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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Leber; Blutstrom in derselben.
schiedenen Zeiten aufgefangenen Bluts ergab auch hier, dass 5 Stunden
nach der Fütterung sein Wassergehalt bedeutend geringer war, als 10
Stunden nach derselben.

Wurde das Gesammblut der Pfort- und Leberader desselben Thiers
verglichen, so ergab das erstere 7,3 bis 8,8 pCt. Wasser mehr, als das
letztere, das Serum beider Blutarten war aber nicht in demselben Grade
verschieden, indem das der Pfortader nur 1,9 bis 2,9 pCt. Wasser mehr
enthielt, als das der Leberader. Demnach haben sich die Körperchen
entweder vermehrt, oder sie haben relativ mehr Wasser verloren. Um
diese ganz ungeheuren Unterschiede zu erklären, muss man voraussetzen
entweder es sei durch die Leberarterie eine verhältnissmässig bedeutende
Menge eines dichten und namentlich an Körperchen reichen Bluts in die
Leber geführt worden, als durch die Pfortader; diese Vermuthung ist
nicht zu halten und auch nicht zu widerlegen, weil eine Zerlegung des
Arterienbluts der betreffenden Thiere nicht vorliegt. Oder man musste
annehmen, dass eine ausserordentliche Menge sehr wasserhaltiger Lymphe
abgesondert worden sei, die namentlich ihr Wasser aus den Blutkörper-
chen bezogen habe. Denn im Verhältniss zu der unzweifelhaft sehr grossen
Menge von Blut, welche den Tag über durch die vena portarum und die
art. hepatica in die Leber einströmt, ist die annähernd bekannte tägliche
Gallenabsonderung viel zu gering, um den Unterschied des Wassergehalts
im Blute dies- und jenseits der Lebercapillaren begreiflich zu machen.
Man kann eine Wiederholung der Versuche, bei denen namentlich alle
Sorgfalt auf das Auffangen des Bluts verwendet wird, nur dringend wünschen.
Das Blut der Pfortader ist reicher an Fetten, als das der Lebervene.

Ueber die Zusammensetzung des Bluts der Leberarterie und ins-
besondere über seine Veränderungen beim Durchgang durch die Leber
ist nichts bekannt. Wahrscheinlich dürfte es sein, dass es bei der inni-
gen Berührung, die es in den ersten Capillarnetzen mit der Galle und
dem Pfortaderblut erfährt, mit diesen seine Bestandtheile austauscht.

4. Von dem Strom des Leberblutes. Die Richtung des Stroms in
den Blutgefässen der Leber wird für gewöhnlich von der Porta zu der
Lebervene gehen; doch ist wegen der Abwesenheit aller Klappen in den
Leber- und Pfortadervenen und der leichten Ausdehnbarkeit der Darm-
gefässe auch das Umgekehrte möglich. -- Die Geschwindigkeit des Stroms
in der Pfortader muss unter Voraussetzung gleicher Widerstände in und
jenseits der Leber veränderlich sein; denn einmal sind die Durchmesser
der Blutgefässcapillaren in den Wandungen der Unterleibsdrüsen veränder-
lich, wie die in diesen Organen vor sich gehende Saftbildung, die ins-
besondere zunimmt zur Zeit der Verdauung; da nun in den weiteren
Röhren die Reibung relativ zur durchgehenden Blutmasse geringer ist,
als in den engeren, so muss während der Verdauungsperiode das Blut
mit grösserer Kraft in die Pfortader einströmen, als in anderen Zeiten

Leber; Blutstrom in derselben.
schiedenen Zeiten aufgefangenen Bluts ergab auch hier, dass 5 Stunden
nach der Fütterung sein Wassergehalt bedeutend geringer war, als 10
Stunden nach derselben.

Wurde das Gesammblut der Pfort- und Leberader desselben Thiers
verglichen, so ergab das erstere 7,3 bis 8,8 pCt. Wasser mehr, als das
letztere, das Serum beider Blutarten war aber nicht in demselben Grade
verschieden, indem das der Pfortader nur 1,9 bis 2,9 pCt. Wasser mehr
enthielt, als das der Leberader. Demnach haben sich die Körperchen
entweder vermehrt, oder sie haben relativ mehr Wasser verloren. Um
diese ganz ungeheuren Unterschiede zu erklären, muss man voraussetzen
entweder es sei durch die Leberarterie eine verhältnissmässig bedeutende
Menge eines dichten und namentlich an Körperchen reichen Bluts in die
Leber geführt worden, als durch die Pfortader; diese Vermuthung ist
nicht zu halten und auch nicht zu widerlegen, weil eine Zerlegung des
Arterienbluts der betreffenden Thiere nicht vorliegt. Oder man musste
annehmen, dass eine ausserordentliche Menge sehr wasserhaltiger Lymphe
abgesondert worden sei, die namentlich ihr Wasser aus den Blutkörper-
chen bezogen habe. Denn im Verhältniss zu der unzweifelhaft sehr grossen
Menge von Blut, welche den Tag über durch die vena portarum und die
art. hepatica in die Leber einströmt, ist die annähernd bekannte tägliche
Gallenabsonderung viel zu gering, um den Unterschied des Wassergehalts
im Blute dies- und jenseits der Lebercapillaren begreiflich zu machen.
Man kann eine Wiederholung der Versuche, bei denen namentlich alle
Sorgfalt auf das Auffangen des Bluts verwendet wird, nur dringend wünschen.
Das Blut der Pfortader ist reicher an Fetten, als das der Lebervene.

