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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Leber; Galle.
die angenommene Menge des festen Rückstandes entsprechen einem Gal-
lengewicht, das zwischen 80 und 600 Gr. liegt. Da nun aber die
Galle, welche jene Analytiker zerlegten, Blasengalle war und diese
nach Nasse ungefähr noch einmal so conzentrirt ist, als die Galle
des Lebergangs, so würde man diese Gewichte verdoppeln können
u. s. w. -- So schwankend unsere Grundlagen aber auch sind, sie füh-
ren jedenfalls zu der Ueberzeugung, dass die Masse von Flüssigkeit,
welche aus den Ausführungsgängen der Leber ausgeführt wird, keine
sehr beträchtliche ist.

6. Chemische Vorgänge in der Leberzelle. Sie bestehen zum Theil
in Diffusionen, welche Cholestearin, Fette, Natron, Kochsalz, phosphor-
saure Alkalien und Erden aus dem Blute in die Galle überführen, zum
Theil aber auch in eigenthümlichen Umsetzungsprozessen, aus denen,
so weit uns bekannt, Traubenzucker, Gallensäure und Bilifulvin hervor-
gehen. Dass diese Produkte in der Leber ihren Ursprung finden, kann
als eine feststehende Thatsache angesehen werden, seit es erwiesen ist,
dass sie, die durch bestimmte Reaktionen leicht kenntlich sind, in dem
Pfortaderblut nicht vorkommen, und noch mehr, dass sie in Fröschen,
die nach der Exstivpation der Leber noch einige Wochen lebten, über-
haupt gar nicht angetroffen werden (Moleschott).

Diese neuen von der Leber zusammengeordneten und in die Galle über-
gehenden Atomgruppen werden sämmtlich unter Mitwirkung des Eiweisses
oder aus Abkömmlingen desselben dargestellt. Dafür spricht sowohl der N-
gehalt des Farbstoffs, der Glyco- und Taurocholsäure als auch der Schwefel-
gehalt der letztern. Eine Vergleichung der prozentischen Zusammensetzung
dieser Gallenkörper mit der des Eiweisses lehrt aber sogleich, entweder
dass sie nicht die einzigen Produkte sein können, welche aus der Eiweiss-
zersetzung hervorgehen, oder dass noch ein anderer Körper sich an der
Entstehung derselben betheiligen muss. Denn im Eiweiss steht der C : N
im Verhältniss von 8 : 1, in dem Gallenfarbstoff dagegen wie 16 : 1 und
in der Glyco- und Taurocholsäure gar wie 52 : 1. Demnach muss also
entweder noch ein anderes Atom aus dem Eiweiss ausfallen, welches re-
lativ zum Kohlenstoff viel stickstoffreicher ist, als das Eiweiss selbst,
oder es muss noch ein stickstofffreies Atom, z. B. ein Fett, in die Zer-
setzung mit eingegangen sein. -- Wir vermuthen aber auch, dass der
Zucker aus dem Eiweiss entstanden sei; denn einmal ist es aus früher
erwähnten chemischen Gründen nicht unwahrscheinlich, dass in dem
Eiweiss eine Atomgruppe enthalten sei, welche dem Zucker sehr nahe
steht, und dann geht auch die Zuckerbildung noch sehr lebhaft in der
Leber von Statten, wenn zu dem Blute (ausser den Mineralien) Fette und
Eiweiss, oder auch wenn nur Eiweiss, nicht aber, wenn nur Fette zu ihm
geführt werden. Zudem besteht ein inniger physiologischer Zusammen-
hang zwischen der Gallen- und der Zuckerbildung; denn eine Durch-

Leber; Galle.
die angenommene Menge des festen Rückstandes entsprechen einem Gal-
lengewicht, das zwischen 80 und 600 Gr. liegt. Da nun aber die
Galle, welche jene Analytiker zerlegten, Blasengalle war und diese
nach Nasse ungefähr noch einmal so conzentrirt ist, als die Galle
des Lebergangs, so würde man diese Gewichte verdoppeln können
u. s. w. — So schwankend unsere Grundlagen aber auch sind, sie füh-
ren jedenfalls zu der Ueberzeugung, dass die Masse von Flüssigkeit,
welche aus den Ausführungsgängen der Leber ausgeführt wird, keine
sehr beträchtliche ist.

6. Chemische Vorgänge in der Leberzelle. Sie bestehen zum Theil
in Diffusionen, welche Cholestearin, Fette, Natron, Kochsalz, phosphor-
saure Alkalien und Erden aus dem Blute in die Galle überführen, zum
Theil aber auch in eigenthümlichen Umsetzungsprozessen, aus denen,
so weit uns bekannt, Traubenzucker, Gallensäure und Bilifulvin hervor-
gehen. Dass diese Produkte in der Leber ihren Ursprung finden, kann
als eine feststehende Thatsache angesehen werden, seit es erwiesen ist,
dass sie, die durch bestimmte Reaktionen leicht kenntlich sind, in dem
Pfortaderblut nicht vorkommen, und noch mehr, dass sie in Fröschen,
die nach der Exstivpation der Leber noch einige Wochen lebten, über-
haupt gar nicht angetroffen werden (Moleschott).

