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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Herzstoss.

Da die Bewegungen des Herzens sehr rasch erfolgen und der zusammengezogene
Zustand desselben nur sehr kurze Zeit anhält, so ist es unmöglich, die Form des
zusammengezogenen Säugethierherzens anders aufzufassen, als mittelst Einrichtun-
gen, welche alle oder einige Punkte desselben graphisch fixiren. Eine der vielen
möglichen solcher Einrichtungen ist von mir zur Feststellung der obigen That-
sachen benutzt worden. Ein ungefähres Bild des Hergangs kann man sich auch an
einem frisch herausgeschnittenen, noch schlagenden Säugethierherzen verschaffen.
Hebt man ein solches schwebend, indem man es mit der Pinzette an dem Vorhofe
oder den grossen Gefässen fasst, so sieht man, wie sich die Spitze der Basis nähert;
legt man es dagegen auf die Basis, so dass die Spitze der erschlafften Kammern
herabfällt, so entfernt sich jedesmal bei der Zusammenziehung die Spitze von der Basis,
sodass sie sich steif emporstellt. Legt man es aber auf eine ebene Unterlage, wobei in der
Erschlaffung die Wandungen an der Peripherie zusammenfallen, sodass sich der Durch-
messer der Basis nach der einen Richtung verlängert und nach der andern verschmä-
lert, während die Spitze schief gegen die Unterlage fällt, dann wölbt sich während
der Zusammenziehung die zusammengefallene Wand an der Basis, indem ihr Quer-
schnitt aus der elliptischen Form in die runde übergeht und zugleich hebt sich die
Spitze um etwas von der Unterlage ab. -- Die Angaben, welche das blutleere, aus
der Brusthöhle geschnittene, oder auf besondere Weise in ihr befestigte Herz über
die Form macht, welche es in der Zusammenziehung annimmt, sind brauchbar auch
für das normal gelagerte und gefüllte Herz, weil sich bei der Zusammenziehung die
Herzfasern gegenseitig spannen und somit ihre Form selbst bestimmen. Die einzige
Voraussetzung, welche von den oben verlangten hier bestehen muss, ist also die,
dass die Erregbarkeit des Herzens auf einer normalen Stufe steht.

Bei seiner Zusammenziehung erfährt das Herz auch eine Verände-
rung seiner Lage zu den Nachbargebilden. Die einzige, welche uns
unter den gewöhnlichen Lagerungsverhältnissen sicher bekannt ist, äussert
sich durch einen mehr oder weniger stärkern Druck (Herzstoss), den das
schlagende Herz auf die Brustwand in der Regel zwischen der 5. und 6. Rippe
ausübt. Dieser Stoss wird an der Brustwand unter sonst gleichen Verhältnis-
sen stärker empfunden in der Exspirationsstellung des Brustkorbs, und bei
kräftigeren Zusammenziehungen des Herzens. Bei Säugethieren kann man
jederzeit mit Sicherheit entscheiden, welcher Theil des Herzens sich während
des Herzstosses so innig an die Brustwand andrängt, dass diese erschüttert,
oder gar emporgehoben wird; man hat hierzu nur nöthig, lange Nadeln
durch den am kräftigsten getroffenen Wandtheil in das Herz zu stossen
und dann die Thiere zu tödten (Kiwisch), oder aber man kann sich
bei einem Menschen vor dessen voraussichtlichem Tode die emporgeho-
bene Stelle anmerken und nach demselben Nadeln durch diese Stelle in
die Herzwand einbohren (Jos. Meyer)*). Aus diesen Versuchen geht
hervor, dass meist die Spitze, zuweilen aber auch die Basis der Ven-
trikel es ist, welche die Wölbung des Intercostalraums bedingt. -- Diese
Beobachtungen lassen nun, je nachdem der eine oder andere Fall ein-
trat, zwei Erklärungen zu. -- Zuvörderst ist zu bemerken, dass die

*) Virchow's Archiv. III. Bd. 265.
Herzstoss.

