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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Bedingungen für die Veränderung der Tonhöhe.
nicht alle Dimensionen des Kehlkopfs gemessen; durch Joh. Müller
ist bekannt, dass die Entfernung zwischen cart. thyreoidea und
arytenoideae bei Männern zu derjenigen bei Frauen sich verhalte
= 3 : 2. -- c. Bei dem Steigen der Töne nähern sich die vordern Kan-
ten der cartilagines thyreoidea und cricoidea; dieses fühlen wir wenn
wir einen Finger sanft an den Ort des ligam. cricothyreoideum medium
anlegen. Bei der eigenthümlichen Verbindung der beiden Knorpel be-
deutet dieses aber nichts anderes, als dass hiedurch die untern Stimm-
ritzenbänder und die Seitenwandungen der ventricul. Morgagni in der
Richtung von hinten nach vorn gedehnt und in einen höhern Grad von
Spannung versetzt werden. Nach Longet *) wird auch die Stimme
der Hunde tief und rauh, wenn man ohne anderweite Verletzung den
Nerven der mm. cricothyreoidei durchschneidet. Diese Rauhigkeit wird
aufgehoben, wenn man die genannten Knorpel mit der Pinzette nähert.
-- d. Bei dem Emporgehen des Tones tritt der ganze Kehlkopf unwill-
kürlich in die Höhe, beim Sinken des erstern steigt dagegen der letz-
tere herunter, so dass also der Halstheil der Luftröhre in dem einen
Falle gespannt im andern erschlafft wird, und sich zugleich der Luft-
raum über den Stimmbändern bald verkleinert und bald vergrössert. --
Begreiflich lässt sich nun aber weder aussagen, ob diese Veränderun-
gen die einzigen sind, welche beim Tonwechsel an den Stimmorganen
vorgehen, noch ob jede derselben von gleicher Wichtigkeit ist, da es
uns nicht gelingt die einzelnen Vorgänge zu sondern.

Diese lückenhaften Thatsachen hat man durch Beobachtungen am
todten Kehlkopf zu ergänzen gesucht; aus den mit ihm angestellten
Beobachtungen geht hervor, dass an ihm die Tonhöhe abhängig sei
a. von der Spannung der Stimmhäute, in der Art, dass mit dem Wachs-
thum der letztern die erstere steigt; b. von der Ausbreitung der Stimm-
häute von rechts nach links und von hinten nach vorn und zwar so,
dass die Töne sich erhöhen, wenn die Stimmhäute nach diesen Rich-
tungen abnehmen (sich verschmälern und verkürzen). -- Unabhängig
ist aber die Tonhöhe von dem queren Durchmesser der Stimmritz-
öffnung, der Länge der Röhren, die an sein oberes und unteres Ende
gesetzt würden und dem Spannungsgrad, welchen man den Wandun-
gen dieser angesetzten Röhren mittheilte.

Die Versuche am todten Kehlkopf haben folgende Ergebnisse geliefert. -- a. Lon-
gitudinale Spannung der Stimmhäute; Joh Müller. Man erzeugt dieselben analog der
Wirkung der lebendigen mm. cricothyreoidei durch einen Zug, der von der vordern
Fläche der cartil. thyreoidea gegen die cartil. cricoidea gerichtet ist. Der Ton erhöht
sich bei steigender Spannung der Bänder, gleichgiltig ob die Stimmritze nach Art der
mm. cricoarytenoidei laterales oder der mm. thyreoarytenoidei gestellt ist. Hiebei
werden jedoch die tiefsten der möglichen Töne nur erzeugt bei der letztern Stellung,
wobei die Bänder am meisten erschlafft werden können, während die höchsten der
möglichen Töne nur in der ersteren Stellung zum Vorschein kommen. Der Unter-

*) Recherch. experim. sur les fonctions des nerfs etc. Gazette medic. 1841.

Bedingungen für die Veränderung der Tonhöhe.
nicht alle Dimensionen des Kehlkopfs gemessen; durch Joh. Müller
ist bekannt, dass die Entfernung zwischen cart. thyreoidea und
arytenoideae bei Männern zu derjenigen bei Frauen sich verhalte
= 3 : 2. — c. Bei dem Steigen der Töne nähern sich die vordern Kan-
ten der cartilagines thyreoidea und cricoidea; dieses fühlen wir wenn
wir einen Finger sanft an den Ort des ligam. cricothyreoideum medium
anlegen. Bei der eigenthümlichen Verbindung der beiden Knorpel be-
deutet dieses aber nichts anderes, als dass hiedurch die untern Stimm-
ritzenbänder und die Seitenwandungen der ventricul. Morgagni in der
Richtung von hinten nach vorn gedehnt und in einen höhern Grad von
Spannung versetzt werden. Nach Longet *) wird auch die Stimme
der Hunde tief und rauh, wenn man ohne anderweite Verletzung den
Nerven der mm. cricothyreoidei durchschneidet. Diese Rauhigkeit wird
aufgehoben, wenn man die genannten Knorpel mit der Pinzette nähert.
— d. Bei dem Emporgehen des Tones tritt der ganze Kehlkopf unwill-
kürlich in die Höhe, beim Sinken des erstern steigt dagegen der letz-
tere herunter, so dass also der Halstheil der Luftröhre in dem einen
Falle gespannt im andern erschlafft wird, und sich zugleich der Luft-
raum über den Stimmbändern bald verkleinert und bald vergrössert. —
Begreiflich lässt sich nun aber weder aussagen, ob diese Veränderun-
gen die einzigen sind, welche beim Tonwechsel an den Stimmorganen
vorgehen, noch ob jede derselben von gleicher Wichtigkeit ist, da es
uns nicht gelingt die einzelnen Vorgänge zu sondern.

