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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Eigenschaften der gesammten Gefässhaut.
In den letztern Gefässen, den sog. Arterienstämmen und Zweigen erster
Ordnung finden sich jedoch mannigfache Verschiedenheiten; nach Don-
ders
und Jansen überwiegt in den aa. aorta, anonyma, carotidae,
subclaviae, axillares und iliacae die elastische, in den aa. vertebrales,
radiales, ulnares, coeliaca, mesaraicae, renales, crurales, popliteae die
muskulöse Substanz.

Die feinsten Gefässe, oder Capillaren enthalten ausser der Grund-
haut nur noch eine Epithelienschicht.

In den Venen *) sind die elastischen und muskulösen Bestand-
theile in viel geringerer Menge enthalten, als in den Arterien von ent-
sprechendem Durchmesser; aber auch hier gilt die Regel, dass die Wan-
dungsdicke im Zunehmen begriffen ist, wenn der Durchmesser des Lu-
mens wächst. Zudem sind die Wandungen der Venen in der unteren
Körperhälfte im Allgemeinen denen in der obern überlegen. Die weiten Venen
enthalten auch verhältnissmässig weniger Muskeln, als die engern; nach
Wahlgren haben in allen grössern Venen die nach der Länge des Ge-
fässes laufenden Muskeln das Uebergewicht, in der Art, dass nur die
vena portarum, pulmonalis und die grösseren Extremitätenvenen merkliche
Lagen von Quermuskeln tragen. Alle Venen unter 1 MM. Durchmesser
sind dagegen von Längsmuskeln vollkommen entblösst.

Muskelfrei sind nach Kölliker die Venen und Sinus in der Retina und
der Schädelhöhle, der corpora cavernosa penis und der Milz. Der Bau der
Klappen, welche allen Venen zukommen, mit Ausnahme der in den Lun-
gen, dem Darm und dem Hirn vorhandenen, kann als bekannt voraus-
gesetzt werden.

Da die Ableitung der Eigenschaften des Gemenges aus denen der
einzelnen Bestandtheile nicht geschehen kann, so hat man zuweilen ver-
sucht, die der Gefässhaut insgesammt zu bestimmen und namentlich -- den
Reibungscoeffizienten, der zwischen der innern Membran und
einer vorübergleitenden Flüssigkeit besteht. Man vermuthet, dass er bei
der Glätte und der vollkommenen Dehnbarkeit derselben nicht beträcht-
lich sei. -- Die Cohäsion der Venen fand Werthheim viel be-
trächtlicher, als die der Arterien, doch hat er beim Menschen nur die
vena saphena und arteria femoralis verglichen; da er die Untersuchung
begann, als die Muskeln schon in Fäulniss begriffen waren, so möchten
seine Angaben gerade nicht sehr werthvoll sein. Seinen Beobachtungen
widerspricht auch Volkmann **). -- Das Gesetz des Elastizitäts-
coeffizienten
fand Werthheim mit dem durchweichter Thierstoffe
übereinstimmend. Die Ausdehnbarkeit der Arterienhaut und insbesondere
der Aorta fand Harless ***) nach Länge und Breite gleich gross, wäh-

*) Schrant, over de aderligke bloetvaten u. s. w. -- Wahlgren, framstalenig af Venensystems
allmanna anatomie. Beide in Henles Jahresbericht für 1851. p. 31. u. 38.
**) Haemodynamik. 289 u. 290.
***) Valentins Jahresbericht für 1853. p. 154.

Eigenschaften der gesammten Gefässhaut.
In den letztern Gefässen, den sog. Arterienstämmen und Zweigen erster
Ordnung finden sich jedoch mannigfache Verschiedenheiten; nach Don-
ders
und Jansen überwiegt in den aa. aorta, anonyma, carotidae,
subclaviae, axillares und iliacae die elastische, in den aa. vertebrales,
radiales, ulnares, coeliaca, mesaraicae, renales, crurales, popliteae die
muskulöse Substanz.

Die feinsten Gefässe, oder Capillaren enthalten ausser der Grund-
haut nur noch eine Epithelienschicht.

In den Venen *) sind die elastischen und muskulösen Bestand-
theile in viel geringerer Menge enthalten, als in den Arterien von ent-
sprechendem Durchmesser; aber auch hier gilt die Regel, dass die Wan-
dungsdicke im Zunehmen begriffen ist, wenn der Durchmesser des Lu-
mens wächst. Zudem sind die Wandungen der Venen in der unteren
Körperhälfte im Allgemeinen denen in der obern überlegen. Die weiten Venen
enthalten auch verhältnissmässig weniger Muskeln, als die engern; nach
Wahlgren haben in allen grössern Venen die nach der Länge des Ge-
fässes laufenden Muskeln das Uebergewicht, in der Art, dass nur die
vena portarum, pulmonalis und die grösseren Extremitätenvenen merkliche
Lagen von Quermuskeln tragen. Alle Venen unter 1 MM. Durchmesser
sind dagegen von Längsmuskeln vollkommen entblösst.

