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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Linse.
Der flüssige Röhreninhalt hält einen Stoff in Auflösung, der nach Mul-
der's
Analyse zu den eiweisshaltigen mit locker gebundenem Schwefel
gehört; seiner Reaktion nach stellt ihn Berzelius zum Globulin. Fällt
man denselben durch Erhitzen aus der Flüssigkeit, so soll, wie Ber-
zelius
berichtet, eine saure Extraktflüssigkeit zurückbleiben, welche in
ihren Eigenschaften an die Fleischflüssigkeit erinnert. Nach Lohmeyer
kommt in der Linse ziemlich viel Cholestearin vor. -- Sie enthält
0,35 pCt. Asche, also nur etwa halb so viel als im humor aqueus vor-
handen ist.

3. Physikalische Eigenthümlichkeiten. Die Kapselhaut ist sehr ela-
stisch, aber nicht sehr fest. -- Das spez. Gewicht der Faserung soll an
dem Linsenumfang = 1,076 und im Linsenkern = 1,194 betragen
(Chevenix). Zu den brechenden und polarisirenden Eigenschaften der
Linse, die schon früher erwähnt (Bd. I. p. 204 u. 222) sind, fügt
W. Krause, dass der Brechungscoeffizient des äussern Linsenstratum =
1,4071, der mittlere = 1,4319 und des Kernes = 1,4564 (Wasser =
1,3358) sei. Die Füllung der Linsenröhren mit einer conzentrirten
Eiweisslösung kommt unzweifelhaft der Durchsichtigkeit zu Gute. Diese
Flüssigkeit wirkt hier ganz nach demselben Prinzip, nach welchem
Brücke mit einer ähnlichen die Darmhaut zu mikroskopischen Unter-
suchungen durchsichtig machte. Die Gegenwart des Eiweissstoffes hebt
nemlich den Unterschied des Brechungscoeffizienten zwischen Wasser
und den Häuten der Linsenröhren auf.

4. Die Linsenernährung. -- Bei der Vergrösserung der Linse wäh-
rend des Wachsthums nimmt die Zahl, nicht aber der Umfang der Röh-
ren zu (Harting). Die Linsenröhren bilden sich nur unter Beihilfe
der Kapsel, wie von Valentin*) durch Versuche am Kaninchen, Söm-
mering
und Textor durch Beobachtungen am Menschen erwiesen
ist. Die Formfolge, welche bei ihrer Entstehung vorkommt, beschreibt
H. Meyer**) in der Art, dass zunächst Epithelialzellen auftreten, welche
allmählig zu Röhren auswachsen und sich dabei über die vordere und
hintere Linsenfläche gleichzeitig hinüberschlagen. Die jüngsten Schich-
ten der Linse sind demnach auf der vorderen mit Epithelien bedeckten
Wand zu suchen, während die ältesten den Kern einschliessen. Die
Kapselwand ist also die Form, in welche die Linse gegossen. -- Daraus
folgt, wie Valentin bestätigt, dass die Schichtung der Linse, welche sich
in einer entleerten Kapsel neu bildete, Unregelmässigkeiten zeigen muss, da
die Vorderwand der letztern durch den Einschnitt theilweise zerstört und
jedenfalls verbogen ist. Die chemischen Umsetzungen, welche diese Ent-
stehung begleiten, sind unbekannt; der zur Bildung führende Stoff wird
bei dem ersten Auftreten aus einem Blutgefässnetz geliefert, welches in

*) Henle's u. Pfeufer's Zeitschrift. II. Bd.
**) Müller's Archiv. 1852.

Linse.
Der flüssige Röhreninhalt hält einen Stoff in Auflösung, der nach Mul-
der’s
Analyse zu den eiweisshaltigen mit locker gebundenem Schwefel
gehört; seiner Reaktion nach stellt ihn Berzelius zum Globulin. Fällt
man denselben durch Erhitzen aus der Flüssigkeit, so soll, wie Ber-
zelius
berichtet, eine saure Extraktflüssigkeit zurückbleiben, welche in
ihren Eigenschaften an die Fleischflüssigkeit erinnert. Nach Lohmeyer
kommt in der Linse ziemlich viel Cholestearin vor. — Sie enthält
0,35 pCt. Asche, also nur etwa halb so viel als im humor aqueus vor-
handen ist.

3. Physikalische Eigenthümlichkeiten. Die Kapselhaut ist sehr ela-
stisch, aber nicht sehr fest. — Das spez. Gewicht der Faserung soll an
dem Linsenumfang = 1,076 und im Linsenkern = 1,194 betragen
(Chevenix). Zu den brechenden und polarisirenden Eigenschaften der
Linse, die schon früher erwähnt (Bd. I. p. 204 u. 222) sind, fügt
W. Krause, dass der Brechungscoeffizient des äussern Linsenstratum =
1,4071, der mittlere = 1,4319 und des Kernes = 1,4564 (Wasser =
1,3358) sei. Die Füllung der Linsenröhren mit einer conzentrirten
Eiweisslösung kommt unzweifelhaft der Durchsichtigkeit zu Gute. Diese
Flüssigkeit wirkt hier ganz nach demselben Prinzip, nach welchem
Brücke mit einer ähnlichen die Darmhaut zu mikroskopischen Unter-
suchungen durchsichtig machte. Die Gegenwart des Eiweissstoffes hebt
nemlich den Unterschied des Brechungscoeffizienten zwischen Wasser
und den Häuten der Linsenröhren auf.

