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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Zahl motorischer Nervenröhren innerhalb des Muskels.
Muskel eintretenden Nervenröhren und den in ihm enthaltenen Mus-
kelschläuchen von Bedeutung; denn wie das erstere Aufschluss gibt
über die Grösse der Berührungsfläche zwischen Muskel und Nerv,
so bestimmt das letztere die Berührungsfläche der Muskelnerven mit
dem Hirn. In Rücksicht hierauf liegen erst wenige brauchbare Unter-
suchungen vor; nach diesen laufen z. B. in der Bahn des n. oculo-
motorius 15000, in der des n. trochlearis 1100 bis 1200 und in dem n.
abducens 2000 bis 2500 Röhren; Purkinje und Rosenthal; im n.
medianus fand Harting *) 22500 und im n. cruralis 35400 Röhren.
Erwägt man die bedeutenden Hautflächen, welche die letztern beiden
Nerven neben sehr umfangreichen Muskeln versorgen, so ist ersicht-
lich, dass diese letzteren durch eine viel geringere Summe von Ner-
venröhren im Hirn vertreten sind, als die von den erstgenannten drei
Nerven abhängigen.

3. Veränderung der physiologischen Zustände der
Muskeln durch die Nerven
. -- Wenn die Muskelnerven in die
Art der Erregung gerathen, welche von der negativen Schwankung
ihrer elektromotorischen Molekeln begleitet wird, so rufen sie in den
ihnen beigeordneten leistungsfähigen Muskeln Veränderungen her-
vor. Diese Veränderungen sind ihrer Natur nach verschiedene ja
scheinbar entgegengesetzte, denn es kann, ganz allgemein betrach-
tet, der erregte Nerv ebensowohl die der Verlängerung als die der
Verkürzung zu Grunde liegende Anordnung der Muskelmolekeln be-
dingen. Dieser Ausspruch ist jedoch dahin einzuschränken, dass
ein und derselbe in Erregung befindliche Nerv nicht beliebig seine
zugehörigen Muskeln verlängern oder verkürzen könne, sondern
dass ein Nerv seine zugehörigen Muskeln entweder nur verkür-
zen oder nur verlängern kann; gesetzt aber es kann ein Nerv seine
zugehörigen Muskeln auch auf beide Arten verändern, so kann er
doch immer nur ein und denselben Zustand bedingen, wofern der Ort
des Nerven, an welchem die Erregungsmittel angebracht sind, der-
selbe bleibt.

a. Verkürzung des Muskels durch den erregten Ner-
ven
. -- Bei weitem die überwiegende Zahl der Muskelnerven führt
im erregten Zustand ihre zugehörigen Muskeln in die Verkürzung
über, gleichgiltig an welchem Orte ihres Verlaufes die Mittel wirken,
welche sie in Erregung brachten. -- Nachdem wir schon früher die-
ses Verhalten der Muskelnerven kennen lernten, bleibt uns hier noch
übrig zu untersuchen: ob die Nerven unter allen Erregern einzig und
allein im Stande sind, die im ruhigen Muskel vorhandenen Bedingun-
gen so umzuändern, dass sich derselbe verkürze.

Der Gedanke, dass die Erreger nicht direkt, sondern nur durch

*) Recherches micrometriques. Utrecht 1845.

Zahl motorischer Nervenröhren innerhalb des Muskels.
Muskel eintretenden Nervenröhren und den in ihm enthaltenen Mus-
kelschläuchen von Bedeutung; denn wie das erstere Aufschluss gibt
über die Grösse der Berührungsfläche zwischen Muskel und Nerv,
so bestimmt das letztere die Berührungsfläche der Muskelnerven mit
dem Hirn. In Rücksicht hierauf liegen erst wenige brauchbare Unter-
suchungen vor; nach diesen laufen z. B. in der Bahn des n. oculo-
motorius 15000, in der des n. trochlearis 1100 bis 1200 und in dem n.
abducens 2000 bis 2500 Röhren; Purkinje und Rosenthal; im n.
medianus fand Harting *) 22500 und im n. cruralis 35400 Röhren.
Erwägt man die bedeutenden Hautflächen, welche die letztern beiden
Nerven neben sehr umfangreichen Muskeln versorgen, so ist ersicht-
lich, dass diese letzteren durch eine viel geringere Summe von Ner-
venröhren im Hirn vertreten sind, als die von den erstgenannten drei
Nerven abhängigen.

