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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Prägung der formlosen Massen.
halten wäre, die Gestalt der Umgrenzung, in welcher der Niederschlag
geschah u. s. w. -- Zur Erläuterung des Gesagten heben wir hervor,
dass die Krystallformen des Margarins, Stearins, des kohlensauren Kal-
kes u. s. w. in keinem Fall sich ändern mit den Gestalten des Tropfens
oder der Dichtigkeit der Lösung, aus der sie herauskrystallisirten; alles
dieses hat aber Einfluss auf die Gestalt, welche das Eiweiss oder der
Faserstoff beim Gerinnen annehme, aus verdünnten Lösungen fallen
Flocken, aus conzentrirten compakte Massen heraus; sie gerinnen haut-
artig oder zu mannigfach geformten Gebilden, je nach der Zahl, der An-
ordnung und dem zeitlichen Wirken der Berührungspunkte des Eiweisses
mit einer andern Flüssigkeit, welche die Gerinnung erzeugt; Eiweiss
und Faserstoff nehmen beim Gerinnen die Gestalt der Gefässe an, in
der dasselbe vor sich ging u. s. w.

Daraus folgt mit Nothwendigkeit, dass auch die besondern Gestal-
ten, welche jene Stoffe beim Festwerden im Thierleib annehmen, die
Folgen einer gestaltgebenden Einrichtung, wir wollen kurz sagen, einer
Prägung, sein müssen.

Um diesen Satz, der von den Eigenschaften der Stoffe hergeleitet ist,
welche vorzugsweise zu dem Aufbau der thierischen Formen verwendet sind,
aus dem Bereich der Probabilität zu heben, müssten wir im Stande sein,
die besondern prägenden Einrichtungen, die bei der Gewebsbildung thä-
tig sind, nachzuweisen. Aus Mangel an genügenden Beobachtungen ist
dieses freilich bis dahin nicht möglich; darum mag es gestattet sein,
von allgemeinen Gesichtspunkten aus mindestens den Nachweis zu ver-
suchen, dass solche Einrichtungen dem thierischen Körper nicht fehlen.

Gehen wir aus von den einfachsten Bedingungen zur Bildung des
Körnchens, der Faser und der Platte, so ist sogleich einleuchtend, dass
der Niederschlag einer amorphen Substanz als Körnchen erscheinen
muss, wenn die Fällung desselben unter Umständen geschieht, welche
entweder das Zusammenkleben zweier in unmittelbarer Nachbarschaft
niederfallender Massen verhüten, oder wenn die Lösung, aus der die Fäl-
lung entsteht, in sehr kleinen Tröpfchen, die nicht unmittelbar auf einan-
der folgen, in das fällende Medium einströmt. -- Die Faser muss dage-
gen zu Stande kommen, wenn sich ein feiner zusammenhängender Strahl
von der Flüssigkeit, welche die amorphe Substanz aufgelöst enthält, in
die fällende ergiesst, oder wenn die beiden Flüssigkeiten an einer feinen
Spalte in Berührung treten. -- Die Platte endlich, wenn die Grenzen
der beiden aufeinanderwirkenden Flüssigkeiten eine grössere Ausdehnung
besitzen und der Niederschlag gleichzeitig an allen Orten der Berührung
erfolgt, sodass mit dem Erscheinen des Niederschlags die weitere Ver-
mischung der beiden Flüssigkeiten gehemmt ist. -- Diese ganz einfachen
Bedingungen werden oft genug erfüllt sein in dem formenreichen Organis-
mus, der mit ruhenden und bewegten und zugleich verschiedenartig zu-

Prägung der formlosen Massen.
halten wäre, die Gestalt der Umgrenzung, in welcher der Niederschlag
geschah u. s. w. — Zur Erläuterung des Gesagten heben wir hervor,
dass die Krystallformen des Margarins, Stearins, des kohlensauren Kal-
kes u. s. w. in keinem Fall sich ändern mit den Gestalten des Tropfens
oder der Dichtigkeit der Lösung, aus der sie herauskrystallisirten; alles
dieses hat aber Einfluss auf die Gestalt, welche das Eiweiss oder der
Faserstoff beim Gerinnen annehme, aus verdünnten Lösungen fallen
Flocken, aus conzentrirten compakte Massen heraus; sie gerinnen haut-
artig oder zu mannigfach geformten Gebilden, je nach der Zahl, der An-
ordnung und dem zeitlichen Wirken der Berührungspunkte des Eiweisses
mit einer andern Flüssigkeit, welche die Gerinnung erzeugt; Eiweiss
und Faserstoff nehmen beim Gerinnen die Gestalt der Gefässe an, in
der dasselbe vor sich ging u. s. w.

Daraus folgt mit Nothwendigkeit, dass auch die besondern Gestal-
ten, welche jene Stoffe beim Festwerden im Thierleib annehmen, die
Folgen einer gestaltgebenden Einrichtung, wir wollen kurz sagen, einer
Prägung, sein müssen.

Um diesen Satz, der von den Eigenschaften der Stoffe hergeleitet ist,
welche vorzugsweise zu dem Aufbau der thierischen Formen verwendet sind,
aus dem Bereich der Probabilität zu heben, müssten wir im Stande sein,
die besondern prägenden Einrichtungen, die bei der Gewebsbildung thä-
tig sind, nachzuweisen. Aus Mangel an genügenden Beobachtungen ist
dieses freilich bis dahin nicht möglich; darum mag es gestattet sein,
von allgemeinen Gesichtspunkten aus mindestens den Nachweis zu ver-
suchen, dass solche Einrichtungen dem thierischen Körper nicht fehlen.

