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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Entstehung des festen Aggregatzustandes.
merkung nicht unterdrückt werden, dass sie uns, so weit wir sie kennen,
nicht etwa durch besondere auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen
aufgeschlossen wurden. Sie sind im Gegentheil nur ein beiläufiger Er-
werb anderer Beobachtungsreihen, die mit den chemischen Bestandtheilen
des Thierleibes inner- und ausserhalb dieses letzteren angestellt wurden.
Diese Mittheilung bürgt hinlänglich dafür, dass die folgenden Angaben
nur einen sehr kleinen Theil der wirklich vorhandenen Mittel umgreifen.

Die Salze mit alkalischer und ammoniakalischer Basis, ferner Ca Cl,
Mg Cl, Zucker, Milchsäure, Harnstoff, Kreatin, die niedern Glieder der
Fettsäurenreihe, sind immer flüssig im thierischen Organismus vorhanden;
dieses steht in Uebereinstimmung mit unseren Einsichten in die chemi-
schen Eigenschaften der aufgezählten Körper, da wir in der That keine
Veranlassung anzugeben wussten, warum das überall vorhandene Wasser
sein Vermögen, sie zu lösen, einbüssen sollte.

Da die freien kohlensauren und phosphorsauren Kalksalze nur in
Säuren löslich sind, so müssen sie aus ihren Lösungen ausfallen, so wie
die freie Säure neutralisirt oder gar übersättigt wird. -- Die gewöhnliche
Verbindung mit eiweissartigen Stoffen, in der die phosphorsaure Kalk-
erde in den thierischen Säften gelöst vorkommt, ist nur flüssig mit Hülfe
eines alkalischen oder schwachsauren Zusatzes. Um sie zu fällen, genügt
also eine Neutralisation der einen oder andern Reaktion.

Die Fette und ihre Säuren werden entweder fest, indem aus einem
Gemenge derselben die leichtschmelzbaren Theile (die Oelfette) entfernt
werden, so dass nur noch die zurückbleiben, welche bei der Temperatur
des thierischen Körpers erstarren; oder es werden durch stärkere Säuren
die löslichen Kali- und Natronverbindungen der an und für sich unlöslichen
fetten Säuren zersetzt, so dass nun diese letztern ausgeschieden werden.

Die Eiweisskörper, welche vorzugsweise in Betracht kommen, da aus
ihnen und ihren Zersetzungsprodukten die meisten thierischen Formen
zum weitaus grössten Theil bestehen, können auf sehr vielfältige Art zur
Entstehung des festen Aggregatzustandes Veranlassung geben. Einmal
ereignet sich dieses, wenn sie in unlösliche Modificationen verwandelt
werden, in Folge der Umsetzungsprozesse, welche sie in dem Lebens-
hergang erfahren. Als Beispiele hierfür sind vorzuführen die Entstehung
des festem aus dem gelösten Faserstoff, die Umwandelung des Eiweisses
in das sog. Proteinbioxyd, in den leimartigen und in den elastischen
Stoff. Dann kann die Fällung geschehen durch eine Veränderung in den
Eigenschaften der lösenden Flüssigkeit. Hierher wäre zu rechnen die
Ausfällung des Eiweisses aus alkalisch oder schwach sauer reagirenden
Flüssigkeiten durch Neutralisation, durch Zusatz von conzentrirten Salz-
lösungen oder auch durch sehr reichliche Verdünnung mit Wasser. So
wird z. B. durch Zusatz einer beliebigen verdünnten Säure zu Lösungen
von Casein und Natronalbuminat, durch Zusatz von fetten Säuren zu

Entstehung des festen Aggregatzustandes.
merkung nicht unterdrückt werden, dass sie uns, so weit wir sie kennen,
nicht etwa durch besondere auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen
aufgeschlossen wurden. Sie sind im Gegentheil nur ein beiläufiger Er-
werb anderer Beobachtungsreihen, die mit den chemischen Bestandtheilen
des Thierleibes inner- und ausserhalb dieses letzteren angestellt wurden.
Diese Mittheilung bürgt hinlänglich dafür, dass die folgenden Angaben
nur einen sehr kleinen Theil der wirklich vorhandenen Mittel umgreifen.

Die Salze mit alkalischer und ammoniakalischer Basis, ferner Ca Cl,
Mg Cl, Zucker, Milchsäure, Harnstoff, Kreatin, die niedern Glieder der
Fettsäurenreihe, sind immer flüssig im thierischen Organismus vorhanden;
dieses steht in Uebereinstimmung mit unseren Einsichten in die chemi-
schen Eigenschaften der aufgezählten Körper, da wir in der That keine
Veranlassung anzugeben wussten, warum das überall vorhandene Wasser
sein Vermögen, sie zu lösen, einbüssen sollte.

Da die freien kohlensauren und phosphorsauren Kalksalze nur in
Säuren löslich sind, so müssen sie aus ihren Lösungen ausfallen, so wie
die freie Säure neutralisirt oder gar übersättigt wird. — Die gewöhnliche
Verbindung mit eiweissartigen Stoffen, in der die phosphorsaure Kalk-
erde in den thierischen Säften gelöst vorkommt, ist nur flüssig mit Hülfe
eines alkalischen oder schwachsauren Zusatzes. Um sie zu fällen, genügt
also eine Neutralisation der einen oder andern Reaktion.

