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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Durchdringbarkeit der Epidermis am Lebenden.
resp. die Blutgefässe der Cutis, sind zahlreiche Versuche von Aerzten *)
angestellt. Der Unterschied zwischen diesen und den erwähnten Versuchen
von Krause leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass die endosmotische
Scheidewand zwischen den auf die Körperoberfläche gebrachten Stoffen
und den in der Lederhaut enthaltenen Flüssigkeiten offenbar nicht mehr
allein dargestellt wird durch die Epidermis, sondern dass auch durch
die mit Schweiss und andern Flüssigkeiten erfüllten Schweisskanälchen
die Ausgleichung erfolgen muss. -- Die hierhergehörigen Versuche bie-
ten meist so grosse Schwierigkeiten, dass man sich für gewöhnlich mit
einer qualitativen Antwort befriedigen musste, welche wohl etwas über
das Zustandekommen, nichts aber über die Geschwindigkeit des Durch-
gangs der betreffenden Substanzen aussagte. -- Aus den vorliegenden
Beobachtungen scheint sich zu ergeben, dass von aussen nach innen
eindringt: Wasser, und zwar laues besser als heisses, die in der Fleisch-
brühe und Milch gelösten Stoffe (?), verdünnte Schwefel-, Salz-, Salpeter-
säure, verdünnte Lösungen von Chlorbaryum, Brechweinstein, Quecksil-
berchlorid, Blutlaugensalz, Jodkalium, Crotonöl, aromatische Oele, Can-
tharidin, Jod und Quecksilber. Umgekehrt gehen aus der Haut in ein
Wasserbad über Kochsalz; nach Barral hatte ein Bad aus 174 Kilogr.
von 37° C. während einer Stunde 1 Gr. dieses letztern Salzes aus der
Haut ausgewaschen.

Dem Durchtritt der Gasarten stellt die mit der lebenden Haut in
Verbindung stehende Epidermis ebensowenig einen Widerstand entgegen,
als die von ihr losgelöste.

Der Uebergang eines Stoffes durch die Epidermis des lebenden Menschen lässt
sich jedesmal leicht feststellen, wenn er im Beginnen des Versuchs entweder im Or-
ganismus oder in dem die Oberhaut umgebenden Bade fehlte. Hierzu bietet die che-
mische Reaktion meist genügende Hilfsmittel, und wo diese nicht mehr anwendbar,
tritt oft eine physiologische an ihre Stelle; dieses gilt z. B. unter den oben ange-
führten Stoffen für Crotonöl, Cantharidin u. A., welche im Blute anwesend eigen-
thümliche Arzneiwirkungen bedingen. Schwieriger ist der Nachweis für den Ueber-
tritt solcher Stoffe, welche schon im Organismus vorkommen, oder gar die genaue
quantitative Bestimmung der übergetretenen Mengen. Um diese zu gewinnen, wie
z. B. die des übergehenden Wassers, muss man entweder Gewichtsverlust des
Bades oder die Gewichtszunahme des thierischen Körpers feststellen. Beide Wägun-
gen sind aber mit zahlreichen Fehlerquellen behaftet; denn einmal nimmt der mensch-
liche Körper während des Bades auch an Gewicht ab durch die Lungenausdünstung,
diese müsste also während des Bades bestimmt werden, was bis dahin noch nicht
geschehen ist, und nächstdem möchte man einem Menschen wohl schwerlich die Haut
gerade soweit wieder abzutrocknen im Stande sein, wie vor dem Bade. Die Wä-
gung des Bades führt Unsicherheit ein, wegen der Verdunstung der Flüssigkeit wäh-
rend des Abtrocknens, des Hängenbleibens derselben an der Haut u. s. w.

4. Auch ohne dass eine besondere Untersuchung vorliegt, können

*) Die älteren Beobachtungen von Young, Madden, Collard, Emmert u. s. w. siche bei
Krause l. c. Ausserdem Oesterlen in Henle's und Pfeufer's Zeitschrift. V. Bd. 434.