Diese lückenhaften Thatsachen hat man durch Beobachtungen am
todten Kehlkopf zu ergänzen gesucht; aus den mit ihm angestellten
Beobachtungen geht hervor, dass an ihm die Tonhöhe abhängig sei
a. von der Spannung der Stimmhäute, in der Art, dass mit dem Wachs-
thum der letztern die erstere steigt; b. von der Ausbreitung der Stimm-
häute von rechts nach links und von hinten nach vorn und zwar so,
dass die Töne sich erhöhen, wenn die Stimmhäute nach diesen Rich-
tungen abnehmen (sich verschmälern und verkürzen). — Unabhängig
ist aber die Tonhöhe von dem queren Durchmesser der Stimmritz-
öffnung, der Länge der Röhren, die an sein oberes und unteres Ende
gesetzt würden und dem Spannungsgrad, welchen man den Wandun-
gen dieser angesetzten Röhren mittheilte.

Die Versuche am todten Kehlkopf haben folgende Ergebnisse geliefert. — a. Lon-
gitudinale Spannung der Stimmhäute; Joh Müller. Man erzeugt dieselben analog der
Wirkung der lebendigen mm. cricothyreoidei durch einen Zug, der von der vordern
Fläche der cartil. thyreoidea gegen die cartil. cricoidea gerichtet ist. Der Ton erhöht
sich bei steigender Spannung der Bänder, gleichgiltig ob die Stimmritze nach Art der
mm. cricoarytenoidei laterales oder der mm. thyreoarytenoidei gestellt ist. Hiebei
werden jedoch die tiefsten der möglichen Töne nur erzeugt bei der letztern Stellung,
wobei die Bänder am meisten erschlafft werden können, während die höchsten der
möglichen Töne nur in der ersteren Stellung zum Vorschein kommen. Der Unter-

*) Recherch. experim. sur les fonctions des nerfs etc. Gazette medic. 1841.
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[424/0438] Bedingungen für die Veränderung der Tonhöhe. nicht alle Dimensionen des Kehlkopfs gemessen; durch Joh. Müller ist bekannt, dass die Entfernung zwischen cart. thyreoidea und arytenoideae bei Männern zu derjenigen bei Frauen sich verhalte = 3 : 2. — c. Bei dem Steigen der Töne nähern sich die vordern Kan- ten der cartilagines thyreoidea und cricoidea; dieses fühlen wir wenn wir einen Finger sanft an den Ort des ligam. cricothyreoideum medium anlegen. Bei der eigenthümlichen Verbindung der beiden Knorpel be- deutet dieses aber nichts anderes, als dass hiedurch die untern Stimm- ritzenbänder und die Seitenwandungen der ventricul. Morgagni in der Richtung von hinten nach vorn gedehnt und in einen höhern Grad von Spannung versetzt werden. Nach Longet *) wird auch die Stimme der Hunde tief und rauh, wenn man ohne anderweite Verletzung den Nerven der mm. cricothyreoidei durchschneidet. Diese Rauhigkeit wird aufgehoben, wenn man die genannten Knorpel mit der Pinzette nähert. — d. Bei dem Emporgehen des Tones tritt der ganze Kehlkopf unwill- kürlich in die Höhe, beim Sinken des erstern steigt dagegen der letz- tere herunter, so dass also der Halstheil der Luftröhre in dem einen Falle gespannt im andern erschlafft wird, und sich zugleich der Luft- raum über den Stimmbändern bald verkleinert und bald vergrössert. — Begreiflich lässt sich nun aber weder aussagen, ob diese Veränderun- gen die einzigen sind, welche beim Tonwechsel an den Stimmorganen vorgehen, noch ob jede derselben von gleicher Wichtigkeit ist, da es uns nicht gelingt die einzelnen Vorgänge zu sondern. Diese lückenhaften Thatsachen hat man durch Beobachtungen am todten Kehlkopf zu ergänzen gesucht; aus den mit ihm angestellten Beobachtungen geht hervor, dass an ihm die Tonhöhe abhängig sei a. von der Spannung der Stimmhäute, in der Art, dass mit dem Wachs- thum der letztern die erstere steigt; b. von der Ausbreitung der Stimm- häute von rechts nach links und von hinten nach vorn und zwar so, dass die Töne sich erhöhen, wenn die Stimmhäute nach diesen Rich- tungen abnehmen (sich verschmälern und verkürzen). — Unabhängig ist aber die Tonhöhe von dem queren Durchmesser der Stimmritz- öffnung, der Länge der Röhren, die an sein oberes und unteres Ende gesetzt würden und dem Spannungsgrad, welchen man den Wandun- gen dieser angesetzten Röhren mittheilte. Die Versuche am todten Kehlkopf haben folgende Ergebnisse geliefert. — a. Lon- gitudinale Spannung der Stimmhäute; Joh Müller. Man erzeugt dieselben analog der Wirkung der lebendigen mm. cricothyreoidei durch einen Zug, der von der vordern Fläche der cartil. thyreoidea gegen die cartil. cricoidea gerichtet ist. Der Ton erhöht sich bei steigender Spannung der Bänder, gleichgiltig ob die Stimmritze nach Art der mm. cricoarytenoidei laterales oder der mm. thyreoarytenoidei gestellt ist. Hiebei werden jedoch die tiefsten der möglichen Töne nur erzeugt bei der letztern Stellung, wobei die Bänder am meisten erschlafft werden können, während die höchsten der möglichen Töne nur in der ersteren Stellung zum Vorschein kommen. Der Unter- *) Recherch. experim. sur les fonctions des nerfs etc. Gazette medic. 1841.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/438>, abgerufen am 29.03.2024.