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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Aufrechtes Stehen.
Stellung gegen den Unterschenkel, dass der hintere schmale Theil der
Sprungrolle in der Gelenkfläche ruht; ist also ein Mechanismus vor-
handen der die beiden Unterschenkelknochen in dieser Lage scharf
gegen die Rollen anpresst, so wird ebenfalls die Beugung, bei welcher
der breitere Theil des Astragalus in die Gelenkhöhle treten müsste,
unmöglich. Dieses Zusammenpressen der Knochen wird aber gegeben
durch eine Drehung der Tibia um die Fibula, welche jedesmal einge-
leitet wird, wenn das Knie sich streckt, und zwar durch das Hervortre-
ten des langen condylus internus femoris, das ligam. laterale internum
und poplitaeum und den schiefen Ansatz der Kniestrecker gegen die
tuberositas tibiae. Unwahrscheinlich ist es dagegen dass die mm. gas-
trocnemii noch betheiligt sind bei dem Mechanismus, welcher das Vor-
wärtswerfen des Unterschenkels verhütet; ihre Verwendung würde
wenigstens, da sie zugleich das Knie beugen, sehr unvortheilhaft sein.
Kommt überhaupt eine Muskelkraft bei der Steifung des ersten Fuss-
gelenkes in Frage, so dürften nur die vom Unterschenkel zum Fuss
laufenden Muskeln, mm. tibialis posticus, peronaei postici und soleus
von Bedeutung sein.

3. Stellung des Sprungbeins auf dem Fussbogen. Das Sprungbein
A Fig. (127) stüzt sich am ergiebigsten auf das Fersenbein mit zwei

[Abbildung] Fig. 127.
Flächen I, II zwischen
welchen der bekannte
Hohlraum bleibt, ferner
liegt es noch vorn auf der
Hohlfläche des Kahnbeins
und dem ligam. calcaneo-
naviculare. Dieser Lage
und Stellung gemäss über-
trägt es den grössten Theil des auf ihm lastenden Gewichtes gegen das
Fersenbein und drängt zugleich, wegen der entgegengesetzten Richtung
der gegen ossa calcanei und naviculare zugewendeten Flächen beide
Knochen auseinander und zwar das Fersenbein nach hinten und aus-
sen, das Kahnbein aber nach vorn und innen. Hiebei hemmen das lig.
calcaneo naviculare (III) und der Apparatus ligamentosus (IV), welche
senkrecht anfeinander stehen, das Auseinanderweichen der drei
Knochen.

Der auf das Fersenbein fallende Antheil der Körperlast überträgt
sich auf die Erde durch den Fersenhöcker, welcher beim Aufruhen
des Fusses auf ebenem Boden nach aussen und hinten von der Mittel-
ebene der Astragalusrolle liegt. Um diesen hinten gelegenen festen
Punkt des Fersenbeins würde die vorn wirkende Last den vordern
Fersenbeinfortsatz drehen, wenn er nicht vorn und innen durch das
lig. calcaneonaviculare und aussen durch einen spitzen unter das
Fersenbein dringenden Fortsatz des os cuboideum und das lig. calca-

Aufrechtes Stehen.
Stellung gegen den Unterschenkel, dass der hintere schmale Theil der
Sprungrolle in der Gelenkfläche ruht; ist also ein Mechanismus vor-
handen der die beiden Unterschenkelknochen in dieser Lage scharf
gegen die Rollen anpresst, so wird ebenfalls die Beugung, bei welcher
der breitere Theil des Astragalus in die Gelenkhöhle treten müsste,
unmöglich. Dieses Zusammenpressen der Knochen wird aber gegeben
durch eine Drehung der Tibia um die Fibula, welche jedesmal einge-
leitet wird, wenn das Knie sich streckt, und zwar durch das Hervortre-
ten des langen condylus internus femoris, das ligam. laterale internum
und poplitaeum und den schiefen Ansatz der Kniestrecker gegen die
tuberositas tibiae. Unwahrscheinlich ist es dagegen dass die mm. gas-
trocnemii noch betheiligt sind bei dem Mechanismus, welcher das Vor-
wärtswerfen des Unterschenkels verhütet; ihre Verwendung würde
wenigstens, da sie zugleich das Knie beugen, sehr unvortheilhaft sein.
Kommt überhaupt eine Muskelkraft bei der Steifung des ersten Fuss-
gelenkes in Frage, so dürften nur die vom Unterschenkel zum Fuss
laufenden Muskeln, mm. tibialis posticus, peronaei postici und soleus
von Bedeutung sein.

