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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Muskeln der Wirbelsäule.
2) Durch drei grade Muskeln, von denen einer (rect. capitis long. an-
ticus) beugt, ein anderer den Kopf gegen die Schulter neigt (trache-
lomastoideus) und ein dritter (das innere Stück des biventer) streckt.

Die Ansatzpunte der Muskel an dem Kopf liegen demnach vor-
zugsweise am Ende zweier unter einem rechten Winkel sich kreuzen-
der Hebelarme, die den beiden oben erwähnten Achsen des Hinterhaupt-
gelenkes parallel gehen; ihre Endpunkte werden dargestellt durch den
processus mastoideus einerseits und durch protuberantia occipitalis und
pars basilaris anderseits. Insofern sie auf das Kopfgelenk allein wir-
ken sind demnach mm. splenii und sternocleidomastoidei, Rotato-
ren und Seitwärtsbeuger, mm. cucullaris, complexus und biventer Ro-
tatoren und Strecker; der Mangel der entsprechend kräftiger Beuger
erläutert sich daraus, dass der Schwerpunkt des Kopfes nach vorn
von dem Unterstützungspunkte gelegen ist.--

c. Muskeln der Wirbelsäule. Sie sind, wie Ed. Weber
zuerst bemerkte, nach demselben Plan angelegt, der bei der Construk-
tion der Hals- und Kopfmuskeln angewendet ist. Zunächst ist durch
die rückwärts beugenden mm. interspinosi; die seitwärts beugenden
mm. intertransversarii und die drehenden mm. multifidis ein Appa-
rat gegeben, vermittelst dessen, unabhängig von allen andern, ein
einziger Intervertebralknorpel in seiner Lage verändert werden kann.
Dann kann durch ein System gekreuzter und durch zwei Systeme gerade
verlaufender Fasern immer eine grössere Abtheilung der Wirbelsäule
gleichzeitig bewegt werden. Zu diesen letztern Wirbelsäulemuskeln
und zwar zu den am Rumpf gekreuzten Spiralen zählen die mm. semi-
spinales, obliqui abdominis, quadratus lumborum, intercostales, sterno-
costales; man sieht ein Theil derselben (mm. obliquus externus, qua-
dratus lumborum, intercostales externi) laufen im Sinne des m. sternoc-
leidomastoideus, ein anderer (m. obliquus intern, intercostales intern.)
in der Richtung des m. splenius. Die Richtung der obern Lage der einen
Seite ist die Fortsetzung der tiefern der andern Körperhälfte. Die äusser-
sten Punkte dieser Muskelflächen wirken, indem sie sich an das Becken
und die Rippen ansetzen, an langen Hebelarmen. In ihrer Wirkung auf
die Wirbelsäule unterstützen sich jedesmal je zwei Lagen, die je nach
der Art der Wirkung bald die gleichseitigen und bald die ungleichseitigen
sind. Diese Muskeln greifen aber auch auf die Athmungs- und Darm-
entleerungsbewegungen ein; sie werden in dieser Beziehung an den
betreffenden Orten noch erwähnt werden. -- Die geraden Muskelzüge
werden hinten aus dem m. sacrolumbaris mit seinen Ausläufern den
mm. sacrocostalis, colli ascendens, longissimus dorsi, colli transversalis,
sacrospinalis, vorn durch die mm. rectus abdominis und longissimus
colli dargestellt. Aus demselben Grunde wie am Kopf, ist die Muskel-
masse an der hintern Seite stärker als an der vordern; zudem wirkt

Ludwig, Physiologie I. 26

Muskeln der Wirbelsäule.
2) Durch drei grade Muskeln, von denen einer (rect. capitis long. an-
ticus) beugt, ein anderer den Kopf gegen die Schulter neigt (trache-
lomastoideus) und ein dritter (das innere Stück des biventer) streckt.

Die Ansatzpunte der Muskel an dem Kopf liegen demnach vor-
zugsweise am Ende zweier unter einem rechten Winkel sich kreuzen-
der Hebelarme, die den beiden oben erwähnten Achsen des Hinterhaupt-
gelenkes parallel gehen; ihre Endpunkte werden dargestellt durch den
processus mastoideus einerseits und durch protuberantia occipitalis und
pars basilaris anderseits. Insofern sie auf das Kopfgelenk allein wir-
ken sind demnach mm. splenii und sternocleidomastoidei, Rotato-
ren und Seitwärtsbeuger, mm. cucullaris, complexus und biventer Ro-
tatoren und Strecker; der Mangel der entsprechend kräftiger Beuger
erläutert sich daraus, dass der Schwerpunkt des Kopfes nach vorn
von dem Unterstützungspunkte gelegen ist.—

