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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Absolute Werthe der Stromspannung.
ausgedrückt, durch die Geschwindigkeit und den Umfang des Stroms,
welchen sie durch die Gefässwandung führen, denn es kann von den
übrigen Gefässprovinzen in die absondernden nur so viel einfliessen, als
aus diesen letzteren durch die Absonderung entfernt wird. Nun treten in
der That aus den Nieren oder den Lungen täglich nur einige Tausend
Cubikcentimeter Flüssigkeit aus, der Blutstrom führt durch diese Organe,
wie uns eine überschlägliche Rechnung zeigt, aber täglich viele Millionen
Cubikcentimeter Blut; es verschwindet also der Sekretionsstrom gegen
den, welchen die andern Kräfte erzeugen.

Man hat zuweilen neben diesem hier hervorgehobenen Unterschied die erzeugen-
den Kräfte des Blutstroms auch danach geschieden, ob sie im Stande wären, den
Strom nur durch einzelne, z. B. die Arterien, Venen u. dgl., oder auch sämmtliche
Abschnitte des Gefässsystems zu führen. Dieser Unterscheidung ist aber kein Werth
beizulegen, da jede Kraft, welche zwei Orten, die durch eine Klappe getrennt, eine
ungleiche Spannung zu ertheilen vermag, auch einen Strom durch das ganze System
herbeiführen muss. Es würde hierzu also eben so wohl die Saugkraft der Brust als
die Stosskraft des Herzens hinreichen, weil im kommunizirenden Röhrensystem sich
die ungleichen Spannungen des Inhalts ausgleichen.

Die absoluten Werthe der Spannungen im Blutstrom.

Die Versuche, welche die Spannungen im Blutstrom und die Ver-
änderungen in der Zeit zu messen oder zu schätzen trachteten, sind meist
so angestellt worden, dass der Antheil, den die einzelnen stromerzeugen-
den Kräfte an ihnen nehmen, nicht gesondert dargestellt werden kann.
-- Die Hilfsmittel, welche man beim Menschen zu Rathe ziehen kann,
um den Werth der bestehenden Spannung zu messen, sind so unvoll-
kommen, dass sie niemals mehr als ganz grobe Unterschiede zweier ver-
schiedenen Werthe erkennen lassen; über die absoluten Werthe der ver-
glichenen Spannungen erhalten wir aber durch sie gar keinen Aufschluss.
Genaue aber weitaus nicht überall genügende Messungen dieser Verhält-
nisse lassen sich durch das Manometer bei Thieren gewinnen. -- Gewisse
Eigenthümlichkeiten der zeitlichen Veränderungen in den Drücken sind
dagegen beim Menschen und in noch ausgedehnterem Maasse bei Thieren
scharf zu bestimmen.

Die beim Menschen anwendbaren Mittel, um den Grad der Gefässspannung zu
erkennen, beschränken sich auf den mit dem Fingerdruck zu schätzenden Widerstand,
den ein Gefäss der Zusammenpressung entgegenstellt, oder auf die sichtbare Ausdeh-
nung und Farbenveränderung gewisser Gefässregionen. Diese Beobachtungsweise hat
man verschiedentlich zu vervollkommnen getrachtet. Einmal durch die Anwendung
eines Glasröhrchens, das an seinem obern Ende zu einer offenen Capillare ausgezo-
gen, an seinem untern aber mit einer nachgiebigen Blase geschlossen war. Man
soll dieses Gefäss mit Flüssigkeit füllen, die Blase auf die Haut setzen, welche über
eine Arterie wegläuft, andrücken, und das Spiel der Flüssigkeit, welches durch das
Klopfen der Arterie herbeigeführt wird, in dem engen Ausläufer vergrössert beobach-
ten. Oder man hat auch auf die Haut, welche ein sich ausdehnendes und dann wie-
der zusammenziehendes Gefäss bedeckt, den kurzen Arm eines Fühlhebels aufgesetzt,

