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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Physiologische Bedeutung der Diffusionen.
schen Aequivalents (Jolly). Der innige Zusammenhang der zwischen
der Ausgleichungsdauer und dem endosmotischen Aequivalent besteht,
leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass dieses letztere nichts anderes
ist, als ein Ausdruck für die überwiegende Richtung des einen Stroms,
und weiter, dass die Ausgleichung niemals durch den einseitigen, son-
dern immer nur durch den doppelseitigen Strom geschehen kann. Ist
also das endosmotische Aequivalent ein grosses, d. h. geht der Strom
überwiegend einseitig, so wird wohl alles andere gleichgesetzt die
Flüssigkeit, in welche diese Strömung geschieht, durch die andere
stark verdünnt werden, aber die Ausgleichung dennoch sehr langsam
geschehen. -- 2) Die in gleicher Zeit sich gegenseitig austauschenden
Flüssigkeitsmengen sind, alles andere gleichgesetzt, um so beträcht-
licher, je grösser die chemische Differenz der beiden einander entge-
genstehenden Flüssigkeiten ist. Demgemäss wird z. B. bei einer Ent-
gegensetzung von Wasser und Lösungen, die Stärke der Ströme
wachsen mit dem Gehalt dieser letztern an festen Stoffen (Vierordt).
Keinenfalls aber kann dieses Wachsthum beider Erscheinungen ein
direkt proportionales sein, und zwar darum nicht, weil das endosmoti-
sche Aequivalent mit der Conzentration selbst wechselt. -- 3) Die ein-
zelnen in einem Lösungsgemenge enthaltenen Salze gleichen sich, wenn
sie reinem Wasser gegenübergesetzt werden, mit diesen in annähernd
derselben Zeit aus, als wenn jedes einzelne für sich unter sonst glei-
chen Umständen dem Diffusionsstrome ausgesetzt gewesen wäre; die
Ausgleichungsdauer des langsamer diffundirenden Salzes scheint im
Gemenge jedoch um etwas vergrössert zu werden (Cloetta).

Die Bedeutung der unter dem Namen Diffusion zusammengefassten
Phänome ist für den Lebensvorgang eine sehr verschiedenwerthige. --
Unter den Gasdiffusionen scheinen von besonderer Wichtigkeit nur der
Austausch der Gase durch feuchte Scheidewände und die Absorption
zu sein; denn nur für diese Vorgänge finden sich die Bedingungen
vorzugsweise im Thierkörper verwirklicht; auf ihnen ruht nament-
lich die Funktion der Athmung. In dieser Beschränkung wirken aber
die Gasdiffusionen ausserordentlich eingreifend, weil eines der wesent-
lichsten und zugleich das in grösster Menge genossene Nahrungsmittel
gasförmiger Sauerstoff ist und der thierische Körper in seinem leben-
digen Zustand grösstentheils in zwei gasförmige Produkte, in Kohlen-
säure und Wasserdampf, zerfällt. -- Unter den verschiedenen Hydro-
diffusionen erlangen im Thierleib eine vorwiegende Geltung, die Lösung,
die Quellung und die Endosmose. Denn die Mischungen von Flüssigkei-
ten, die sich ohne Scheidewand berühren, geschehen wohl schwerlich
durch einfache Diffusion, sondern vielmehr mittelst der Erschütterun-
gen, denen alle thierische Theile fortwährend ausgesetzt sind. Die Be-
deutung der Lösung erhellt dagegen sogleich, wenn man erwägt, dass
wir stets feste Massen geniessen, dass diese in Blut, also in eine Flüs-

Physiologische Bedeutung der Diffusionen.
schen Aequivalents (Jolly). Der innige Zusammenhang der zwischen
der Ausgleichungsdauer und dem endosmotischen Aequivalent besteht,
leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass dieses letztere nichts anderes
ist, als ein Ausdruck für die überwiegende Richtung des einen Stroms,
und weiter, dass die Ausgleichung niemals durch den einseitigen, son-
dern immer nur durch den doppelseitigen Strom geschehen kann. Ist
also das endosmotische Aequivalent ein grosses, d. h. geht der Strom
überwiegend einseitig, so wird wohl alles andere gleichgesetzt die
Flüssigkeit, in welche diese Strömung geschieht, durch die andere
stark verdünnt werden, aber die Ausgleichung dennoch sehr langsam
geschehen. — 2) Die in gleicher Zeit sich gegenseitig austauschenden
Flüssigkeitsmengen sind, alles andere gleichgesetzt, um so beträcht-
licher, je grösser die chemische Differenz der beiden einander entge-
genstehenden Flüssigkeiten ist. Demgemäss wird z. B. bei einer Ent-
gegensetzung von Wasser und Lösungen, die Stärke der Ströme
wachsen mit dem Gehalt dieser letztern an festen Stoffen (Vierordt).
Keinenfalls aber kann dieses Wachsthum beider Erscheinungen ein
direkt proportionales sein, und zwar darum nicht, weil das endosmoti-
sche Aequivalent mit der Conzentration selbst wechselt. — 3) Die ein-
zelnen in einem Lösungsgemenge enthaltenen Salze gleichen sich, wenn
sie reinem Wasser gegenübergesetzt werden, mit diesen in annähernd
derselben Zeit aus, als wenn jedes einzelne für sich unter sonst glei-
chen Umständen dem Diffusionsstrome ausgesetzt gewesen wäre; die
Ausgleichungsdauer des langsamer diffundirenden Salzes scheint im
Gemenge jedoch um etwas vergrössert zu werden (Cloetta).