Durchdringbarkeit der Epidermis am Lebenden.
resp. die Blutgefässe der Cutis, sind zahlreiche Versuche von Aerzten *)
angestellt. Der Unterschied zwischen diesen und den erwähnten Versuchen
von Krause leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass die endosmotische
Scheidewand zwischen den auf die Körperoberfläche gebrachten Stoffen
und den in der Lederhaut enthaltenen Flüssigkeiten offenbar nicht mehr
allein dargestellt wird durch die Epidermis, sondern dass auch durch
die mit Schweiss und andern Flüssigkeiten erfüllten Schweisskanälchen
die Ausgleichung erfolgen muss. — Die hierhergehörigen Versuche bie-
ten meist so grosse Schwierigkeiten, dass man sich für gewöhnlich mit
einer qualitativen Antwort befriedigen musste, welche wohl etwas über
das Zustandekommen, nichts aber über die Geschwindigkeit des Durch-
gangs der betreffenden Substanzen aussagte. — Aus den vorliegenden
Beobachtungen scheint sich zu ergeben, dass von aussen nach innen
eindringt: Wasser, und zwar laues besser als heisses, die in der Fleisch-
brühe und Milch gelösten Stoffe (?), verdünnte Schwefel-, Salz-, Salpeter-
säure, verdünnte Lösungen von Chlorbaryum, Brechweinstein, Quecksil-
berchlorid, Blutlaugensalz, Jodkalium, Crotonöl, aromatische Oele, Can-
tharidin, Jod und Quecksilber. Umgekehrt gehen aus der Haut in ein
Wasserbad über Kochsalz; nach Barral hatte ein Bad aus 174 Kilogr.
von 37° C. während einer Stunde 1 Gr. dieses letztern Salzes aus der
Haut ausgewaschen.

Dem Durchtritt der Gasarten stellt die mit der lebenden Haut in
Verbindung stehende Epidermis ebensowenig einen Widerstand entgegen,
als die von ihr losgelöste.

Der Uebergang eines Stoffes durch die Epidermis des lebenden Menschen lässt
sich jedesmal leicht feststellen, wenn er im Beginnen des Versuchs entweder im Or-
ganismus oder in dem die Oberhaut umgebenden Bade fehlte. Hierzu bietet die che-
mische Reaktion meist genügende Hilfsmittel, und wo diese nicht mehr anwendbar,
tritt oft eine physiologische an ihre Stelle; dieses gilt z. B. unter den oben ange-
führten Stoffen für Crotonöl, Cantharidin u. A., welche im Blute anwesend eigen-
thümliche Arzneiwirkungen bedingen. Schwieriger ist der Nachweis für den Ueber-
tritt solcher Stoffe, welche schon im Organismus vorkommen, oder gar die genaue
quantitative Bestimmung der übergetretenen Mengen. Um diese zu gewinnen, wie
z. B. die des übergehenden Wassers, muss man entweder Gewichtsverlust des
Bades oder die Gewichtszunahme des thierischen Körpers feststellen. Beide Wägun-
gen sind aber mit zahlreichen Fehlerquellen behaftet; denn einmal nimmt der mensch-
liche Körper während des Bades auch an Gewicht ab durch die Lungenausdünstung,
diese müsste also während des Bades bestimmt werden, was bis dahin noch nicht
geschehen ist, und nächstdem möchte man einem Menschen wohl schwerlich die Haut
gerade soweit wieder abzutrocknen im Stande sein, wie vor dem Bade. Die Wä-
gung des Bades führt Unsicherheit ein, wegen der Verdunstung der Flüssigkeit wäh-
rend des Abtrocknens, des Hängenbleibens derselben an der Haut u. s. w.