Ueber die Zusammensetzung des Bluts der Leberarterie und ins-
besondere über seine Veränderungen beim Durchgang durch die Leber
ist nichts bekannt. Wahrscheinlich dürfte es sein, dass es bei der inni-
gen Berührung, die es in den ersten Capillarnetzen mit der Galle und
dem Pfortaderblut erfährt, mit diesen seine Bestandtheile austauscht.

4. Von dem Strom des Leberblutes. Die Richtung des Stroms in
den Blutgefässen der Leber wird für gewöhnlich von der Porta zu der
Lebervene gehen; doch ist wegen der Abwesenheit aller Klappen in den
Leber- und Pfortadervenen und der leichten Ausdehnbarkeit der Darm-
gefässe auch das Umgekehrte möglich. — Die Geschwindigkeit des Stroms
in der Pfortader muss unter Voraussetzung gleicher Widerstände in und
jenseits der Leber veränderlich sein; denn einmal sind die Durchmesser
der Blutgefässcapillaren in den Wandungen der Unterleibsdrüsen veränder-
lich, wie die in diesen Organen vor sich gehende Saftbildung, die ins-
besondere zunimmt zur Zeit der Verdauung; da nun in den weiteren
Röhren die Reibung relativ zur durchgehenden Blutmasse geringer ist,
als in den engeren, so muss während der Verdauungsperiode das Blut
mit grösserer Kraft in die Pfortader einströmen, als in anderen Zeiten

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[221/0237] Leber; Blutstrom in derselben. schiedenen Zeiten aufgefangenen Bluts ergab auch hier, dass 5 Stunden nach der Fütterung sein Wassergehalt bedeutend geringer war, als 10 Stunden nach derselben. Wurde das Gesammblut der Pfort- und Leberader desselben Thiers verglichen, so ergab das erstere 7,3 bis 8,8 pCt. Wasser mehr, als das letztere, das Serum beider Blutarten war aber nicht in demselben Grade verschieden, indem das der Pfortader nur 1,9 bis 2,9 pCt. Wasser mehr enthielt, als das der Leberader. Demnach haben sich die Körperchen entweder vermehrt, oder sie haben relativ mehr Wasser verloren. Um diese ganz ungeheuren Unterschiede zu erklären, muss man voraussetzen entweder es sei durch die Leberarterie eine verhältnissmässig bedeutende Menge eines dichten und namentlich an Körperchen reichen Bluts in die Leber geführt worden, als durch die Pfortader; diese Vermuthung ist nicht zu halten und auch nicht zu widerlegen, weil eine Zerlegung des Arterienbluts der betreffenden Thiere nicht vorliegt. Oder man musste annehmen, dass eine ausserordentliche Menge sehr wasserhaltiger Lymphe abgesondert worden sei, die namentlich ihr Wasser aus den Blutkörper- chen bezogen habe. Denn im Verhältniss zu der unzweifelhaft sehr grossen Menge von Blut, welche den Tag über durch die vena portarum und die art. hepatica in die Leber einströmt, ist die annähernd bekannte tägliche Gallenabsonderung viel zu gering, um den Unterschied des Wassergehalts im Blute dies- und jenseits der Lebercapillaren begreiflich zu machen. Man kann eine Wiederholung der Versuche, bei denen namentlich alle Sorgfalt auf das Auffangen des Bluts verwendet wird, nur dringend wünschen. Das Blut der Pfortader ist reicher an Fetten, als das der Lebervene. Ueber die Zusammensetzung des Bluts der Leberarterie und ins- besondere über seine Veränderungen beim Durchgang durch die Leber ist nichts bekannt. Wahrscheinlich dürfte es sein, dass es bei der inni- gen Berührung, die es in den ersten Capillarnetzen mit der Galle und dem Pfortaderblut erfährt, mit diesen seine Bestandtheile austauscht. 4. Von dem Strom des Leberblutes. Die Richtung des Stroms in den Blutgefässen der Leber wird für gewöhnlich von der Porta zu der Lebervene gehen; doch ist wegen der Abwesenheit aller Klappen in den Leber- und Pfortadervenen und der leichten Ausdehnbarkeit der Darm- gefässe auch das Umgekehrte möglich. — Die Geschwindigkeit des Stroms in der Pfortader muss unter Voraussetzung gleicher Widerstände in und jenseits der Leber veränderlich sein; denn einmal sind die Durchmesser der Blutgefässcapillaren in den Wandungen der Unterleibsdrüsen veränder- lich, wie die in diesen Organen vor sich gehende Saftbildung, die ins- besondere zunimmt zur Zeit der Verdauung; da nun in den weiteren Röhren die Reibung relativ zur durchgehenden Blutmasse geringer ist, als in den engeren, so muss während der Verdauungsperiode das Blut mit grösserer Kraft in die Pfortader einströmen, als in anderen Zeiten

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/237>, abgerufen am 23.04.2024.