c. Muskeln der Wirbelsäule. Sie sind, wie Ed. Weber
zuerst bemerkte, nach demselben Plan angelegt, der bei der Construk-
tion der Hals- und Kopfmuskeln angewendet ist. Zunächst ist durch
die rückwärts beugenden mm. interspinosi; die seitwärts beugenden
mm. intertransversarii und die drehenden mm. multifidis ein Appa-
rat gegeben, vermittelst dessen, unabhängig von allen andern, ein
einziger Intervertebralknorpel in seiner Lage verändert werden kann.
Dann kann durch ein System gekreuzter und durch zwei Systeme gerade
verlaufender Fasern immer eine grössere Abtheilung der Wirbelsäule
gleichzeitig bewegt werden. Zu diesen letztern Wirbelsäulemuskeln
und zwar zu den am Rumpf gekreuzten Spiralen zählen die mm. semi-
spinales, obliqui abdominis, quadratus lumborum, intercostales, sterno-
costales; man sieht ein Theil derselben (mm. obliquus externus, qua-
dratus lumborum, intercostales externi) laufen im Sinne des m. sternoc-
leidomastoideus, ein anderer (m. obliquus intern, intercostales intern.)
in der Richtung des m. splenius. Die Richtung der obern Lage der einen
Seite ist die Fortsetzung der tiefern der andern Körperhälfte. Die äusser-
sten Punkte dieser Muskelflächen wirken, indem sie sich an das Becken
und die Rippen ansetzen, an langen Hebelarmen. In ihrer Wirkung auf
die Wirbelsäule unterstützen sich jedesmal je zwei Lagen, die je nach
der Art der Wirkung bald die gleichseitigen und bald die ungleichseitigen
sind. Diese Muskeln greifen aber auch auf die Athmungs- und Darm-
entleerungsbewegungen ein; sie werden in dieser Beziehung an den
betreffenden Orten noch erwähnt werden. — Die geraden Muskelzüge
werden hinten aus dem m. sacrolumbaris mit seinen Ausläufern den
mm. sacrocostalis, colli ascendens, longissimus dorsi, colli transversalis,
sacrospinalis, vorn durch die mm. rectus abdominis und longissimus
colli dargestellt. Aus demselben Grunde wie am Kopf, ist die Muskel-
masse an der hintern Seite stärker als an der vordern; zudem wirkt

Ludwig, Physiologie I. 26
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[401/0415] Muskeln der Wirbelsäule. 2) Durch drei grade Muskeln, von denen einer (rect. capitis long. an- ticus) beugt, ein anderer den Kopf gegen die Schulter neigt (trache- lomastoideus) und ein dritter (das innere Stück des biventer) streckt. Die Ansatzpunte der Muskel an dem Kopf liegen demnach vor- zugsweise am Ende zweier unter einem rechten Winkel sich kreuzen- der Hebelarme, die den beiden oben erwähnten Achsen des Hinterhaupt- gelenkes parallel gehen; ihre Endpunkte werden dargestellt durch den processus mastoideus einerseits und durch protuberantia occipitalis und pars basilaris anderseits. Insofern sie auf das Kopfgelenk allein wir- ken sind demnach mm. splenii und sternocleidomastoidei, Rotato- ren und Seitwärtsbeuger, mm. cucullaris, complexus und biventer Ro- tatoren und Strecker; der Mangel der entsprechend kräftiger Beuger erläutert sich daraus, dass der Schwerpunkt des Kopfes nach vorn von dem Unterstützungspunkte gelegen ist.— c. Muskeln der Wirbelsäule. Sie sind, wie Ed. Weber zuerst bemerkte, nach demselben Plan angelegt, der bei der Construk- tion der Hals- und Kopfmuskeln angewendet ist. Zunächst ist durch die rückwärts beugenden mm. interspinosi; die seitwärts beugenden mm. intertransversarii und die drehenden mm. multifidis ein Appa- rat gegeben, vermittelst dessen, unabhängig von allen andern, ein einziger Intervertebralknorpel in seiner Lage verändert werden kann. Dann kann durch ein System gekreuzter und durch zwei Systeme gerade verlaufender Fasern immer eine grössere Abtheilung der Wirbelsäule gleichzeitig bewegt werden. Zu diesen letztern Wirbelsäulemuskeln und zwar zu den am Rumpf gekreuzten Spiralen zählen die mm. semi- spinales, obliqui abdominis, quadratus lumborum, intercostales, sterno- costales; man sieht ein Theil derselben (mm. obliquus externus, qua- dratus lumborum, intercostales externi) laufen im Sinne des m. sternoc- leidomastoideus, ein anderer (m. obliquus intern, intercostales intern.) in der Richtung des m. splenius. Die Richtung der obern Lage der einen Seite ist die Fortsetzung der tiefern der andern Körperhälfte. Die äusser- sten Punkte dieser Muskelflächen wirken, indem sie sich an das Becken und die Rippen ansetzen, an langen Hebelarmen. In ihrer Wirkung auf die Wirbelsäule unterstützen sich jedesmal je zwei Lagen, die je nach der Art der Wirkung bald die gleichseitigen und bald die ungleichseitigen sind. Diese Muskeln greifen aber auch auf die Athmungs- und Darm- entleerungsbewegungen ein; sie werden in dieser Beziehung an den betreffenden Orten noch erwähnt werden. — Die geraden Muskelzüge werden hinten aus dem m. sacrolumbaris mit seinen Ausläufern den mm. sacrocostalis, colli ascendens, longissimus dorsi, colli transversalis, sacrospinalis, vorn durch die mm. rectus abdominis und longissimus colli dargestellt. Aus demselben Grunde wie am Kopf, ist die Muskel- masse an der hintern Seite stärker als an der vordern; zudem wirkt Ludwig, Physiologie I. 26

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/415>, abgerufen am 25.04.2024.