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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Ruhender Nervenstrom.
jeden Wechsel desselben auf, so dass er z. B. in dem eben erwähnten Fall der Strö-
mung, welche die Nadel vollkommen in Ruhe liess, in sehr lebhafte Zuckungen ge-
rathen würde.

2. Electrische Erscheinungen am lebenden Nerven, während er sich
in einem Zustande befindet, in welchem er innerhalb des thierischen
Körpers weder Empfindung noch Bewegung noch Absonderung erzeu-
gen würde. Ruhender Nervenstrom. Das Präparat, an dem du
Bois
die Untersuchung vornimmt, ist ein frisches langes Stück eines
möglichst astlosen stärkern Stammes (n. ischiadicus) der am besten
von einem lebenskräftigen Kaltblüter genommen wird. Indem man
dieses Stück als einen Cylinder ansieht, unterscheidet man an ihm den
Cylindermantel (den Längsschnitt), die Cylinderbasis (Querschnitt)
und die auf die Längenachse desselben senkrechte Halbirungslinie
(den Aequator). Die Untersuchung stellt sich nun zuerst die Aufgabe,
zu ermitteln, ob und von welchen Punkten der Oberfläche Ströme zu
andern Punkten derselben gehen, und wenn sie vorhanden, wie stark
die Strömung an jedem Orte ist. Demgemäss bringt man den Nerv
gleichzeitig an verschiedenen Stellen mit den beiden Zuleitungsbäu-
schen, welche in einer constanten Entfernung von einander stehen, in
Verbindung. Berührt man nun gleichzeitig die Bäusche mit sym-
metrisch zum Aequator gelegenen Punkten des Nervenstücks, gleich-
giltig ob sie auf dem Längs- oder Querschnitte sich befinden, so er-
scheint keine Ablenkung der Nadeln; unwirksame Anordnung.
Berührt dagegen der eine der Bäusche den Aequator und der andere
ein zweites Stück der Oberfläche, so entsteht eine Ablenkung; die
Grösse der Ablenkung wächst rascher und rascher, wenn man mit
beiden Bäuschen mehr und mehr gegen die Grenze der Oberfläche und
des Querschnitts wendet, schwache Anordnung; sie erreicht ein
Maximum, wenn man endlich einen Bausch auf der Oberfläche zurück-
lässt und mit dem andern auf den Querschnitt übergeht; starke An-
ordnung.
-- Die Richtung der Ströme geht in allen Fällen durch den
Multiplikatorendraht von dem Längsschnitt zum Querschnitt und also

[Abbildung] Fig. 12a.
im Innern des Nerven vom
Querschnitt zur Oberfläche.
Die um den Aequator gele-
genen Theile der Oberfläche
verhalten sich also positiv
gegen die nach den Enden
gelegenen und diese wieder
positiv gegen den Quer-
schnitt. Eine Versinnlichung
des Wachsthums der Ströme
von ihrem Minimum zu ihrem
Maximum bei gleicher
Spannweite
des ableiten-

Ruhender Nervenstrom.
jeden Wechsel desselben auf, so dass er z. B. in dem eben erwähnten Fall der Strö-
mung, welche die Nadel vollkommen in Ruhe liess, in sehr lebhafte Zuckungen ge-
rathen würde.

2. Electrische Erscheinungen am lebenden Nerven, während er sich
in einem Zustande befindet, in welchem er innerhalb des thierischen
Körpers weder Empfindung noch Bewegung noch Absonderung erzeu-
gen würde. Ruhender Nervenstrom. Das Präparat, an dem du
Bois
die Untersuchung vornimmt, ist ein frisches langes Stück eines
möglichst astlosen stärkern Stammes (n. ischiadicus) der am besten
von einem lebenskräftigen Kaltblüter genommen wird. Indem man
dieses Stück als einen Cylinder ansieht, unterscheidet man an ihm den
Cylindermantel (den Längsschnitt), die Cylinderbasis (Querschnitt)
und die auf die Längenachse desselben senkrechte Halbirungslinie
(den Aequator). Die Untersuchung stellt sich nun zuerst die Aufgabe,
zu ermitteln, ob und von welchen Punkten der Oberfläche Ströme zu
andern Punkten derselben gehen, und wenn sie vorhanden, wie stark
die Strömung an jedem Orte ist. Demgemäss bringt man den Nerv
gleichzeitig an verschiedenen Stellen mit den beiden Zuleitungsbäu-
schen, welche in einer constanten Entfernung von einander stehen, in
Verbindung. Berührt man nun gleichzeitig die Bäusche mit sym-
metrisch zum Aequator gelegenen Punkten des Nervenstücks, gleich-
giltig ob sie auf dem Längs- oder Querschnitte sich befinden, so er-
scheint keine Ablenkung der Nadeln; unwirksame Anordnung.
Berührt dagegen der eine der Bäusche den Aequator und der andere
ein zweites Stück der Oberfläche, so entsteht eine Ablenkung; die
Grösse der Ablenkung wächst rascher und rascher, wenn man mit
beiden Bäuschen mehr und mehr gegen die Grenze der Oberfläche und
des Querschnitts wendet, schwache Anordnung; sie erreicht ein
Maximum, wenn man endlich einen Bausch auf der Oberfläche zurück-
lässt und mit dem andern auf den Querschnitt übergeht; starke An-
ordnung.
— Die Richtung der Ströme geht in allen Fällen durch den
Multiplikatorendraht von dem Längsschnitt zum Querschnitt und also

