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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Mittlere Querschnitts- und Längengeschwindigkeit.
dieses unübertrefflichen Prinzips siehe die zuletzt erwähnte Abhandlung von
Hering.

d. Häufig macht man auch noch von einem Princip Anwendung, das an sich aller-
dings unverfänglich ist; leider ruht die Ausführung desselben auf zu unsichern Unter-
lagen. Hätte man nemlich ermittelt: die Zahl der Herzschläge z in der Zeiteinheit,
die Menge von Blut v, welche der Ventrikel bei jeder Zusammenziehung ausstösst,
und endlich einen beliebigen Querschnitt der gesammten zum rechten oder linken Ven-
trikel gehörigen Blutbahn q, so würde offenbar die mittlere Geschwindigkeit g gleich
sein der in der Zeiteinheit aus dem Ventrikel entleerten Blutmenge v z, dividirt durch
den Querschnitt der Bahn also g = [Formel 1] . Von den verlangten Werthen sind aber v
und q entweder gar nicht oder nur sehr mangelhaft zu ermitteln.

1. Ueber die verschiedenen Einzelgeschwindigkeiten der Bluttheilchen,
welche gleichzeitig einen und denselben Stromquerschnitt erfüllen, wie
z. B. über das Verhältniss der Geschwindigkeit vom Wand- und Achsen-
strom, ist nichts bekannt. Wir sind darum auf die Betrachtung der mitt-
leren Querschnitts- und der mittleren Längengeschwindigkeit angewiesen.
Die eine derselben ist begreiflich das Mittel aus allen verschiedenen
gleichzeitig auf einem und demselben Querschnitt vorhandenen Geschwin-
digkeiten, und die zweite ist das Mittel aus den verschiedenen mittleren
Querschnittsgeschwindigkeiten, welche auf einer Reihe hintereinander-
folgender Querschnitte eines Rohres vorhanden sind.

Die mittlere Geschwindigkeit eines Stroms durch einen beliebigen
Röhrenabschnitt empfing, wie wir aus dem früheren kurz wiederholen,
ihre Bestimmung: 1) durch das Maass von Triebkräften, welchen die
Flüssigkeit an dem ersten Röhrenquerschnitte (am Beginn des Stro-
mes) besass. Hierbei war es gleichgiltig, ob diese Kräfte in der Form
von Spannung oder Geschwindigkeit vorhanden waren. Denn wenn sie
in einer Geschwindigkeit der einströmenden Masse bestehen, so wird der
zweite Querschnitt um so kräftiger gestossen werden, je geschwinder der
erste auf ihn eindringt; sind aber die Triebkräfte Spannungen, so wird
wegen der allgemeinen Eigenschaft der Flüssigkeiten, eine Verschieden-
artigkeit ihrer Spannungen auszugleichen, mit der Spannung die Ge-
schwindigkeit wachsen. Denn es wird die Flüssigkeit höherer Spannung
um so rascher gegen diejenige niederer dringen, je grösser die Kraft ist,
welche die Ausgleichung verlangt. -- 2) Bei gleichen Triebkräften muss
aber die Geschwindigkeit der Flüssigkeit beim Vordringen von einem zum
Querschnitte um so mehr steigen, je geringer der Gegenhalt ist, den der
Inhalt des zweiten Querschnitts dem Stoss des ersten entgegensetzt. Dächte
man sich alle Triebkräfte des ersten Querschnitts unter der Form des
Druckes dargestellt, so würde unser Satz auch so ausgedrückt werden
können, die Geschwindigkeit zwischen zwei Querschnitt steigt, alles andere
gleichgesetzt, mit den Spannungsunterschieden ihrer Flüssigkeit; dieser
Ausdruck ist nemlich darum richtig, weil der Widerhalt der Flüssigkeit
im zweiten Querschnitt nur durch eine Spannung derselben möglich ist. --

Mittlere Querschnitts- und Längengeschwindigkeit.
dieses unübertrefflichen Prinzips siehe die zuletzt erwähnte Abhandlung von
Hering.

d. Häufig macht man auch noch von einem Princip Anwendung, das an sich aller-
dings unverfänglich ist; leider ruht die Ausführung desselben auf zu unsichern Unter-
lagen. Hätte man nemlich ermittelt: die Zahl der Herzschläge z in der Zeiteinheit,
die Menge von Blut v, welche der Ventrikel bei jeder Zusammenziehung ausstösst,
und endlich einen beliebigen Querschnitt der gesammten zum rechten oder linken Ven-
trikel gehörigen Blutbahn q, so würde offenbar die mittlere Geschwindigkeit g gleich
sein der in der Zeiteinheit aus dem Ventrikel entleerten Blutmenge v z, dividirt durch
den Querschnitt der Bahn also g = [Formel 1] . Von den verlangten Werthen sind aber v
und q entweder gar nicht oder nur sehr mangelhaft zu ermitteln.

1. Ueber die verschiedenen Einzelgeschwindigkeiten der Bluttheilchen,
welche gleichzeitig einen und denselben Stromquerschnitt erfüllen, wie
z. B. über das Verhältniss der Geschwindigkeit vom Wand- und Achsen-
strom, ist nichts bekannt. Wir sind darum auf die Betrachtung der mitt-
leren Querschnitts- und der mittleren Längengeschwindigkeit angewiesen.
Die eine derselben ist begreiflich das Mittel aus allen verschiedenen
gleichzeitig auf einem und demselben Querschnitt vorhandenen Geschwin-
digkeiten, und die zweite ist das Mittel aus den verschiedenen mittleren
Querschnittsgeschwindigkeiten, welche auf einer Reihe hintereinander-
folgender Querschnitte eines Rohres vorhanden sind.