Gehen wir aus von den einfachsten Bedingungen zur Bildung des
Körnchens, der Faser und der Platte, so ist sogleich einleuchtend, dass
der Niederschlag einer amorphen Substanz als Körnchen erscheinen
muss, wenn die Fällung desselben unter Umständen geschieht, welche
entweder das Zusammenkleben zweier in unmittelbarer Nachbarschaft
niederfallender Massen verhüten, oder wenn die Lösung, aus der die Fäl-
lung entsteht, in sehr kleinen Tröpfchen, die nicht unmittelbar auf einan-
der folgen, in das fällende Medium einströmt. — Die Faser muss dage-
gen zu Stande kommen, wenn sich ein feiner zusammenhängender Strahl
von der Flüssigkeit, welche die amorphe Substanz aufgelöst enthält, in
die fällende ergiesst, oder wenn die beiden Flüssigkeiten an einer feinen
Spalte in Berührung treten. — Die Platte endlich, wenn die Grenzen
der beiden aufeinanderwirkenden Flüssigkeiten eine grössere Ausdehnung
besitzen und der Niederschlag gleichzeitig an allen Orten der Berührung
erfolgt, sodass mit dem Erscheinen des Niederschlags die weitere Ver-
mischung der beiden Flüssigkeiten gehemmt ist. — Diese ganz einfachen
Bedingungen werden oft genug erfüllt sein in dem formenreichen Organis-
mus, der mit ruhenden und bewegten und zugleich verschiedenartig zu-

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[159/0175] Prägung der formlosen Massen. halten wäre, die Gestalt der Umgrenzung, in welcher der Niederschlag geschah u. s. w. — Zur Erläuterung des Gesagten heben wir hervor, dass die Krystallformen des Margarins, Stearins, des kohlensauren Kal- kes u. s. w. in keinem Fall sich ändern mit den Gestalten des Tropfens oder der Dichtigkeit der Lösung, aus der sie herauskrystallisirten; alles dieses hat aber Einfluss auf die Gestalt, welche das Eiweiss oder der Faserstoff beim Gerinnen annehme, aus verdünnten Lösungen fallen Flocken, aus conzentrirten compakte Massen heraus; sie gerinnen haut- artig oder zu mannigfach geformten Gebilden, je nach der Zahl, der An- ordnung und dem zeitlichen Wirken der Berührungspunkte des Eiweisses mit einer andern Flüssigkeit, welche die Gerinnung erzeugt; Eiweiss und Faserstoff nehmen beim Gerinnen die Gestalt der Gefässe an, in der dasselbe vor sich ging u. s. w. Daraus folgt mit Nothwendigkeit, dass auch die besondern Gestal- ten, welche jene Stoffe beim Festwerden im Thierleib annehmen, die Folgen einer gestaltgebenden Einrichtung, wir wollen kurz sagen, einer Prägung, sein müssen. Um diesen Satz, der von den Eigenschaften der Stoffe hergeleitet ist, welche vorzugsweise zu dem Aufbau der thierischen Formen verwendet sind, aus dem Bereich der Probabilität zu heben, müssten wir im Stande sein, die besondern prägenden Einrichtungen, die bei der Gewebsbildung thä- tig sind, nachzuweisen. Aus Mangel an genügenden Beobachtungen ist dieses freilich bis dahin nicht möglich; darum mag es gestattet sein, von allgemeinen Gesichtspunkten aus mindestens den Nachweis zu ver- suchen, dass solche Einrichtungen dem thierischen Körper nicht fehlen. Gehen wir aus von den einfachsten Bedingungen zur Bildung des Körnchens, der Faser und der Platte, so ist sogleich einleuchtend, dass der Niederschlag einer amorphen Substanz als Körnchen erscheinen muss, wenn die Fällung desselben unter Umständen geschieht, welche entweder das Zusammenkleben zweier in unmittelbarer Nachbarschaft niederfallender Massen verhüten, oder wenn die Lösung, aus der die Fäl- lung entsteht, in sehr kleinen Tröpfchen, die nicht unmittelbar auf einan- der folgen, in das fällende Medium einströmt. — Die Faser muss dage- gen zu Stande kommen, wenn sich ein feiner zusammenhängender Strahl von der Flüssigkeit, welche die amorphe Substanz aufgelöst enthält, in die fällende ergiesst, oder wenn die beiden Flüssigkeiten an einer feinen Spalte in Berührung treten. — Die Platte endlich, wenn die Grenzen der beiden aufeinanderwirkenden Flüssigkeiten eine grössere Ausdehnung besitzen und der Niederschlag gleichzeitig an allen Orten der Berührung erfolgt, sodass mit dem Erscheinen des Niederschlags die weitere Ver- mischung der beiden Flüssigkeiten gehemmt ist. — Diese ganz einfachen Bedingungen werden oft genug erfüllt sein in dem formenreichen Organis- mus, der mit ruhenden und bewegten und zugleich verschiedenartig zu-

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/175>, abgerufen am 19.04.2024.