Die Fette und ihre Säuren werden entweder fest, indem aus einem
Gemenge derselben die leichtschmelzbaren Theile (die Oelfette) entfernt
werden, so dass nur noch die zurückbleiben, welche bei der Temperatur
des thierischen Körpers erstarren; oder es werden durch stärkere Säuren
die löslichen Kali- und Natronverbindungen der an und für sich unlöslichen
fetten Säuren zersetzt, so dass nun diese letztern ausgeschieden werden.

Die Eiweisskörper, welche vorzugsweise in Betracht kommen, da aus
ihnen und ihren Zersetzungsprodukten die meisten thierischen Formen
zum weitaus grössten Theil bestehen, können auf sehr vielfältige Art zur
Entstehung des festen Aggregatzustandes Veranlassung geben. Einmal
ereignet sich dieses, wenn sie in unlösliche Modificationen verwandelt
werden, in Folge der Umsetzungsprozesse, welche sie in dem Lebens-
hergang erfahren. Als Beispiele hierfür sind vorzuführen die Entstehung
des festem aus dem gelösten Faserstoff, die Umwandelung des Eiweisses
in das sog. Proteinbioxyd, in den leimartigen und in den elastischen
Stoff. Dann kann die Fällung geschehen durch eine Veränderung in den
Eigenschaften der lösenden Flüssigkeit. Hierher wäre zu rechnen die
Ausfällung des Eiweisses aus alkalisch oder schwach sauer reagirenden
Flüssigkeiten durch Neutralisation, durch Zusatz von conzentrirten Salz-
lösungen oder auch durch sehr reichliche Verdünnung mit Wasser. So
wird z. B. durch Zusatz einer beliebigen verdünnten Säure zu Lösungen
von Casein und Natronalbuminat, durch Zusatz von fetten Säuren zu

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[156/0172] Entstehung des festen Aggregatzustandes. merkung nicht unterdrückt werden, dass sie uns, so weit wir sie kennen, nicht etwa durch besondere auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen aufgeschlossen wurden. Sie sind im Gegentheil nur ein beiläufiger Er- werb anderer Beobachtungsreihen, die mit den chemischen Bestandtheilen des Thierleibes inner- und ausserhalb dieses letzteren angestellt wurden. Diese Mittheilung bürgt hinlänglich dafür, dass die folgenden Angaben nur einen sehr kleinen Theil der wirklich vorhandenen Mittel umgreifen. Die Salze mit alkalischer und ammoniakalischer Basis, ferner Ca Cl, Mg Cl, Zucker, Milchsäure, Harnstoff, Kreatin, die niedern Glieder der Fettsäurenreihe, sind immer flüssig im thierischen Organismus vorhanden; dieses steht in Uebereinstimmung mit unseren Einsichten in die chemi- schen Eigenschaften der aufgezählten Körper, da wir in der That keine Veranlassung anzugeben wussten, warum das überall vorhandene Wasser sein Vermögen, sie zu lösen, einbüssen sollte. Da die freien kohlensauren und phosphorsauren Kalksalze nur in Säuren löslich sind, so müssen sie aus ihren Lösungen ausfallen, so wie die freie Säure neutralisirt oder gar übersättigt wird. — Die gewöhnliche Verbindung mit eiweissartigen Stoffen, in der die phosphorsaure Kalk- erde in den thierischen Säften gelöst vorkommt, ist nur flüssig mit Hülfe eines alkalischen oder schwachsauren Zusatzes. Um sie zu fällen, genügt also eine Neutralisation der einen oder andern Reaktion. Die Fette und ihre Säuren werden entweder fest, indem aus einem Gemenge derselben die leichtschmelzbaren Theile (die Oelfette) entfernt werden, so dass nur noch die zurückbleiben, welche bei der Temperatur des thierischen Körpers erstarren; oder es werden durch stärkere Säuren die löslichen Kali- und Natronverbindungen der an und für sich unlöslichen fetten Säuren zersetzt, so dass nun diese letztern ausgeschieden werden. Die Eiweisskörper, welche vorzugsweise in Betracht kommen, da aus ihnen und ihren Zersetzungsprodukten die meisten thierischen Formen zum weitaus grössten Theil bestehen, können auf sehr vielfältige Art zur Entstehung des festen Aggregatzustandes Veranlassung geben. Einmal ereignet sich dieses, wenn sie in unlösliche Modificationen verwandelt werden, in Folge der Umsetzungsprozesse, welche sie in dem Lebens- hergang erfahren. Als Beispiele hierfür sind vorzuführen die Entstehung des festem aus dem gelösten Faserstoff, die Umwandelung des Eiweisses in das sog. Proteinbioxyd, in den leimartigen und in den elastischen Stoff. Dann kann die Fällung geschehen durch eine Veränderung in den Eigenschaften der lösenden Flüssigkeit. Hierher wäre zu rechnen die Ausfällung des Eiweisses aus alkalisch oder schwach sauer reagirenden Flüssigkeiten durch Neutralisation, durch Zusatz von conzentrirten Salz- lösungen oder auch durch sehr reichliche Verdünnung mit Wasser. So wird z. B. durch Zusatz einer beliebigen verdünnten Säure zu Lösungen von Casein und Natronalbuminat, durch Zusatz von fetten Säuren zu

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/172>, abgerufen am 25.04.2024.