Die mittlere Geschwindigkeit eines Stroms durch einen beliebigen
Röhrenabschnitt empfing, wie wir aus dem früheren kurz wiederholen,
ihre Bestimmung: 1) durch das Maass von Triebkräften, welchen die
Flüssigkeit an dem ersten Röhrenquerschnitte (am Beginn des Stro-
mes) besass. Hierbei war es gleichgiltig, ob diese Kräfte in der Form
von Spannung oder Geschwindigkeit vorhanden waren. Denn wenn sie
in einer Geschwindigkeit der einströmenden Masse bestehen, so wird der
zweite Querschnitt um so kräftiger gestossen werden, je geschwinder der
erste auf ihn eindringt; sind aber die Triebkräfte Spannungen, so wird
wegen der allgemeinen Eigenschaft der Flüssigkeiten, eine Verschieden-
artigkeit ihrer Spannungen auszugleichen, mit der Spannung die Ge-
schwindigkeit wachsen. Denn es wird die Flüssigkeit höherer Spannung
um so rascher gegen diejenige niederer dringen, je grösser die Kraft ist,
welche die Ausgleichung verlangt. — 2) Bei gleichen Triebkräften muss
aber die Geschwindigkeit der Flüssigkeit beim Vordringen von einem zum
Querschnitte um so mehr steigen, je geringer der Gegenhalt ist, den der
Inhalt des zweiten Querschnitts dem Stoss des ersten entgegensetzt. Dächte
man sich alle Triebkräfte des ersten Querschnitts unter der Form des
Druckes dargestellt, so würde unser Satz auch so ausgedrückt werden
können, die Geschwindigkeit zwischen zwei Querschnitt steigt, alles andere
gleichgesetzt, mit den Spannungsunterschieden ihrer Flüssigkeit; dieser
Ausdruck ist nemlich darum richtig, weil der Widerhalt der Flüssigkeit
im zweiten Querschnitt nur durch eine Spannung derselben möglich ist. —

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[132/0148] Mittlere Querschnitts- und Längengeschwindigkeit. dieses unübertrefflichen Prinzips siehe die zuletzt erwähnte Abhandlung von Hering. d. Häufig macht man auch noch von einem Princip Anwendung, das an sich aller- dings unverfänglich ist; leider ruht die Ausführung desselben auf zu unsichern Unter- lagen. Hätte man nemlich ermittelt: die Zahl der Herzschläge z in der Zeiteinheit, die Menge von Blut v, welche der Ventrikel bei jeder Zusammenziehung ausstösst, und endlich einen beliebigen Querschnitt der gesammten zum rechten oder linken Ven- trikel gehörigen Blutbahn q, so würde offenbar die mittlere Geschwindigkeit g gleich sein der in der Zeiteinheit aus dem Ventrikel entleerten Blutmenge v z, dividirt durch den Querschnitt der Bahn also g = [FORMEL]. Von den verlangten Werthen sind aber v und q entweder gar nicht oder nur sehr mangelhaft zu ermitteln. 1. Ueber die verschiedenen Einzelgeschwindigkeiten der Bluttheilchen, welche gleichzeitig einen und denselben Stromquerschnitt erfüllen, wie z. B. über das Verhältniss der Geschwindigkeit vom Wand- und Achsen- strom, ist nichts bekannt. Wir sind darum auf die Betrachtung der mitt- leren Querschnitts- und der mittleren Längengeschwindigkeit angewiesen. Die eine derselben ist begreiflich das Mittel aus allen verschiedenen gleichzeitig auf einem und demselben Querschnitt vorhandenen Geschwin- digkeiten, und die zweite ist das Mittel aus den verschiedenen mittleren Querschnittsgeschwindigkeiten, welche auf einer Reihe hintereinander- folgender Querschnitte eines Rohres vorhanden sind. Die mittlere Geschwindigkeit eines Stroms durch einen beliebigen Röhrenabschnitt empfing, wie wir aus dem früheren kurz wiederholen, ihre Bestimmung: 1) durch das Maass von Triebkräften, welchen die Flüssigkeit an dem ersten Röhrenquerschnitte (am Beginn des Stro- mes) besass. Hierbei war es gleichgiltig, ob diese Kräfte in der Form von Spannung oder Geschwindigkeit vorhanden waren. Denn wenn sie in einer Geschwindigkeit der einströmenden Masse bestehen, so wird der zweite Querschnitt um so kräftiger gestossen werden, je geschwinder der erste auf ihn eindringt; sind aber die Triebkräfte Spannungen, so wird wegen der allgemeinen Eigenschaft der Flüssigkeiten, eine Verschieden- artigkeit ihrer Spannungen auszugleichen, mit der Spannung die Ge- schwindigkeit wachsen. Denn es wird die Flüssigkeit höherer Spannung um so rascher gegen diejenige niederer dringen, je grösser die Kraft ist, welche die Ausgleichung verlangt. — 2) Bei gleichen Triebkräften muss aber die Geschwindigkeit der Flüssigkeit beim Vordringen von einem zum Querschnitte um so mehr steigen, je geringer der Gegenhalt ist, den der Inhalt des zweiten Querschnitts dem Stoss des ersten entgegensetzt. Dächte man sich alle Triebkräfte des ersten Querschnitts unter der Form des Druckes dargestellt, so würde unser Satz auch so ausgedrückt werden können, die Geschwindigkeit zwischen zwei Querschnitt steigt, alles andere gleichgesetzt, mit den Spannungsunterschieden ihrer Flüssigkeit; dieser Ausdruck ist nemlich darum richtig, weil der Widerhalt der Flüssigkeit im zweiten Querschnitt nur durch eine Spannung derselben möglich ist. —

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/148>, abgerufen am 19.04.2024.