Da die Bewegungen des Herzens sehr rasch erfolgen und der zusammengezogene
Zustand desselben nur sehr kurze Zeit anhält, so ist es unmöglich, die Form des
zusammengezogenen Säugethierherzens anders aufzufassen, als mittelst Einrichtun-
gen, welche alle oder einige Punkte desselben graphisch fixiren. Eine der vielen
möglichen solcher Einrichtungen ist von mir zur Feststellung der obigen That-
sachen benutzt worden. Ein ungefähres Bild des Hergangs kann man sich auch an
einem frisch herausgeschnittenen, noch schlagenden Säugethierherzen verschaffen.
Hebt man ein solches schwebend, indem man es mit der Pinzette an dem Vorhofe
oder den grossen Gefässen fasst, so sieht man, wie sich die Spitze der Basis nähert;
legt man es dagegen auf die Basis, so dass die Spitze der erschlafften Kammern
herabfällt, so entfernt sich jedesmal bei der Zusammenziehung die Spitze von der Basis,
sodass sie sich steif emporstellt. Legt man es aber auf eine ebene Unterlage, wobei in der
Erschlaffung die Wandungen an der Peripherie zusammenfallen, sodass sich der Durch-
messer der Basis nach der einen Richtung verlängert und nach der andern verschmä-
lert, während die Spitze schief gegen die Unterlage fällt, dann wölbt sich während
der Zusammenziehung die zusammengefallene Wand an der Basis, indem ihr Quer-
schnitt aus der elliptischen Form in die runde übergeht und zugleich hebt sich die
Spitze um etwas von der Unterlage ab. — Die Angaben, welche das blutleere, aus
der Brusthöhle geschnittene, oder auf besondere Weise in ihr befestigte Herz über
die Form macht, welche es in der Zusammenziehung annimmt, sind brauchbar auch
für das normal gelagerte und gefüllte Herz, weil sich bei der Zusammenziehung die
Herzfasern gegenseitig spannen und somit ihre Form selbst bestimmen. Die einzige
Voraussetzung, welche von den oben verlangten hier bestehen muss, ist also die,
dass die Erregbarkeit des Herzens auf einer normalen Stufe steht.

Bei seiner Zusammenziehung erfährt das Herz auch eine Verände-
rung seiner Lage zu den Nachbargebilden. Die einzige, welche uns
unter den gewöhnlichen Lagerungsverhältnissen sicher bekannt ist, äussert
sich durch einen mehr oder weniger stärkern Druck (Herzstoss), den das
schlagende Herz auf die Brustwand in der Regel zwischen der 5. und 6. Rippe
ausübt. Dieser Stoss wird an der Brustwand unter sonst gleichen Verhältnis-
sen stärker empfunden in der Exspirationsstellung des Brustkorbs, und bei
kräftigeren Zusammenziehungen des Herzens. Bei Säugethieren kann man
jederzeit mit Sicherheit entscheiden, welcher Theil des Herzens sich während
des Herzstosses so innig an die Brustwand andrängt, dass diese erschüttert,
oder gar emporgehoben wird; man hat hierzu nur nöthig, lange Nadeln
durch den am kräftigsten getroffenen Wandtheil in das Herz zu stossen
und dann die Thiere zu tödten (Kiwisch), oder aber man kann sich
bei einem Menschen vor dessen voraussichtlichem Tode die emporgeho-
bene Stelle anmerken und nach demselben Nadeln durch diese Stelle in
die Herzwand einbohren (Jos. Meyer)*). Aus diesen Versuchen geht
hervor, dass meist die Spitze, zuweilen aber auch die Basis der Ven-
trikel es ist, welche die Wölbung des Intercostalraums bedingt. — Diese
Beobachtungen lassen nun, je nachdem der eine oder andere Fall ein-
trat, zwei Erklärungen zu. — Zuvörderst ist zu bemerken, dass die

