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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Einfachere Deckhäute.
denen Seiten her zusammenpressen. Durch die Aufschichtung von Zellen
im Falz wird die Längenzunahme und durch diejenige im Nagelbett zum
Theil mindestens das Wachsthum nach der Dicke bestimmt (E. H. We-
ber
). -- Nach Berthold *) wachsen die Nägel in der Jugend und im
Sommer rascher als im Winter, an der rechten Hand mehr als an der
linken; unter allen Fingern geht am mittleren das Wachsthum am ra-
schesten und in abnehmender Reihenfolge am Ring-, Zeige-, Ohrfinger
und Daumen vor sich. Schneiden der Nägel befördert die Zellenneubil-
dung; wenn man dieselben niemals verkürzt, so erreichen sie eine be-
stimmte, nicht weiter veränderliche Länge.

Beispielsweise sei erwähnt, dass sich nach Berthold der Nagel in 11 Tagen
um etwa 1 MM. verlängert.

An diese Pflasterepithelien vollkommenster Ausbildung schliessen
sich nun eine Reihe anderer Oberhäute an, welche entweder nur aus
einer oder aus mehreren der beschriebenen Zellenformen zusammenge-
setzt sind. Die einfachsten Oberhäute sind die einschichtigen; sie be-
stehen immer nur aus einer Lage und zwar entweder aus platten, wie
z. B. in den serösen Häuten, oder aus cylindrischen Zellen, wie im
Darmkanal u. s. w. -- Die complizirteren enthalten dagegen entweder
kugelige und cylindrische (Bronchialschleimhaut) oder cylindrische, ku-
gelige und platte (Mundschleimhaut). Die letztern, welche der Epidermis
am nächsten stehen, unterscheiden sich jedoch meist wesentlich dadurch,
dass ihre platten Zellen nur stellenweise und zwar im Ueberzug der
pap. filiformes als dünne Hornschüppchen erscheinen.

Unsere chemische Kenntniss dieser Gebilde sagt aus, dass sie unter
dem Mikroskop annähernd dieselben Erscheinungen bieten, wie die Epi-
dermiszellen.

Nach Gorup **) enthält das Plattenepithelium der Mundschleimhaut der Wallfische
2,5 pCt. Schwefel, also so viel wie die Nägel des Menschen; ob dieses auch für die
Oberhaut unserer Mundschleimhaut gilt?

Die Durchdringbarkeit der weniger ausgebildeten Oberhäute für gas-
förmige und namentlich flüssige Stoffe ist viel beträchtlicher als die der
Epidermis; am leichtesten durchgängig sind diejenigen, welche nur aus
einer Zellenlage bestehen; zum Theil mag dieses daher rühren, dass in
den Zwischenräumen zwischen je zwei Zellen Poren gelegen sind, die
der Diffusion weniger Widerstand bieten, zum Theil aber sind die
Zellen selbst leicht durchgängig, wie die Cylinder des Darms, die
freilich auch besondere Einrichtungen zeigen (siehe hierüber Auf-
saugung im Darmkanal). Die Wachsthumserscheinungen der einfachen
Epithelien sind unbekannt. Bemerkenswerth ist es nur, dass sich

*) A. Berthold, Beobachtungen über das quantitative Verhältniss der Nagel- und Haarbildung.
Göttingen 1850.
**) Journ. für prakt. Chemie. 39. Bd. p. 244.

Einfachere Deckhäute.
denen Seiten her zusammenpressen. Durch die Aufschichtung von Zellen
im Falz wird die Längenzunahme und durch diejenige im Nagelbett zum
Theil mindestens das Wachsthum nach der Dicke bestimmt (E. H. We-
ber
). — Nach Berthold *) wachsen die Nägel in der Jugend und im
Sommer rascher als im Winter, an der rechten Hand mehr als an der
linken; unter allen Fingern geht am mittleren das Wachsthum am ra-
schesten und in abnehmender Reihenfolge am Ring-, Zeige-, Ohrfinger
und Daumen vor sich. Schneiden der Nägel befördert die Zellenneubil-
dung; wenn man dieselben niemals verkürzt, so erreichen sie eine be-
stimmte, nicht weiter veränderliche Länge.

Beispielsweise sei erwähnt, dass sich nach Berthold der Nagel in 11 Tagen
um etwa 1 MM. verlängert.

An diese Pflasterepithelien vollkommenster Ausbildung schliessen
sich nun eine Reihe anderer Oberhäute an, welche entweder nur aus
einer oder aus mehreren der beschriebenen Zellenformen zusammenge-
setzt sind. Die einfachsten Oberhäute sind die einschichtigen; sie be-
stehen immer nur aus einer Lage und zwar entweder aus platten, wie
z. B. in den serösen Häuten, oder aus cylindrischen Zellen, wie im
Darmkanal u. s. w. — Die complizirteren enthalten dagegen entweder
kugelige und cylindrische (Bronchialschleimhaut) oder cylindrische, ku-
gelige und platte (Mundschleimhaut). Die letztern, welche der Epidermis
am nächsten stehen, unterscheiden sich jedoch meist wesentlich dadurch,
dass ihre platten Zellen nur stellenweise und zwar im Ueberzug der
pap. filiformes als dünne Hornschüppchen erscheinen.

