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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Bildung der Buchstaben.
lichkeit verliert, wie uns eintönige Gespräche und tonreiche Lieder
beweisen.

2. Bedingungen zur Bildung der einzelnen Laute; Buchstaben.

Bei der Bildung eines möglich reinen a nähern sich Kehlkopf und
Zungenbein durch Erhebung des erstern, die Zunge legt sich auf den
Boden der Mundhöhle, die Mundöffnung kann eine beliebige Form an-
nehmen, doch darf sie nicht zu weit und nicht zu einer runden Oeff-
nung verengert sein. -- Bei e erhebt sich das Zungenbein, die Zunge
wird dem harten Gaumen mehr genähert; alles Andere wie bei a. --
Bei i tritt das Zungenbein noch höher und nach vorn, der Kanal zwi-
schen Zunge und hartem Gaumen wird noch mehr verengert. Alles
Andere wie bei e und a. -- Bei o ist der Kehlkopf dem Zungenbein
weniger genähert als bei a, e und i. Die Zunge hinten gehoben, vorn
flach, die Mundöffnung bei vorgeschobenen Lippen in Form eines run-
den Loches verengt. -- Bei u steht das Zungenbein so hoch als bei a
und nach vorn wie bei i, der Raum zwischen Zungenbein und Kehl-
kopf ist aber wegen der Senkung des letzteren vergrössert, die Zunge
ist dem Gaumen hinten stärker genähert als bei o, vorn liegt sie flach
und die Mundöffnung bildet ein rundes Loch, welches noch enger als
bei o ist.

Diese fünf Buchstaben stellen die von den Grammatikern so
genannten reinen Vokale der germanischen und romanischen Spra-
chen dar. -- Diese Sprachen bedienen sich ausserdem noch Modifi-
kationen derselben, welche hervorgehen a) aus den Stellungen der
Mundtheile, die in der Mitte liegen zwischen einem der reinen Vokale.
Hierher gehören Laute, die von dem durchziehenden Luftstrome gebildet
werden, nachdem die Sprachwerkzeuge eine Stellung zwischen e und
a, a und o, i und u, e und o und endlich zwischen a, o und e ange-
nommen haben. b) Bei der den Vokalen entsprechenden Veränderung
in der Stellung des Kehlkopfs, des Zungenbeins und der Zunge wäh-
rend unveränderter, in allen Fällen mässig geöffneter Mundhöhle ent-
stehen die sogenannten unvollkommenen Vokale (Vokale der Englän-
der). c) Aus der den Vokalen entsprechenden Veränderung der Rachen-
und Mundtheile mit einer solchen Stellung des Gaumensegels, dass
die Luft zugleich durch Mund- und Nasenhöhle streichen kann, bilden
sich die Vokale mit Nasenton. Für diese Modifikation ist also die
Resonnanz der Luft in der Nasenhöhle charakteristisch. d) Gehören zu
der Modifikation der Vokale die sogenannten Diphthonge, welche
durch den vorbeiziehenden Luftstrom gebildet werden, während
die Sprachwerkzeuge aus der Stellung für einen Vokal in den andern
übergehen.

Im Vorhergehenden ist der Verabredung gemäss nur die Bildung der Vokale
erwähnt, wie sie der Sprache geläufig ist. Sie lassen sich aber noch auf mannigfache
Weise bilden; namentlich beim Einziehen sowohl, als beim Ausstossen der Luft, und
dann auch während die Zunge aus dem Mund gestreckt und in dieser Stellung auf die

Bildung der Buchstaben.
lichkeit verliert, wie uns eintönige Gespräche und tonreiche Lieder
beweisen.

2. Bedingungen zur Bildung der einzelnen Laute; Buchstaben.

Bei der Bildung eines möglich reinen a nähern sich Kehlkopf und
Zungenbein durch Erhebung des erstern, die Zunge legt sich auf den
Boden der Mundhöhle, die Mundöffnung kann eine beliebige Form an-
nehmen, doch darf sie nicht zu weit und nicht zu einer runden Oeff-
nung verengert sein. — Bei e erhebt sich das Zungenbein, die Zunge
wird dem harten Gaumen mehr genähert; alles Andere wie bei a. —
Bei i tritt das Zungenbein noch höher und nach vorn, der Kanal zwi-
schen Zunge und hartem Gaumen wird noch mehr verengert. Alles
Andere wie bei e und a. — Bei o ist der Kehlkopf dem Zungenbein
weniger genähert als bei a, e und i. Die Zunge hinten gehoben, vorn
flach, die Mundöffnung bei vorgeschobenen Lippen in Form eines run-
den Loches verengt. — Bei u steht das Zungenbein so hoch als bei a
und nach vorn wie bei i, der Raum zwischen Zungenbein und Kehl-
kopf ist aber wegen der Senkung des letzteren vergrössert, die Zunge
ist dem Gaumen hinten stärker genähert als bei o, vorn liegt sie flach
und die Mundöffnung bildet ein rundes Loch, welches noch enger als
bei o ist.