4. Die Linsenernährung. — Bei der Vergrösserung der Linse wäh-
rend des Wachsthums nimmt die Zahl, nicht aber der Umfang der Röh-
ren zu (Harting). Die Linsenröhren bilden sich nur unter Beihilfe
der Kapsel, wie von Valentin*) durch Versuche am Kaninchen, Söm-
mering
und Textor durch Beobachtungen am Menschen erwiesen
ist. Die Formfolge, welche bei ihrer Entstehung vorkommt, beschreibt
H. Meyer**) in der Art, dass zunächst Epithelialzellen auftreten, welche
allmählig zu Röhren auswachsen und sich dabei über die vordere und
hintere Linsenfläche gleichzeitig hinüberschlagen. Die jüngsten Schich-
ten der Linse sind demnach auf der vorderen mit Epithelien bedeckten
Wand zu suchen, während die ältesten den Kern einschliessen. Die
Kapselwand ist also die Form, in welche die Linse gegossen. — Daraus
folgt, wie Valentin bestätigt, dass die Schichtung der Linse, welche sich
in einer entleerten Kapsel neu bildete, Unregelmässigkeiten zeigen muss, da
die Vorderwand der letztern durch den Einschnitt theilweise zerstört und
jedenfalls verbogen ist. Die chemischen Umsetzungen, welche diese Ent-
stehung begleiten, sind unbekannt; der zur Bildung führende Stoff wird
bei dem ersten Auftreten aus einem Blutgefässnetz geliefert, welches in

*) Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. II. Bd.
**) Müller’s Archiv. 1852.
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[188/0204] Linse. Der flüssige Röhreninhalt hält einen Stoff in Auflösung, der nach Mul- der’s Analyse zu den eiweisshaltigen mit locker gebundenem Schwefel gehört; seiner Reaktion nach stellt ihn Berzelius zum Globulin. Fällt man denselben durch Erhitzen aus der Flüssigkeit, so soll, wie Ber- zelius berichtet, eine saure Extraktflüssigkeit zurückbleiben, welche in ihren Eigenschaften an die Fleischflüssigkeit erinnert. Nach Lohmeyer kommt in der Linse ziemlich viel Cholestearin vor. — Sie enthält 0,35 pCt. Asche, also nur etwa halb so viel als im humor aqueus vor- handen ist. 3. Physikalische Eigenthümlichkeiten. Die Kapselhaut ist sehr ela- stisch, aber nicht sehr fest. — Das spez. Gewicht der Faserung soll an dem Linsenumfang = 1,076 und im Linsenkern = 1,194 betragen (Chevenix). Zu den brechenden und polarisirenden Eigenschaften der Linse, die schon früher erwähnt (Bd. I. p. 204 u. 222) sind, fügt W. Krause, dass der Brechungscoeffizient des äussern Linsenstratum = 1,4071, der mittlere = 1,4319 und des Kernes = 1,4564 (Wasser = 1,3358) sei. Die Füllung der Linsenröhren mit einer conzentrirten Eiweisslösung kommt unzweifelhaft der Durchsichtigkeit zu Gute. Diese Flüssigkeit wirkt hier ganz nach demselben Prinzip, nach welchem Brücke mit einer ähnlichen die Darmhaut zu mikroskopischen Unter- suchungen durchsichtig machte. Die Gegenwart des Eiweissstoffes hebt nemlich den Unterschied des Brechungscoeffizienten zwischen Wasser und den Häuten der Linsenröhren auf. 4. Die Linsenernährung. — Bei der Vergrösserung der Linse wäh- rend des Wachsthums nimmt die Zahl, nicht aber der Umfang der Röh- ren zu (Harting). Die Linsenröhren bilden sich nur unter Beihilfe der Kapsel, wie von Valentin *) durch Versuche am Kaninchen, Söm- mering und Textor durch Beobachtungen am Menschen erwiesen ist. Die Formfolge, welche bei ihrer Entstehung vorkommt, beschreibt H. Meyer **) in der Art, dass zunächst Epithelialzellen auftreten, welche allmählig zu Röhren auswachsen und sich dabei über die vordere und hintere Linsenfläche gleichzeitig hinüberschlagen. Die jüngsten Schich- ten der Linse sind demnach auf der vorderen mit Epithelien bedeckten Wand zu suchen, während die ältesten den Kern einschliessen. Die Kapselwand ist also die Form, in welche die Linse gegossen. — Daraus folgt, wie Valentin bestätigt, dass die Schichtung der Linse, welche sich in einer entleerten Kapsel neu bildete, Unregelmässigkeiten zeigen muss, da die Vorderwand der letztern durch den Einschnitt theilweise zerstört und jedenfalls verbogen ist. Die chemischen Umsetzungen, welche diese Ent- stehung begleiten, sind unbekannt; der zur Bildung führende Stoff wird bei dem ersten Auftreten aus einem Blutgefässnetz geliefert, welches in *) Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. II. Bd. **) Müller’s Archiv. 1852.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/204>, abgerufen am 29.03.2024.