3. Veränderung der physiologischen Zustände der
Muskeln durch die Nerven
. — Wenn die Muskelnerven in die
Art der Erregung gerathen, welche von der negativen Schwankung
ihrer elektromotorischen Molekeln begleitet wird, so rufen sie in den
ihnen beigeordneten leistungsfähigen Muskeln Veränderungen her-
vor. Diese Veränderungen sind ihrer Natur nach verschiedene ja
scheinbar entgegengesetzte, denn es kann, ganz allgemein betrach-
tet, der erregte Nerv ebensowohl die der Verlängerung als die der
Verkürzung zu Grunde liegende Anordnung der Muskelmolekeln be-
dingen. Dieser Ausspruch ist jedoch dahin einzuschränken, dass
ein und derselbe in Erregung befindliche Nerv nicht beliebig seine
zugehörigen Muskeln verlängern oder verkürzen könne, sondern
dass ein Nerv seine zugehörigen Muskeln entweder nur verkür-
zen oder nur verlängern kann; gesetzt aber es kann ein Nerv seine
zugehörigen Muskeln auch auf beide Arten verändern, so kann er
doch immer nur ein und denselben Zustand bedingen, wofern der Ort
des Nerven, an welchem die Erregungsmittel angebracht sind, der-
selbe bleibt.

a. Verkürzung des Muskels durch den erregten Ner-
ven
. — Bei weitem die überwiegende Zahl der Muskelnerven führt
im erregten Zustand ihre zugehörigen Muskeln in die Verkürzung
über, gleichgiltig an welchem Orte ihres Verlaufes die Mittel wirken,
welche sie in Erregung brachten. — Nachdem wir schon früher die-
ses Verhalten der Muskelnerven kennen lernten, bleibt uns hier noch
übrig zu untersuchen: ob die Nerven unter allen Erregern einzig und
allein im Stande sind, die im ruhigen Muskel vorhandenen Bedingun-
gen so umzuändern, dass sich derselbe verkürze.

Der Gedanke, dass die Erreger nicht direkt, sondern nur durch

*) Recherches micrometriques. Utrecht 1845.
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[354/0368] Zahl motorischer Nervenröhren innerhalb des Muskels. Muskel eintretenden Nervenröhren und den in ihm enthaltenen Mus- kelschläuchen von Bedeutung; denn wie das erstere Aufschluss gibt über die Grösse der Berührungsfläche zwischen Muskel und Nerv, so bestimmt das letztere die Berührungsfläche der Muskelnerven mit dem Hirn. In Rücksicht hierauf liegen erst wenige brauchbare Unter- suchungen vor; nach diesen laufen z. B. in der Bahn des n. oculo- motorius 15000, in der des n. trochlearis 1100 bis 1200 und in dem n. abducens 2000 bis 2500 Röhren; Purkinje und Rosenthal; im n. medianus fand Harting *) 22500 und im n. cruralis 35400 Röhren. Erwägt man die bedeutenden Hautflächen, welche die letztern beiden Nerven neben sehr umfangreichen Muskeln versorgen, so ist ersicht- lich, dass diese letzteren durch eine viel geringere Summe von Ner- venröhren im Hirn vertreten sind, als die von den erstgenannten drei Nerven abhängigen. 3. Veränderung der physiologischen Zustände der Muskeln durch die Nerven. — Wenn die Muskelnerven in die Art der Erregung gerathen, welche von der negativen Schwankung ihrer elektromotorischen Molekeln begleitet wird, so rufen sie in den ihnen beigeordneten leistungsfähigen Muskeln Veränderungen her- vor. Diese Veränderungen sind ihrer Natur nach verschiedene ja scheinbar entgegengesetzte, denn es kann, ganz allgemein betrach- tet, der erregte Nerv ebensowohl die der Verlängerung als die der Verkürzung zu Grunde liegende Anordnung der Muskelmolekeln be- dingen. Dieser Ausspruch ist jedoch dahin einzuschränken, dass ein und derselbe in Erregung befindliche Nerv nicht beliebig seine zugehörigen Muskeln verlängern oder verkürzen könne, sondern dass ein Nerv seine zugehörigen Muskeln entweder nur verkür- zen oder nur verlängern kann; gesetzt aber es kann ein Nerv seine zugehörigen Muskeln auch auf beide Arten verändern, so kann er doch immer nur ein und denselben Zustand bedingen, wofern der Ort des Nerven, an welchem die Erregungsmittel angebracht sind, der- selbe bleibt. a. Verkürzung des Muskels durch den erregten Ner- ven. — Bei weitem die überwiegende Zahl der Muskelnerven führt im erregten Zustand ihre zugehörigen Muskeln in die Verkürzung über, gleichgiltig an welchem Orte ihres Verlaufes die Mittel wirken, welche sie in Erregung brachten. — Nachdem wir schon früher die- ses Verhalten der Muskelnerven kennen lernten, bleibt uns hier noch übrig zu untersuchen: ob die Nerven unter allen Erregern einzig und allein im Stande sind, die im ruhigen Muskel vorhandenen Bedingun- gen so umzuändern, dass sich derselbe verkürze. Der Gedanke, dass die Erreger nicht direkt, sondern nur durch *) Recherches micrometriques. Utrecht 1845.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/368>, abgerufen am 19.04.2024.