Diese fünf Buchstaben stellen die von den Grammatikern so
genannten reinen Vokale der germanischen und romanischen Spra-
chen dar. — Diese Sprachen bedienen sich ausserdem noch Modifi-
kationen derselben, welche hervorgehen a) aus den Stellungen der
Mundtheile, die in der Mitte liegen zwischen einem der reinen Vokale.
Hierher gehören Laute, die von dem durchziehenden Luftstrome gebildet
werden, nachdem die Sprachwerkzeuge eine Stellung zwischen e und
a, a und o, i und u, e und o und endlich zwischen a, o und e ange-
nommen haben. b) Bei der den Vokalen entsprechenden Veränderung
in der Stellung des Kehlkopfs, des Zungenbeins und der Zunge wäh-
rend unveränderter, in allen Fällen mässig geöffneter Mundhöhle ent-
stehen die sogenannten unvollkommenen Vokale (Vokale der Englän-
der). c) Aus der den Vokalen entsprechenden Veränderung der Rachen-
und Mundtheile mit einer solchen Stellung des Gaumensegels, dass
die Luft zugleich durch Mund- und Nasenhöhle streichen kann, bilden
sich die Vokale mit Nasenton. Für diese Modifikation ist also die
Resonnanz der Luft in der Nasenhöhle charakteristisch. d) Gehören zu
der Modifikation der Vokale die sogenannten Diphthonge, welche
durch den vorbeiziehenden Luftstrom gebildet werden, während
die Sprachwerkzeuge aus der Stellung für einen Vokal in den andern
übergehen.

Im Vorhergehenden ist der Verabredung gemäss nur die Bildung der Vokale
erwähnt, wie sie der Sprache geläufig ist. Sie lassen sich aber noch auf mannigfache
Weise bilden; namentlich beim Einziehen sowohl, als beim Ausstossen der Luft, und
dann auch während die Zunge aus dem Mund gestreckt und in dieser Stellung auf die

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[436/0450] Bildung der Buchstaben. lichkeit verliert, wie uns eintönige Gespräche und tonreiche Lieder beweisen. 2. Bedingungen zur Bildung der einzelnen Laute; Buchstaben. Bei der Bildung eines möglich reinen a nähern sich Kehlkopf und Zungenbein durch Erhebung des erstern, die Zunge legt sich auf den Boden der Mundhöhle, die Mundöffnung kann eine beliebige Form an- nehmen, doch darf sie nicht zu weit und nicht zu einer runden Oeff- nung verengert sein. — Bei e erhebt sich das Zungenbein, die Zunge wird dem harten Gaumen mehr genähert; alles Andere wie bei a. — Bei i tritt das Zungenbein noch höher und nach vorn, der Kanal zwi- schen Zunge und hartem Gaumen wird noch mehr verengert. Alles Andere wie bei e und a. — Bei o ist der Kehlkopf dem Zungenbein weniger genähert als bei a, e und i. Die Zunge hinten gehoben, vorn flach, die Mundöffnung bei vorgeschobenen Lippen in Form eines run- den Loches verengt. — Bei u steht das Zungenbein so hoch als bei a und nach vorn wie bei i, der Raum zwischen Zungenbein und Kehl- kopf ist aber wegen der Senkung des letzteren vergrössert, die Zunge ist dem Gaumen hinten stärker genähert als bei o, vorn liegt sie flach und die Mundöffnung bildet ein rundes Loch, welches noch enger als bei o ist. Diese fünf Buchstaben stellen die von den Grammatikern so genannten reinen Vokale der germanischen und romanischen Spra- chen dar. — Diese Sprachen bedienen sich ausserdem noch Modifi- kationen derselben, welche hervorgehen a) aus den Stellungen der Mundtheile, die in der Mitte liegen zwischen einem der reinen Vokale. Hierher gehören Laute, die von dem durchziehenden Luftstrome gebildet werden, nachdem die Sprachwerkzeuge eine Stellung zwischen e und a, a und o, i und u, e und o und endlich zwischen a, o und e ange- nommen haben. b) Bei der den Vokalen entsprechenden Veränderung in der Stellung des Kehlkopfs, des Zungenbeins und der Zunge wäh- rend unveränderter, in allen Fällen mässig geöffneter Mundhöhle ent- stehen die sogenannten unvollkommenen Vokale (Vokale der Englän- der). c) Aus der den Vokalen entsprechenden Veränderung der Rachen- und Mundtheile mit einer solchen Stellung des Gaumensegels, dass die Luft zugleich durch Mund- und Nasenhöhle streichen kann, bilden sich die Vokale mit Nasenton. Für diese Modifikation ist also die Resonnanz der Luft in der Nasenhöhle charakteristisch. d) Gehören zu der Modifikation der Vokale die sogenannten Diphthonge, welche durch den vorbeiziehenden Luftstrom gebildet werden, während die Sprachwerkzeuge aus der Stellung für einen Vokal in den andern übergehen. Im Vorhergehenden ist der Verabredung gemäss nur die Bildung der Vokale erwähnt, wie sie der Sprache geläufig ist. Sie lassen sich aber noch auf mannigfache Weise bilden; namentlich beim Einziehen sowohl, als beim Ausstossen der Luft, und dann auch während die Zunge aus dem Mund gestreckt und in dieser Stellung auf die

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/450>, abgerufen am 23.04.2024.