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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Neutrale Fette.
säure, soll nach Lehmann nur unter gleichzeitiger Mitwirkung der
Fette und eiweissartigen Körper geschehen können; ebenso sollen sie
durch ihre Gegenwart die Verdauung der eiweissartigen Stoffe im Ma-
gen unterstützen.

b) Bei diesen Umsetzungen erleiden sie selbst eine Zerle-
gung in Glycerin (Oelsüss) und die entsprechende Fettsäure; da diese
beiden Stoffe aber nach Redtenbacher durch die Katalyse selbst
allmälig in C O2 und H O verwandelt werden, so liefern sie ein ver-
brennliches Material, das bei seiner Oxydation grosse Mengen von
Wärme bildet.

c) Von diesem Gesichtspunkt aus erscheint ihre chemische In-
differenz von Bedeutung; hierdurch wird es nämlich möglich, grosse
Massen von Fetten im Organismus ohne Störung anderer, dem Leben
nothwendiger chemischer Prozesse anzuhäufen, Massen, die angesam-
meltem Brennmaterial zu vergleichen sind.

d) Vermöge der mangelnden Adhäsion an Wasser sind sie im
Stande 1) Tropfen zu bilden, welche möglicher Weise die Zellenbildung
unterstützen (Ascherson), und 2) stellen sie Gewebe dar, welche
an der Umsetzung und Diffussion in benachbarten wässerigen Gebilden
keinen Theil nehmen; sie leisten demgemäss als constante Ventile,
Druckvertheiler und dergl. wichtige Dienste.

e) Da das leicht crystallisirende Margarin im Gemenge mit
Olein sein Crystallisationsvermögen einbüsst (Redtenbacher), so
ist die Mischung beider Fette geeignet, an der Bildung mannigfach ge-
formter Gewebe Theil zu nehmen.

f) Da in den Seifen die Fette auflöslich sind, und die Seifen wie-
derum im Wasser löslich, so geben die Seifen ein Mittel ab, um den
Durchtritt der Fette durch Membranen, die mit Wasser getränkt sind,
zu ermöglichen.

g) Ihr geringes Wärmeleitungsvermögen ist im Stande, die Wärme-
zerstreuung des thierischen Körpers zu hindern, wenn die auf der
Haut angebrachten Wärmeregulatoren (Schweissdrüsen, Horngebilde,
glatte Hautmuskeln) nicht mehr hinreichen, die Ausgleichung der Tem-
peraturdifferenzen zwischen dem thierischen Körper und der Aussen-
welt zu verhindern (Bergmann); bemerkenswerth ist darum die Ab-
lagerung der Fette in den Unterhautzellgeweben und namentlich in den
Fusssohlen.

Nach Angaben von Reisenden, welche Gelegenheit hatten Sektionen verstorbener
Polarländer zu unternehmen, soll das einzige Fettlager derselben in dem panniculus
adiposus sein, eine Thatsache, mit welcher sich die Angabe von E. H. Weber in Ueber-
einstimmung findet, dass bei Seehunden alles Fett im Unterhautzellgewebe liege.

h) Wegen ihrer Adhäsion zu den Horngeweben, und ihrer Fähig-
keit, diesen Geweben durch ihr Eindringen in dieselben die Sprödigkeit
zu nehmen, sind sie als Erhaltungsmittel der Haare angewendet. Da

Neutrale Fette.
säure, soll nach Lehmann nur unter gleichzeitiger Mitwirkung der
Fette und eiweissartigen Körper geschehen können; ebenso sollen sie
durch ihre Gegenwart die Verdauung der eiweissartigen Stoffe im Ma-
gen unterstützen.

b) Bei diesen Umsetzungen erleiden sie selbst eine Zerle-
gung in Glycerin (Oelsüss) und die entsprechende Fettsäure; da diese
beiden Stoffe aber nach Redtenbacher durch die Katalyse selbst
allmälig in C O2 und H O verwandelt werden, so liefern sie ein ver-
brennliches Material, das bei seiner Oxydation grosse Mengen von
Wärme bildet.

c) Von diesem Gesichtspunkt aus erscheint ihre chemische In-
differenz von Bedeutung; hierdurch wird es nämlich möglich, grosse
Massen von Fetten im Organismus ohne Störung anderer, dem Leben
nothwendiger chemischer Prozesse anzuhäufen, Massen, die angesam-
meltem Brennmaterial zu vergleichen sind.

d) Vermöge der mangelnden Adhäsion an Wasser sind sie im
Stande 1) Tropfen zu bilden, welche möglicher Weise die Zellenbildung
unterstützen (Ascherson), und 2) stellen sie Gewebe dar, welche
an der Umsetzung und Diffussion in benachbarten wässerigen Gebilden
keinen Theil nehmen; sie leisten demgemäss als constante Ventile,
Druckvertheiler und dergl. wichtige Dienste.