*) Virchow’s Archiv. III. Bd. 265.
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[62/0078] Herzstoss. Da die Bewegungen des Herzens sehr rasch erfolgen und der zusammengezogene Zustand desselben nur sehr kurze Zeit anhält, so ist es unmöglich, die Form des zusammengezogenen Säugethierherzens anders aufzufassen, als mittelst Einrichtun- gen, welche alle oder einige Punkte desselben graphisch fixiren. Eine der vielen möglichen solcher Einrichtungen ist von mir zur Feststellung der obigen That- sachen benutzt worden. Ein ungefähres Bild des Hergangs kann man sich auch an einem frisch herausgeschnittenen, noch schlagenden Säugethierherzen verschaffen. Hebt man ein solches schwebend, indem man es mit der Pinzette an dem Vorhofe oder den grossen Gefässen fasst, so sieht man, wie sich die Spitze der Basis nähert; legt man es dagegen auf die Basis, so dass die Spitze der erschlafften Kammern herabfällt, so entfernt sich jedesmal bei der Zusammenziehung die Spitze von der Basis, sodass sie sich steif emporstellt. Legt man es aber auf eine ebene Unterlage, wobei in der Erschlaffung die Wandungen an der Peripherie zusammenfallen, sodass sich der Durch- messer der Basis nach der einen Richtung verlängert und nach der andern verschmä- lert, während die Spitze schief gegen die Unterlage fällt, dann wölbt sich während der Zusammenziehung die zusammengefallene Wand an der Basis, indem ihr Quer- schnitt aus der elliptischen Form in die runde übergeht und zugleich hebt sich die Spitze um etwas von der Unterlage ab. — Die Angaben, welche das blutleere, aus der Brusthöhle geschnittene, oder auf besondere Weise in ihr befestigte Herz über die Form macht, welche es in der Zusammenziehung annimmt, sind brauchbar auch für das normal gelagerte und gefüllte Herz, weil sich bei der Zusammenziehung die Herzfasern gegenseitig spannen und somit ihre Form selbst bestimmen. Die einzige Voraussetzung, welche von den oben verlangten hier bestehen muss, ist also die, dass die Erregbarkeit des Herzens auf einer normalen Stufe steht. Bei seiner Zusammenziehung erfährt das Herz auch eine Verände- rung seiner Lage zu den Nachbargebilden. Die einzige, welche uns unter den gewöhnlichen Lagerungsverhältnissen sicher bekannt ist, äussert sich durch einen mehr oder weniger stärkern Druck (Herzstoss), den das schlagende Herz auf die Brustwand in der Regel zwischen der 5. und 6. Rippe ausübt. Dieser Stoss wird an der Brustwand unter sonst gleichen Verhältnis- sen stärker empfunden in der Exspirationsstellung des Brustkorbs, und bei kräftigeren Zusammenziehungen des Herzens. Bei Säugethieren kann man jederzeit mit Sicherheit entscheiden, welcher Theil des Herzens sich während des Herzstosses so innig an die Brustwand andrängt, dass diese erschüttert, oder gar emporgehoben wird; man hat hierzu nur nöthig, lange Nadeln durch den am kräftigsten getroffenen Wandtheil in das Herz zu stossen und dann die Thiere zu tödten (Kiwisch), oder aber man kann sich bei einem Menschen vor dessen voraussichtlichem Tode die emporgeho- bene Stelle anmerken und nach demselben Nadeln durch diese Stelle in die Herzwand einbohren (Jos. Meyer) *). Aus diesen Versuchen geht hervor, dass meist die Spitze, zuweilen aber auch die Basis der Ven- trikel es ist, welche die Wölbung des Intercostalraums bedingt. — Diese Beobachtungen lassen nun, je nachdem der eine oder andere Fall ein- trat, zwei Erklärungen zu. — Zuvörderst ist zu bemerken, dass die *) Virchow’s Archiv. III. Bd. 265.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/78>, abgerufen am 28.03.2024.