Die Bedeutung der unter dem Namen Diffusion zusammengefassten
Phänome ist für den Lebensvorgang eine sehr verschiedenwerthige. —
Unter den Gasdiffusionen scheinen von besonderer Wichtigkeit nur der
Austausch der Gase durch feuchte Scheidewände und die Absorption
zu sein; denn nur für diese Vorgänge finden sich die Bedingungen
vorzugsweise im Thierkörper verwirklicht; auf ihnen ruht nament-
lich die Funktion der Athmung. In dieser Beschränkung wirken aber
die Gasdiffusionen ausserordentlich eingreifend, weil eines der wesent-
lichsten und zugleich das in grösster Menge genossene Nahrungsmittel
gasförmiger Sauerstoff ist und der thierische Körper in seinem leben-
digen Zustand grösstentheils in zwei gasförmige Produkte, in Kohlen-
säure und Wasserdampf, zerfällt. — Unter den verschiedenen Hydro-
diffusionen erlangen im Thierleib eine vorwiegende Geltung, die Lösung,
die Quellung und die Endosmose. Denn die Mischungen von Flüssigkei-
ten, die sich ohne Scheidewand berühren, geschehen wohl schwerlich
durch einfache Diffusion, sondern vielmehr mittelst der Erschütterun-
gen, denen alle thierische Theile fortwährend ausgesetzt sind. Die Be-
deutung der Lösung erhellt dagegen sogleich, wenn man erwägt, dass
wir stets feste Massen geniessen, dass diese in Blut, also in eine Flüs-

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[69/0083] Physiologische Bedeutung der Diffusionen. schen Aequivalents (Jolly). Der innige Zusammenhang der zwischen der Ausgleichungsdauer und dem endosmotischen Aequivalent besteht, leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass dieses letztere nichts anderes ist, als ein Ausdruck für die überwiegende Richtung des einen Stroms, und weiter, dass die Ausgleichung niemals durch den einseitigen, son- dern immer nur durch den doppelseitigen Strom geschehen kann. Ist also das endosmotische Aequivalent ein grosses, d. h. geht der Strom überwiegend einseitig, so wird wohl alles andere gleichgesetzt die Flüssigkeit, in welche diese Strömung geschieht, durch die andere stark verdünnt werden, aber die Ausgleichung dennoch sehr langsam geschehen. — 2) Die in gleicher Zeit sich gegenseitig austauschenden Flüssigkeitsmengen sind, alles andere gleichgesetzt, um so beträcht- licher, je grösser die chemische Differenz der beiden einander entge- genstehenden Flüssigkeiten ist. Demgemäss wird z. B. bei einer Ent- gegensetzung von Wasser und Lösungen, die Stärke der Ströme wachsen mit dem Gehalt dieser letztern an festen Stoffen (Vierordt). Keinenfalls aber kann dieses Wachsthum beider Erscheinungen ein direkt proportionales sein, und zwar darum nicht, weil das endosmoti- sche Aequivalent mit der Conzentration selbst wechselt. — 3) Die ein- zelnen in einem Lösungsgemenge enthaltenen Salze gleichen sich, wenn sie reinem Wasser gegenübergesetzt werden, mit diesen in annähernd derselben Zeit aus, als wenn jedes einzelne für sich unter sonst glei- chen Umständen dem Diffusionsstrome ausgesetzt gewesen wäre; die Ausgleichungsdauer des langsamer diffundirenden Salzes scheint im Gemenge jedoch um etwas vergrössert zu werden (Cloetta). Die Bedeutung der unter dem Namen Diffusion zusammengefassten Phänome ist für den Lebensvorgang eine sehr verschiedenwerthige. — Unter den Gasdiffusionen scheinen von besonderer Wichtigkeit nur der Austausch der Gase durch feuchte Scheidewände und die Absorption zu sein; denn nur für diese Vorgänge finden sich die Bedingungen vorzugsweise im Thierkörper verwirklicht; auf ihnen ruht nament- lich die Funktion der Athmung. In dieser Beschränkung wirken aber die Gasdiffusionen ausserordentlich eingreifend, weil eines der wesent- lichsten und zugleich das in grösster Menge genossene Nahrungsmittel gasförmiger Sauerstoff ist und der thierische Körper in seinem leben- digen Zustand grösstentheils in zwei gasförmige Produkte, in Kohlen- säure und Wasserdampf, zerfällt. — Unter den verschiedenen Hydro- diffusionen erlangen im Thierleib eine vorwiegende Geltung, die Lösung, die Quellung und die Endosmose. Denn die Mischungen von Flüssigkei- ten, die sich ohne Scheidewand berühren, geschehen wohl schwerlich durch einfache Diffusion, sondern vielmehr mittelst der Erschütterun- gen, denen alle thierische Theile fortwährend ausgesetzt sind. Die Be- deutung der Lösung erhellt dagegen sogleich, wenn man erwägt, dass wir stets feste Massen geniessen, dass diese in Blut, also in eine Flüs-

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/83>, abgerufen am 19.04.2024.