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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Zweites und drittes Fussgelenk.

Zweites Fussgelenk. Der Talus kann sich an den ihn be-
grenzenden ossa calcanei und naviculare verschieben; dieses Gelenk
ist auf drei Flächen vertheilt, von denen zwei gegen den calcaneus
und eine gegen das os naviculare hinsehen. Die beiden nach dem
Fersenbein zugewendeten Flächen des talus sind im allgemeinen Ab-
schnitte von Ringen, die jedoch nach entgegengesetzten Richtungen
gebogen sind. Die hintere Fläche H in Fig. 120, die einen diagonal durch
den Talus geführten Durchschnitt darstellt, ist nemlich von rechts

[Abbildung] Fig. 120.
nach links und von hinten nach vorn con-
cav d. h. ihr Krümmungsmittelpunkt liegt
nach der Fusssohle hin, während die vor-
dere V von hinten nach vorn und von
rechts nach links convex ist, so dass ihr
Krümmungsmittelpunkt gegen den Fuss-
rücken liegt. Die nach dem os naviculare
hinschauende Gelenkfläche ist wie es
scheint ein Kugelstück. Die am calcaneus
angebrachten dem talus entsprechenden
Gelenkflächen sind umfänglicher, die am os
naviculare befindlichen kleiner als der Ta-
luskopf, so dass zu ihrer Ergänzung noch
das ligam. calcaneonaviculare und oft ein
vorspringendes Stück des os cuboideum
herbeigezogen ist. Die Gelenkachse, welche
schief von unten nach oben und von aussen nach innen geht, ist be-
stimmt durch die Mittelpunkte der Krümmungen von V und H. Das Zu-
sammenheften zwischen talus und Fersenbein, wird durch den appa-
ratus ligamentosus L L bedingt; als wesentliche Beschränkungsbänder
dienen lig. calcaneonaviculare und calcaneofibulare. Da dieses letztere,
wie wir erfuhren, bei der vollkommenen Beugung des Fusses im ersten
Gelenk stark gespannt ist, so hemmt es dann die Bewegung auch im
zweiten Fussgelenk vollkommen. -- Die Bewegung im zweiten Fuss-
gelenk hebt den innern oder äussern Fussrand von dem Erdboden auf.

Die Behauptung, dass die Bewegungen in dem Gelenke unterbrochen seien,
wenn die Last des Körpers durch das Sprungbein allein auf das Fersenbein über-
tragen werde, ist nicht richtig; stellt man sich aber auf die Fersen bei sark gebeug-
tem Fuss, so wird allerdings die beschriebene Bewegung unmöglich, was aber
ebensowohl der Fall ist bei erhobenem und stark gebeugtem Fuss.

Drittes Fussgelenk. Dieses Gelenk, welches H. Meyer
zuerst erklärt, geht zwischen talus und calcaneus einerseits und
andrerseits zwischen os naviculare und os cuboideum. Die Drehungs-
achse scheint durch die gegen die Fusssohle dringende Spitze des
os cuboideum und das ligam. calcaneo-cuboideum gegeben zu sein.
Die Bewegungen werden sich zu der des vorhergehenden addiren
und namentlich an der Erhebung des innern Fussrandes sich bethei-

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Zweites und drittes Fussgelenk.

Zweites Fussgelenk. Der Talus kann sich an den ihn be-
grenzenden ossa calcanei und naviculare verschieben; dieses Gelenk
ist auf drei Flächen vertheilt, von denen zwei gegen den calcaneus
und eine gegen das os naviculare hinsehen. Die beiden nach dem
Fersenbein zugewendeten Flächen des talus sind im allgemeinen Ab-
schnitte von Ringen, die jedoch nach entgegengesetzten Richtungen
gebogen sind. Die hintere Fläche H in Fig. 120, die einen diagonal durch
den Talus geführten Durchschnitt darstellt, ist nemlich von rechts

[Abbildung] Fig. 120.
nach links und von hinten nach vorn con-
cav d. h. ihr Krümmungsmittelpunkt liegt
nach der Fusssohle hin, während die vor-
dere V von hinten nach vorn und von
rechts nach links convex ist, so dass ihr
Krümmungsmittelpunkt gegen den Fuss-
rücken liegt. Die nach dem os naviculare
hinschauende Gelenkfläche ist wie es
scheint ein Kugelstück. Die am calcaneus
angebrachten dem talus entsprechenden
Gelenkflächen sind umfänglicher, die am os
naviculare befindlichen kleiner als der Ta-
luskopf, so dass zu ihrer Ergänzung noch
das ligam. calcaneonaviculare und oft ein
vorspringendes Stück des os cuboideum
herbeigezogen ist. Die Gelenkachse, welche
schief von unten nach oben und von aussen nach innen geht, ist be-
stimmt durch die Mittelpunkte der Krümmungen von V und H. Das Zu-
sammenheften zwischen talus und Fersenbein, wird durch den appa-
ratus ligamentosus L L bedingt; als wesentliche Beschränkungsbänder
dienen lig. calcaneonaviculare und calcaneofibulare. Da dieses letztere,
wie wir erfuhren, bei der vollkommenen Beugung des Fusses im ersten
Gelenk stark gespannt ist, so hemmt es dann die Bewegung auch im
zweiten Fussgelenk vollkommen. — Die Bewegung im zweiten Fuss-
gelenk hebt den innern oder äussern Fussrand von dem Erdboden auf.