4. Auch ohne dass eine besondere Untersuchung vorliegt, können

*) Die älteren Beobachtungen von Young, Madden, Collard, Emmert u. s. w. siche bei
Krause l. c. Ausserdem Oesterlen in Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. V. Bd. 434.
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[168/0184] Durchdringbarkeit der Epidermis am Lebenden. resp. die Blutgefässe der Cutis, sind zahlreiche Versuche von Aerzten *) angestellt. Der Unterschied zwischen diesen und den erwähnten Versuchen von Krause leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass die endosmotische Scheidewand zwischen den auf die Körperoberfläche gebrachten Stoffen und den in der Lederhaut enthaltenen Flüssigkeiten offenbar nicht mehr allein dargestellt wird durch die Epidermis, sondern dass auch durch die mit Schweiss und andern Flüssigkeiten erfüllten Schweisskanälchen die Ausgleichung erfolgen muss. — Die hierhergehörigen Versuche bie- ten meist so grosse Schwierigkeiten, dass man sich für gewöhnlich mit einer qualitativen Antwort befriedigen musste, welche wohl etwas über das Zustandekommen, nichts aber über die Geschwindigkeit des Durch- gangs der betreffenden Substanzen aussagte. — Aus den vorliegenden Beobachtungen scheint sich zu ergeben, dass von aussen nach innen eindringt: Wasser, und zwar laues besser als heisses, die in der Fleisch- brühe und Milch gelösten Stoffe (?), verdünnte Schwefel-, Salz-, Salpeter- säure, verdünnte Lösungen von Chlorbaryum, Brechweinstein, Quecksil- berchlorid, Blutlaugensalz, Jodkalium, Crotonöl, aromatische Oele, Can- tharidin, Jod und Quecksilber. Umgekehrt gehen aus der Haut in ein Wasserbad über Kochsalz; nach Barral hatte ein Bad aus 174 Kilogr. von 37° C. während einer Stunde 1 Gr. dieses letztern Salzes aus der Haut ausgewaschen. Dem Durchtritt der Gasarten stellt die mit der lebenden Haut in Verbindung stehende Epidermis ebensowenig einen Widerstand entgegen, als die von ihr losgelöste. Der Uebergang eines Stoffes durch die Epidermis des lebenden Menschen lässt sich jedesmal leicht feststellen, wenn er im Beginnen des Versuchs entweder im Or- ganismus oder in dem die Oberhaut umgebenden Bade fehlte. Hierzu bietet die che- mische Reaktion meist genügende Hilfsmittel, und wo diese nicht mehr anwendbar, tritt oft eine physiologische an ihre Stelle; dieses gilt z. B. unter den oben ange- führten Stoffen für Crotonöl, Cantharidin u. A., welche im Blute anwesend eigen- thümliche Arzneiwirkungen bedingen. Schwieriger ist der Nachweis für den Ueber- tritt solcher Stoffe, welche schon im Organismus vorkommen, oder gar die genaue quantitative Bestimmung der übergetretenen Mengen. Um diese zu gewinnen, wie z. B. die des übergehenden Wassers, muss man entweder Gewichtsverlust des Bades oder die Gewichtszunahme des thierischen Körpers feststellen. Beide Wägun- gen sind aber mit zahlreichen Fehlerquellen behaftet; denn einmal nimmt der mensch- liche Körper während des Bades auch an Gewicht ab durch die Lungenausdünstung, diese müsste also während des Bades bestimmt werden, was bis dahin noch nicht geschehen ist, und nächstdem möchte man einem Menschen wohl schwerlich die Haut gerade soweit wieder abzutrocknen im Stande sein, wie vor dem Bade. Die Wä- gung des Bades führt Unsicherheit ein, wegen der Verdunstung der Flüssigkeit wäh- rend des Abtrocknens, des Hängenbleibens derselben an der Haut u. s. w. 4. Auch ohne dass eine besondere Untersuchung vorliegt, können *) Die älteren Beobachtungen von Young, Madden, Collard, Emmert u. s. w. siche bei Krause l. c. Ausserdem Oesterlen in Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. V. Bd. 434.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/184>, abgerufen am 16.04.2024.