Absolute Werthe der Stromspannung.
ausgedrückt, durch die Geschwindigkeit und den Umfang des Stroms,
welchen sie durch die Gefässwandung führen, denn es kann von den
übrigen Gefässprovinzen in die absondernden nur so viel einfliessen, als
aus diesen letzteren durch die Absonderung entfernt wird. Nun treten in
der That aus den Nieren oder den Lungen täglich nur einige Tausend
Cubikcentimeter Flüssigkeit aus, der Blutstrom führt durch diese Organe,
wie uns eine überschlägliche Rechnung zeigt, aber täglich viele Millionen
Cubikcentimeter Blut; es verschwindet also der Sekretionsstrom gegen
den, welchen die andern Kräfte erzeugen.

Man hat zuweilen neben diesem hier hervorgehobenen Unterschied die erzeugen-
den Kräfte des Blutstroms auch danach geschieden, ob sie im Stande wären, den
Strom nur durch einzelne, z. B. die Arterien, Venen u. dgl., oder auch sämmtliche
Abschnitte des Gefässsystems zu führen. Dieser Unterscheidung ist aber kein Werth
beizulegen, da jede Kraft, welche zwei Orten, die durch eine Klappe getrennt, eine
ungleiche Spannung zu ertheilen vermag, auch einen Strom durch das ganze System
herbeiführen muss. Es würde hierzu also eben so wohl die Saugkraft der Brust als
die Stosskraft des Herzens hinreichen, weil im kommunizirenden Röhrensystem sich
die ungleichen Spannungen des Inhalts ausgleichen.

Die absoluten Werthe der Spannungen im Blutstrom.

Die Versuche, welche die Spannungen im Blutstrom und die Ver-
änderungen in der Zeit zu messen oder zu schätzen trachteten, sind meist
so angestellt worden, dass der Antheil, den die einzelnen stromerzeugen-
den Kräfte an ihnen nehmen, nicht gesondert dargestellt werden kann.
— Die Hilfsmittel, welche man beim Menschen zu Rathe ziehen kann,
um den Werth der bestehenden Spannung zu messen, sind so unvoll-
kommen, dass sie niemals mehr als ganz grobe Unterschiede zweier ver-
schiedenen Werthe erkennen lassen; über die absoluten Werthe der ver-
glichenen Spannungen erhalten wir aber durch sie gar keinen Aufschluss.
Genaue aber weitaus nicht überall genügende Messungen dieser Verhält-
nisse lassen sich durch das Manometer bei Thieren gewinnen. — Gewisse
Eigenthümlichkeiten der zeitlichen Veränderungen in den Drücken sind
dagegen beim Menschen und in noch ausgedehnterem Maasse bei Thieren
scharf zu bestimmen.

Die beim Menschen anwendbaren Mittel, um den Grad der Gefässspannung zu
erkennen, beschränken sich auf den mit dem Fingerdruck zu schätzenden Widerstand,
den ein Gefäss der Zusammenpressung entgegenstellt, oder auf die sichtbare Ausdeh-
nung und Farbenveränderung gewisser Gefässregionen. Diese Beobachtungsweise hat
man verschiedentlich zu vervollkommnen getrachtet. Einmal durch die Anwendung
eines Glasröhrchens, das an seinem obern Ende zu einer offenen Capillare ausgezo-
gen, an seinem untern aber mit einer nachgiebigen Blase geschlossen war. Man
soll dieses Gefäss mit Flüssigkeit füllen, die Blase auf die Haut setzen, welche über
eine Arterie wegläuft, andrücken, und das Spiel der Flüssigkeit, welches durch das
Klopfen der Arterie herbeigeführt wird, in dem engen Ausläufer vergrössert beobach-
ten. Oder man hat auch auf die Haut, welche ein sich ausdehnendes und dann wie-
der zusammenziehendes Gefäss bedeckt, den kurzen Arm eines Fühlhebels aufgesetzt,