3. Stellung des Sprungbeins auf dem Fussbogen. Das Sprungbein
A Fig. (127) stüzt sich am ergiebigsten auf das Fersenbein mit zwei

[Abbildung] Fig. 127.
Flächen I, II zwischen
welchen der bekannte
Hohlraum bleibt, ferner
liegt es noch vorn auf der
Hohlfläche des Kahnbeins
und dem ligam. calcaneo-
naviculare. Dieser Lage
und Stellung gemäss über-
trägt es den grössten Theil des auf ihm lastenden Gewichtes gegen das
Fersenbein und drängt zugleich, wegen der entgegengesetzten Richtung
der gegen ossa calcanei und naviculare zugewendeten Flächen beide
Knochen auseinander und zwar das Fersenbein nach hinten und aus-
sen, das Kahnbein aber nach vorn und innen. Hiebei hemmen das lig.
calcaneo naviculare (III) und der Apparatus ligamentosus (IV), welche
senkrecht anfeinander stehen, das Auseinanderweichen der drei
Knochen.

Der auf das Fersenbein fallende Antheil der Körperlast überträgt
sich auf die Erde durch den Fersenhöcker, welcher beim Aufruhen
des Fusses auf ebenem Boden nach aussen und hinten von der Mittel-
ebene der Astragalusrolle liegt. Um diesen hinten gelegenen festen
Punkt des Fersenbeins würde die vorn wirkende Last den vordern
Fersenbeinfortsatz drehen, wenn er nicht vorn und innen durch das
lig. calcaneonaviculare und aussen durch einen spitzen unter das
Fersenbein dringenden Fortsatz des os cuboideum und das lig. calca-

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[408/0422] Aufrechtes Stehen. Stellung gegen den Unterschenkel, dass der hintere schmale Theil der Sprungrolle in der Gelenkfläche ruht; ist also ein Mechanismus vor- handen der die beiden Unterschenkelknochen in dieser Lage scharf gegen die Rollen anpresst, so wird ebenfalls die Beugung, bei welcher der breitere Theil des Astragalus in die Gelenkhöhle treten müsste, unmöglich. Dieses Zusammenpressen der Knochen wird aber gegeben durch eine Drehung der Tibia um die Fibula, welche jedesmal einge- leitet wird, wenn das Knie sich streckt, und zwar durch das Hervortre- ten des langen condylus internus femoris, das ligam. laterale internum und poplitaeum und den schiefen Ansatz der Kniestrecker gegen die tuberositas tibiae. Unwahrscheinlich ist es dagegen dass die mm. gas- trocnemii noch betheiligt sind bei dem Mechanismus, welcher das Vor- wärtswerfen des Unterschenkels verhütet; ihre Verwendung würde wenigstens, da sie zugleich das Knie beugen, sehr unvortheilhaft sein. Kommt überhaupt eine Muskelkraft bei der Steifung des ersten Fuss- gelenkes in Frage, so dürften nur die vom Unterschenkel zum Fuss laufenden Muskeln, mm. tibialis posticus, peronaei postici und soleus von Bedeutung sein. 3. Stellung des Sprungbeins auf dem Fussbogen. Das Sprungbein A Fig. (127) stüzt sich am ergiebigsten auf das Fersenbein mit zwei [Abbildung Fig. 127.] Flächen I, II zwischen welchen der bekannte Hohlraum bleibt, ferner liegt es noch vorn auf der Hohlfläche des Kahnbeins und dem ligam. calcaneo- naviculare. Dieser Lage und Stellung gemäss über- trägt es den grössten Theil des auf ihm lastenden Gewichtes gegen das Fersenbein und drängt zugleich, wegen der entgegengesetzten Richtung der gegen ossa calcanei und naviculare zugewendeten Flächen beide Knochen auseinander und zwar das Fersenbein nach hinten und aus- sen, das Kahnbein aber nach vorn und innen. Hiebei hemmen das lig. calcaneo naviculare (III) und der Apparatus ligamentosus (IV), welche senkrecht anfeinander stehen, das Auseinanderweichen der drei Knochen. Der auf das Fersenbein fallende Antheil der Körperlast überträgt sich auf die Erde durch den Fersenhöcker, welcher beim Aufruhen des Fusses auf ebenem Boden nach aussen und hinten von der Mittel- ebene der Astragalusrolle liegt. Um diesen hinten gelegenen festen Punkt des Fersenbeins würde die vorn wirkende Last den vordern Fersenbeinfortsatz drehen, wenn er nicht vorn und innen durch das lig. calcaneonaviculare und aussen durch einen spitzen unter das Fersenbein dringenden Fortsatz des os cuboideum und das lig. calca-

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/422>, abgerufen am 25.04.2024.