e) Da das leicht crystallisirende Margarin im Gemenge mit
Olein sein Crystallisationsvermögen einbüsst (Redtenbacher), so
ist die Mischung beider Fette geeignet, an der Bildung mannigfach ge-
formter Gewebe Theil zu nehmen.

f) Da in den Seifen die Fette auflöslich sind, und die Seifen wie-
derum im Wasser löslich, so geben die Seifen ein Mittel ab, um den
Durchtritt der Fette durch Membranen, die mit Wasser getränkt sind,
zu ermöglichen.

g) Ihr geringes Wärmeleitungsvermögen ist im Stande, die Wärme-
zerstreuung des thierischen Körpers zu hindern, wenn die auf der
Haut angebrachten Wärmeregulatoren (Schweissdrüsen, Horngebilde,
glatte Hautmuskeln) nicht mehr hinreichen, die Ausgleichung der Tem-
peraturdifferenzen zwischen dem thierischen Körper und der Aussen-
welt zu verhindern (Bergmann); bemerkenswerth ist darum die Ab-
lagerung der Fette in den Unterhautzellgeweben und namentlich in den
Fusssohlen.

Nach Angaben von Reisenden, welche Gelegenheit hatten Sektionen verstorbener
Polarländer zu unternehmen, soll das einzige Fettlager derselben in dem panniculus
adiposus sein, eine Thatsache, mit welcher sich die Angabe von E. H. Weber in Ueber-
einstimmung findet, dass bei Seehunden alles Fett im Unterhautzellgewebe liege.

h) Wegen ihrer Adhäsion zu den Horngeweben, und ihrer Fähig-
keit, diesen Geweben durch ihr Eindringen in dieselben die Sprödigkeit
zu nehmen, sind sie als Erhaltungsmittel der Haare angewendet. Da

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[28/0042] Neutrale Fette. säure, soll nach Lehmann nur unter gleichzeitiger Mitwirkung der Fette und eiweissartigen Körper geschehen können; ebenso sollen sie durch ihre Gegenwart die Verdauung der eiweissartigen Stoffe im Ma- gen unterstützen. b) Bei diesen Umsetzungen erleiden sie selbst eine Zerle- gung in Glycerin (Oelsüss) und die entsprechende Fettsäure; da diese beiden Stoffe aber nach Redtenbacher durch die Katalyse selbst allmälig in C O2 und H O verwandelt werden, so liefern sie ein ver- brennliches Material, das bei seiner Oxydation grosse Mengen von Wärme bildet. c) Von diesem Gesichtspunkt aus erscheint ihre chemische In- differenz von Bedeutung; hierdurch wird es nämlich möglich, grosse Massen von Fetten im Organismus ohne Störung anderer, dem Leben nothwendiger chemischer Prozesse anzuhäufen, Massen, die angesam- meltem Brennmaterial zu vergleichen sind. d) Vermöge der mangelnden Adhäsion an Wasser sind sie im Stande 1) Tropfen zu bilden, welche möglicher Weise die Zellenbildung unterstützen (Ascherson), und 2) stellen sie Gewebe dar, welche an der Umsetzung und Diffussion in benachbarten wässerigen Gebilden keinen Theil nehmen; sie leisten demgemäss als constante Ventile, Druckvertheiler und dergl. wichtige Dienste. e) Da das leicht crystallisirende Margarin im Gemenge mit Olein sein Crystallisationsvermögen einbüsst (Redtenbacher), so ist die Mischung beider Fette geeignet, an der Bildung mannigfach ge- formter Gewebe Theil zu nehmen. f) Da in den Seifen die Fette auflöslich sind, und die Seifen wie- derum im Wasser löslich, so geben die Seifen ein Mittel ab, um den Durchtritt der Fette durch Membranen, die mit Wasser getränkt sind, zu ermöglichen. g) Ihr geringes Wärmeleitungsvermögen ist im Stande, die Wärme- zerstreuung des thierischen Körpers zu hindern, wenn die auf der Haut angebrachten Wärmeregulatoren (Schweissdrüsen, Horngebilde, glatte Hautmuskeln) nicht mehr hinreichen, die Ausgleichung der Tem- peraturdifferenzen zwischen dem thierischen Körper und der Aussen- welt zu verhindern (Bergmann); bemerkenswerth ist darum die Ab- lagerung der Fette in den Unterhautzellgeweben und namentlich in den Fusssohlen. Nach Angaben von Reisenden, welche Gelegenheit hatten Sektionen verstorbener Polarländer zu unternehmen, soll das einzige Fettlager derselben in dem panniculus adiposus sein, eine Thatsache, mit welcher sich die Angabe von E. H. Weber in Ueber- einstimmung findet, dass bei Seehunden alles Fett im Unterhautzellgewebe liege. h) Wegen ihrer Adhäsion zu den Horngeweben, und ihrer Fähig- keit, diesen Geweben durch ihr Eindringen in dieselben die Sprödigkeit zu nehmen, sind sie als Erhaltungsmittel der Haare angewendet. Da

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/42>, abgerufen am 19.04.2024.