Diese neuen von der Leber zusammengeordneten und in die Galle über-
gehenden Atomgruppen werden sämmtlich unter Mitwirkung des Eiweisses
oder aus Abkömmlingen desselben dargestellt. Dafür spricht sowohl der N-
gehalt des Farbstoffs, der Glyco- und Taurocholsäure als auch der Schwefel-
gehalt der letztern. Eine Vergleichung der prozentischen Zusammensetzung
dieser Gallenkörper mit der des Eiweisses lehrt aber sogleich, entweder
dass sie nicht die einzigen Produkte sein können, welche aus der Eiweiss-
zersetzung hervorgehen, oder dass noch ein anderer Körper sich an der
Entstehung derselben betheiligen muss. Denn im Eiweiss steht der C : N
im Verhältniss von 8 : 1, in dem Gallenfarbstoff dagegen wie 16 : 1 und
in der Glyco- und Taurocholsäure gar wie 52 : 1. Demnach muss also
entweder noch ein anderes Atom aus dem Eiweiss ausfallen, welches re-
lativ zum Kohlenstoff viel stickstoffreicher ist, als das Eiweiss selbst,
oder es muss noch ein stickstofffreies Atom, z. B. ein Fett, in die Zer-
setzung mit eingegangen sein. — Wir vermuthen aber auch, dass der
Zucker aus dem Eiweiss entstanden sei; denn einmal ist es aus früher
erwähnten chemischen Gründen nicht unwahrscheinlich, dass in dem
Eiweiss eine Atomgruppe enthalten sei, welche dem Zucker sehr nahe
steht, und dann geht auch die Zuckerbildung noch sehr lebhaft in der
Leber von Statten, wenn zu dem Blute (ausser den Mineralien) Fette und
Eiweiss, oder auch wenn nur Eiweiss, nicht aber, wenn nur Fette zu ihm
geführt werden. Zudem besteht ein inniger physiologischer Zusammen-
hang zwischen der Gallen- und der Zuckerbildung; denn eine Durch-

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[230/0246] Leber; Galle. die angenommene Menge des festen Rückstandes entsprechen einem Gal- lengewicht, das zwischen 80 und 600 Gr. liegt. Da nun aber die Galle, welche jene Analytiker zerlegten, Blasengalle war und diese nach Nasse ungefähr noch einmal so conzentrirt ist, als die Galle des Lebergangs, so würde man diese Gewichte verdoppeln können u. s. w. — So schwankend unsere Grundlagen aber auch sind, sie füh- ren jedenfalls zu der Ueberzeugung, dass die Masse von Flüssigkeit, welche aus den Ausführungsgängen der Leber ausgeführt wird, keine sehr beträchtliche ist. 6. Chemische Vorgänge in der Leberzelle. Sie bestehen zum Theil in Diffusionen, welche Cholestearin, Fette, Natron, Kochsalz, phosphor- saure Alkalien und Erden aus dem Blute in die Galle überführen, zum Theil aber auch in eigenthümlichen Umsetzungsprozessen, aus denen, so weit uns bekannt, Traubenzucker, Gallensäure und Bilifulvin hervor- gehen. Dass diese Produkte in der Leber ihren Ursprung finden, kann als eine feststehende Thatsache angesehen werden, seit es erwiesen ist, dass sie, die durch bestimmte Reaktionen leicht kenntlich sind, in dem Pfortaderblut nicht vorkommen, und noch mehr, dass sie in Fröschen, die nach der Exstivpation der Leber noch einige Wochen lebten, über- haupt gar nicht angetroffen werden (Moleschott). Diese neuen von der Leber zusammengeordneten und in die Galle über- gehenden Atomgruppen werden sämmtlich unter Mitwirkung des Eiweisses oder aus Abkömmlingen desselben dargestellt. Dafür spricht sowohl der N- gehalt des Farbstoffs, der Glyco- und Taurocholsäure als auch der Schwefel- gehalt der letztern. Eine Vergleichung der prozentischen Zusammensetzung dieser Gallenkörper mit der des Eiweisses lehrt aber sogleich, entweder dass sie nicht die einzigen Produkte sein können, welche aus der Eiweiss- zersetzung hervorgehen, oder dass noch ein anderer Körper sich an der Entstehung derselben betheiligen muss. Denn im Eiweiss steht der C : N im Verhältniss von 8 : 1, in dem Gallenfarbstoff dagegen wie 16 : 1 und in der Glyco- und Taurocholsäure gar wie 52 : 1. Demnach muss also entweder noch ein anderes Atom aus dem Eiweiss ausfallen, welches re- lativ zum Kohlenstoff viel stickstoffreicher ist, als das Eiweiss selbst, oder es muss noch ein stickstofffreies Atom, z. B. ein Fett, in die Zer- setzung mit eingegangen sein. — Wir vermuthen aber auch, dass der Zucker aus dem Eiweiss entstanden sei; denn einmal ist es aus früher erwähnten chemischen Gründen nicht unwahrscheinlich, dass in dem Eiweiss eine Atomgruppe enthalten sei, welche dem Zucker sehr nahe steht, und dann geht auch die Zuckerbildung noch sehr lebhaft in der Leber von Statten, wenn zu dem Blute (ausser den Mineralien) Fette und Eiweiss, oder auch wenn nur Eiweiss, nicht aber, wenn nur Fette zu ihm geführt werden. Zudem besteht ein inniger physiologischer Zusammen- hang zwischen der Gallen- und der Zuckerbildung; denn eine Durch-

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/246>, abgerufen am 29.03.2024.