Unsere chemische Kenntniss dieser Gebilde sagt aus, dass sie unter
dem Mikroskop annähernd dieselben Erscheinungen bieten, wie die Epi-
dermiszellen.

Nach Gorup **) enthält das Plattenepithelium der Mundschleimhaut der Wallfische
2,5 pCt. Schwefel, also so viel wie die Nägel des Menschen; ob dieses auch für die
Oberhaut unserer Mundschleimhaut gilt?

Die Durchdringbarkeit der weniger ausgebildeten Oberhäute für gas-
förmige und namentlich flüssige Stoffe ist viel beträchtlicher als die der
Epidermis; am leichtesten durchgängig sind diejenigen, welche nur aus
einer Zellenlage bestehen; zum Theil mag dieses daher rühren, dass in
den Zwischenräumen zwischen je zwei Zellen Poren gelegen sind, die
der Diffusion weniger Widerstand bieten, zum Theil aber sind die
Zellen selbst leicht durchgängig, wie die Cylinder des Darms, die
freilich auch besondere Einrichtungen zeigen (siehe hierüber Auf-
saugung im Darmkanal). Die Wachsthumserscheinungen der einfachen
Epithelien sind unbekannt. Bemerkenswerth ist es nur, dass sich

*) A. Berthold, Beobachtungen über das quantitative Verhältniss der Nagel- und Haarbildung.
Göttingen 1850.
**) Journ. für prakt. Chemie. 39. Bd. p. 244.
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[171/0187] Einfachere Deckhäute. denen Seiten her zusammenpressen. Durch die Aufschichtung von Zellen im Falz wird die Längenzunahme und durch diejenige im Nagelbett zum Theil mindestens das Wachsthum nach der Dicke bestimmt (E. H. We- ber). — Nach Berthold *) wachsen die Nägel in der Jugend und im Sommer rascher als im Winter, an der rechten Hand mehr als an der linken; unter allen Fingern geht am mittleren das Wachsthum am ra- schesten und in abnehmender Reihenfolge am Ring-, Zeige-, Ohrfinger und Daumen vor sich. Schneiden der Nägel befördert die Zellenneubil- dung; wenn man dieselben niemals verkürzt, so erreichen sie eine be- stimmte, nicht weiter veränderliche Länge. Beispielsweise sei erwähnt, dass sich nach Berthold der Nagel in 11 Tagen um etwa 1 MM. verlängert. An diese Pflasterepithelien vollkommenster Ausbildung schliessen sich nun eine Reihe anderer Oberhäute an, welche entweder nur aus einer oder aus mehreren der beschriebenen Zellenformen zusammenge- setzt sind. Die einfachsten Oberhäute sind die einschichtigen; sie be- stehen immer nur aus einer Lage und zwar entweder aus platten, wie z. B. in den serösen Häuten, oder aus cylindrischen Zellen, wie im Darmkanal u. s. w. — Die complizirteren enthalten dagegen entweder kugelige und cylindrische (Bronchialschleimhaut) oder cylindrische, ku- gelige und platte (Mundschleimhaut). Die letztern, welche der Epidermis am nächsten stehen, unterscheiden sich jedoch meist wesentlich dadurch, dass ihre platten Zellen nur stellenweise und zwar im Ueberzug der pap. filiformes als dünne Hornschüppchen erscheinen. Unsere chemische Kenntniss dieser Gebilde sagt aus, dass sie unter dem Mikroskop annähernd dieselben Erscheinungen bieten, wie die Epi- dermiszellen. Nach Gorup **) enthält das Plattenepithelium der Mundschleimhaut der Wallfische 2,5 pCt. Schwefel, also so viel wie die Nägel des Menschen; ob dieses auch für die Oberhaut unserer Mundschleimhaut gilt? Die Durchdringbarkeit der weniger ausgebildeten Oberhäute für gas- förmige und namentlich flüssige Stoffe ist viel beträchtlicher als die der Epidermis; am leichtesten durchgängig sind diejenigen, welche nur aus einer Zellenlage bestehen; zum Theil mag dieses daher rühren, dass in den Zwischenräumen zwischen je zwei Zellen Poren gelegen sind, die der Diffusion weniger Widerstand bieten, zum Theil aber sind die Zellen selbst leicht durchgängig, wie die Cylinder des Darms, die freilich auch besondere Einrichtungen zeigen (siehe hierüber Auf- saugung im Darmkanal). Die Wachsthumserscheinungen der einfachen Epithelien sind unbekannt. Bemerkenswerth ist es nur, dass sich *) A. Berthold, Beobachtungen über das quantitative Verhältniss der Nagel- und Haarbildung. Göttingen 1850. **) Journ. für prakt. Chemie. 39. Bd. p. 244.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/187>, abgerufen am 18.04.2024.