[Abbildung] Fig. 12a.
im Innern des Nerven vom
Querschnitt zur Oberfläche.
Die um den Aequator gele-
genen Theile der Oberfläche
verhalten sich also positiv
gegen die nach den Enden
gelegenen und diese wieder
positiv gegen den Quer-
schnitt. Eine Versinnlichung
des Wachsthums der Ströme
von ihrem Minimum zu ihrem
Maximum bei gleicher
Spannweite
des ableiten-

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[78/0092] Ruhender Nervenstrom. jeden Wechsel desselben auf, so dass er z. B. in dem eben erwähnten Fall der Strö- mung, welche die Nadel vollkommen in Ruhe liess, in sehr lebhafte Zuckungen ge- rathen würde. 2. Electrische Erscheinungen am lebenden Nerven, während er sich in einem Zustande befindet, in welchem er innerhalb des thierischen Körpers weder Empfindung noch Bewegung noch Absonderung erzeu- gen würde. Ruhender Nervenstrom. Das Präparat, an dem du Bois die Untersuchung vornimmt, ist ein frisches langes Stück eines möglichst astlosen stärkern Stammes (n. ischiadicus) der am besten von einem lebenskräftigen Kaltblüter genommen wird. Indem man dieses Stück als einen Cylinder ansieht, unterscheidet man an ihm den Cylindermantel (den Längsschnitt), die Cylinderbasis (Querschnitt) und die auf die Längenachse desselben senkrechte Halbirungslinie (den Aequator). Die Untersuchung stellt sich nun zuerst die Aufgabe, zu ermitteln, ob und von welchen Punkten der Oberfläche Ströme zu andern Punkten derselben gehen, und wenn sie vorhanden, wie stark die Strömung an jedem Orte ist. Demgemäss bringt man den Nerv gleichzeitig an verschiedenen Stellen mit den beiden Zuleitungsbäu- schen, welche in einer constanten Entfernung von einander stehen, in Verbindung. Berührt man nun gleichzeitig die Bäusche mit sym- metrisch zum Aequator gelegenen Punkten des Nervenstücks, gleich- giltig ob sie auf dem Längs- oder Querschnitte sich befinden, so er- scheint keine Ablenkung der Nadeln; unwirksame Anordnung. Berührt dagegen der eine der Bäusche den Aequator und der andere ein zweites Stück der Oberfläche, so entsteht eine Ablenkung; die Grösse der Ablenkung wächst rascher und rascher, wenn man mit beiden Bäuschen mehr und mehr gegen die Grenze der Oberfläche und des Querschnitts wendet, schwache Anordnung; sie erreicht ein Maximum, wenn man endlich einen Bausch auf der Oberfläche zurück- lässt und mit dem andern auf den Querschnitt übergeht; starke An- ordnung. — Die Richtung der Ströme geht in allen Fällen durch den Multiplikatorendraht von dem Längsschnitt zum Querschnitt und also [Abbildung Fig. 12a.] im Innern des Nerven vom Querschnitt zur Oberfläche. Die um den Aequator gele- genen Theile der Oberfläche verhalten sich also positiv gegen die nach den Enden gelegenen und diese wieder positiv gegen den Quer- schnitt. Eine Versinnlichung des Wachsthums der Ströme von ihrem Minimum zu ihrem Maximum bei gleicher Spannweite des ableiten-

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/92>, abgerufen am 28.03.2024.