Muskelfrei sind nach Kölliker die Venen und Sinus in der Retina und
der Schädelhöhle, der corpora cavernosa penis und der Milz. Der Bau der
Klappen, welche allen Venen zukommen, mit Ausnahme der in den Lun-
gen, dem Darm und dem Hirn vorhandenen, kann als bekannt voraus-
gesetzt werden.

Da die Ableitung der Eigenschaften des Gemenges aus denen der
einzelnen Bestandtheile nicht geschehen kann, so hat man zuweilen ver-
sucht, die der Gefässhaut insgesammt zu bestimmen und namentlich — den
Reibungscoeffizienten, der zwischen der innern Membran und
einer vorübergleitenden Flüssigkeit besteht. Man vermuthet, dass er bei
der Glätte und der vollkommenen Dehnbarkeit derselben nicht beträcht-
lich sei. — Die Cohäsion der Venen fand Werthheim viel be-
trächtlicher, als die der Arterien, doch hat er beim Menschen nur die
vena saphena und arteria femoralis verglichen; da er die Untersuchung
begann, als die Muskeln schon in Fäulniss begriffen waren, so möchten
seine Angaben gerade nicht sehr werthvoll sein. Seinen Beobachtungen
widerspricht auch Volkmann **). — Das Gesetz des Elastizitäts-
coeffizienten
fand Werthheim mit dem durchweichter Thierstoffe
übereinstimmend. Die Ausdehnbarkeit der Arterienhaut und insbesondere
der Aorta fand Harless ***) nach Länge und Breite gleich gross, wäh-

*) Schrant, over de aderligke bloetvaten u. s. w. — Wahlgren, framstalenig af Venensystems
allmanna anatomie. Beide in Henles Jahresbericht für 1851. p. 31. u. 38.
**) Haemodynamik. 289 u. 290.
***) Valentins Jahresbericht für 1853. p. 154.
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[78/0094] Eigenschaften der gesammten Gefässhaut. In den letztern Gefässen, den sog. Arterienstämmen und Zweigen erster Ordnung finden sich jedoch mannigfache Verschiedenheiten; nach Don- ders und Jansen überwiegt in den aa. aorta, anonyma, carotidae, subclaviae, axillares und iliacae die elastische, in den aa. vertebrales, radiales, ulnares, coeliaca, mesaraicae, renales, crurales, popliteae die muskulöse Substanz. Die feinsten Gefässe, oder Capillaren enthalten ausser der Grund- haut nur noch eine Epithelienschicht. In den Venen *) sind die elastischen und muskulösen Bestand- theile in viel geringerer Menge enthalten, als in den Arterien von ent- sprechendem Durchmesser; aber auch hier gilt die Regel, dass die Wan- dungsdicke im Zunehmen begriffen ist, wenn der Durchmesser des Lu- mens wächst. Zudem sind die Wandungen der Venen in der unteren Körperhälfte im Allgemeinen denen in der obern überlegen. Die weiten Venen enthalten auch verhältnissmässig weniger Muskeln, als die engern; nach Wahlgren haben in allen grössern Venen die nach der Länge des Ge- fässes laufenden Muskeln das Uebergewicht, in der Art, dass nur die vena portarum, pulmonalis und die grösseren Extremitätenvenen merkliche Lagen von Quermuskeln tragen. Alle Venen unter 1 MM. Durchmesser sind dagegen von Längsmuskeln vollkommen entblösst. Muskelfrei sind nach Kölliker die Venen und Sinus in der Retina und der Schädelhöhle, der corpora cavernosa penis und der Milz. Der Bau der Klappen, welche allen Venen zukommen, mit Ausnahme der in den Lun- gen, dem Darm und dem Hirn vorhandenen, kann als bekannt voraus- gesetzt werden. Da die Ableitung der Eigenschaften des Gemenges aus denen der einzelnen Bestandtheile nicht geschehen kann, so hat man zuweilen ver- sucht, die der Gefässhaut insgesammt zu bestimmen und namentlich — den Reibungscoeffizienten, der zwischen der innern Membran und einer vorübergleitenden Flüssigkeit besteht. Man vermuthet, dass er bei der Glätte und der vollkommenen Dehnbarkeit derselben nicht beträcht- lich sei. — Die Cohäsion der Venen fand Werthheim viel be- trächtlicher, als die der Arterien, doch hat er beim Menschen nur die vena saphena und arteria femoralis verglichen; da er die Untersuchung begann, als die Muskeln schon in Fäulniss begriffen waren, so möchten seine Angaben gerade nicht sehr werthvoll sein. Seinen Beobachtungen widerspricht auch Volkmann **). — Das Gesetz des Elastizitäts- coeffizienten fand Werthheim mit dem durchweichter Thierstoffe übereinstimmend. Die Ausdehnbarkeit der Arterienhaut und insbesondere der Aorta fand Harless ***) nach Länge und Breite gleich gross, wäh- *) Schrant, over de aderligke bloetvaten u. s. w. — Wahlgren, framstalenig af Venensystems allmanna anatomie. Beide in Henles Jahresbericht für 1851. p. 31. u. 38. **) Haemodynamik. 289 u. 290. ***) Valentins Jahresbericht für 1853. p. 154.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/94>, abgerufen am 25.04.2024.