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[108/0124] Absolute Werthe der Stromspannung. ausgedrückt, durch die Geschwindigkeit und den Umfang des Stroms, welchen sie durch die Gefässwandung führen, denn es kann von den übrigen Gefässprovinzen in die absondernden nur so viel einfliessen, als aus diesen letzteren durch die Absonderung entfernt wird. Nun treten in der That aus den Nieren oder den Lungen täglich nur einige Tausend Cubikcentimeter Flüssigkeit aus, der Blutstrom führt durch diese Organe, wie uns eine überschlägliche Rechnung zeigt, aber täglich viele Millionen Cubikcentimeter Blut; es verschwindet also der Sekretionsstrom gegen den, welchen die andern Kräfte erzeugen. Man hat zuweilen neben diesem hier hervorgehobenen Unterschied die erzeugen- den Kräfte des Blutstroms auch danach geschieden, ob sie im Stande wären, den Strom nur durch einzelne, z. B. die Arterien, Venen u. dgl., oder auch sämmtliche Abschnitte des Gefässsystems zu führen. Dieser Unterscheidung ist aber kein Werth beizulegen, da jede Kraft, welche zwei Orten, die durch eine Klappe getrennt, eine ungleiche Spannung zu ertheilen vermag, auch einen Strom durch das ganze System herbeiführen muss. Es würde hierzu also eben so wohl die Saugkraft der Brust als die Stosskraft des Herzens hinreichen, weil im kommunizirenden Röhrensystem sich die ungleichen Spannungen des Inhalts ausgleichen. Die absoluten Werthe der Spannungen im Blutstrom. Die Versuche, welche die Spannungen im Blutstrom und die Ver- änderungen in der Zeit zu messen oder zu schätzen trachteten, sind meist so angestellt worden, dass der Antheil, den die einzelnen stromerzeugen- den Kräfte an ihnen nehmen, nicht gesondert dargestellt werden kann. — Die Hilfsmittel, welche man beim Menschen zu Rathe ziehen kann, um den Werth der bestehenden Spannung zu messen, sind so unvoll- kommen, dass sie niemals mehr als ganz grobe Unterschiede zweier ver- schiedenen Werthe erkennen lassen; über die absoluten Werthe der ver- glichenen Spannungen erhalten wir aber durch sie gar keinen Aufschluss. Genaue aber weitaus nicht überall genügende Messungen dieser Verhält- nisse lassen sich durch das Manometer bei Thieren gewinnen. — Gewisse Eigenthümlichkeiten der zeitlichen Veränderungen in den Drücken sind dagegen beim Menschen und in noch ausgedehnterem Maasse bei Thieren scharf zu bestimmen. Die beim Menschen anwendbaren Mittel, um den Grad der Gefässspannung zu erkennen, beschränken sich auf den mit dem Fingerdruck zu schätzenden Widerstand, den ein Gefäss der Zusammenpressung entgegenstellt, oder auf die sichtbare Ausdeh- nung und Farbenveränderung gewisser Gefässregionen. Diese Beobachtungsweise hat man verschiedentlich zu vervollkommnen getrachtet. Einmal durch die Anwendung eines Glasröhrchens, das an seinem obern Ende zu einer offenen Capillare ausgezo- gen, an seinem untern aber mit einer nachgiebigen Blase geschlossen war. Man soll dieses Gefäss mit Flüssigkeit füllen, die Blase auf die Haut setzen, welche über eine Arterie wegläuft, andrücken, und das Spiel der Flüssigkeit, welches durch das Klopfen der Arterie herbeigeführt wird, in dem engen Ausläufer vergrössert beobach- ten. Oder man hat auch auf die Haut, welche ein sich ausdehnendes und dann wie- der zusammenziehendes Gefäss bedeckt, den kurzen Arm eines Fühlhebels aufgesetzt,

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/124>, abgerufen am 29.03.2024.