Die Behauptung, dass die Bewegungen in dem Gelenke unterbrochen seien,
wenn die Last des Körpers durch das Sprungbein allein auf das Fersenbein über-
tragen werde, ist nicht richtig; stellt man sich aber auf die Fersen bei sark gebeug-
tem Fuss, so wird allerdings die beschriebene Bewegung unmöglich, was aber
ebensowohl der Fall ist bei erhobenem und stark gebeugtem Fuss.

Drittes Fussgelenk. Dieses Gelenk, welches H. Meyer
zuerst erklärt, geht zwischen talus und calcaneus einerseits und
andrerseits zwischen os naviculare und os cuboideum. Die Drehungs-
achse scheint durch die gegen die Fusssohle dringende Spitze des
os cuboideum und das ligam. calcaneo-cuboideum gegeben zu sein.
Die Bewegungen werden sich zu der des vorhergehenden addiren
und namentlich an der Erhebung des innern Fussrandes sich bethei-

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[387/0401] Zweites und drittes Fussgelenk. Zweites Fussgelenk. Der Talus kann sich an den ihn be- grenzenden ossa calcanei und naviculare verschieben; dieses Gelenk ist auf drei Flächen vertheilt, von denen zwei gegen den calcaneus und eine gegen das os naviculare hinsehen. Die beiden nach dem Fersenbein zugewendeten Flächen des talus sind im allgemeinen Ab- schnitte von Ringen, die jedoch nach entgegengesetzten Richtungen gebogen sind. Die hintere Fläche H in Fig. 120, die einen diagonal durch den Talus geführten Durchschnitt darstellt, ist nemlich von rechts [Abbildung Fig. 120.] nach links und von hinten nach vorn con- cav d. h. ihr Krümmungsmittelpunkt liegt nach der Fusssohle hin, während die vor- dere V von hinten nach vorn und von rechts nach links convex ist, so dass ihr Krümmungsmittelpunkt gegen den Fuss- rücken liegt. Die nach dem os naviculare hinschauende Gelenkfläche ist wie es scheint ein Kugelstück. Die am calcaneus angebrachten dem talus entsprechenden Gelenkflächen sind umfänglicher, die am os naviculare befindlichen kleiner als der Ta- luskopf, so dass zu ihrer Ergänzung noch das ligam. calcaneonaviculare und oft ein vorspringendes Stück des os cuboideum herbeigezogen ist. Die Gelenkachse, welche schief von unten nach oben und von aussen nach innen geht, ist be- stimmt durch die Mittelpunkte der Krümmungen von V und H. Das Zu- sammenheften zwischen talus und Fersenbein, wird durch den appa- ratus ligamentosus L L bedingt; als wesentliche Beschränkungsbänder dienen lig. calcaneonaviculare und calcaneofibulare. Da dieses letztere, wie wir erfuhren, bei der vollkommenen Beugung des Fusses im ersten Gelenk stark gespannt ist, so hemmt es dann die Bewegung auch im zweiten Fussgelenk vollkommen. — Die Bewegung im zweiten Fuss- gelenk hebt den innern oder äussern Fussrand von dem Erdboden auf. Die Behauptung, dass die Bewegungen in dem Gelenke unterbrochen seien, wenn die Last des Körpers durch das Sprungbein allein auf das Fersenbein über- tragen werde, ist nicht richtig; stellt man sich aber auf die Fersen bei sark gebeug- tem Fuss, so wird allerdings die beschriebene Bewegung unmöglich, was aber ebensowohl der Fall ist bei erhobenem und stark gebeugtem Fuss. Drittes Fussgelenk. Dieses Gelenk, welches H. Meyer zuerst erklärt, geht zwischen talus und calcaneus einerseits und andrerseits zwischen os naviculare und os cuboideum. Die Drehungs- achse scheint durch die gegen die Fusssohle dringende Spitze des os cuboideum und das ligam. calcaneo-cuboideum gegeben zu sein. Die Bewegungen werden sich zu der des vorhergehenden addiren und namentlich an der Erhebung des innern Fussrandes sich bethei- 25*

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/401>, abgerufen am 28.03.2024.