sind einig darin, daß die Teilnahme am öffentlichen Leben trotz allem den Menschen bereichert, weil sie die Persön- lichkeit entwickelt. Betonen möchte ich noch zum Schluß, daß es mir selbst- verständlich erscheint, daß wir Frauen in all den Be- wegungen für die Verfassungsreform, die in Deutschland sicher kommen werden, nur für ein gleiches Wahlrecht zu haben sind, daß wir uns auf keinerlei Konzessionen einlassen, wenn man uns für ein sogenanntes Census-Wahlrecht oder das Pluralwahlrecht gewinnen will. Man macht dem Deutschen Verbande für Frauenstimmrecht oft den Vorwurf, dadurch, daß er in sein Programm die For- derung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts aufge- nommen habe, verstoße er gegen einen anderen Passus seiner Satzungen, der die Stimmrechtsorganisationen zu partei- politischer Neutralität verpflichtet. Dem gegenüber ist festzustellen, daß, abgesehen von der Sozialdemokratie sowohl im Zentrum wie in allen Schattierungen des Liberalismus An- hänger dieses Grundrechtes der Völker zu finden sind, es liegt also durchaus kein einseitig parteilicher Standpunkt in dieser Forderung. Von den Frauen aller Kreise aber, auch den rechts stehenden, fordere ich mehr soziales Verständnis und mehr Ge- rechtigkeitsgefühl, als bei den Männern ihrer Kreise vorhanden ist. Denn soll unser Ruf nach Gerechtigkeit, auf die wir all unsere Forderungen stützen und die uns diese innere Zuver- sicht und Freudigkeit in unserer Arbeit gibt, nicht nur Phrase sein, dann müssen wir die Gerechtigkeit, die wir für uns ver- langen, auch jedem unserer Volksgenossen gegenüber wahren. Darum kann in unserer Bewegung für das Frauenstimmrecht – welcher Partei wir auch sonst angehören mögen – die  

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-08-18T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-08-18T15:22:18Z)

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Zitationshilfe: Lüders, Else: Das Interesse des Staates am Frauenstimmrecht. Berlin, 1908, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lueders_interesse_1908/15>, abgerufen am 29.03.2024.