Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
Chlorverbindungen.

C. Kohlensaure Kalkerde findet sich krystallinisch im Laby-
rinth als sogenannte Gehörsteine; dann amorph in den Knochen, Harn,
Speichel, Darmkanal. Dieses in den thierischen Flüssigkeiten schwer
lösliche Salz scheint innerhalb der Knochen dem phosphorsauren Kalk
ähnliche Funktionen zu haben; im Uebrigen liegt seine Bedeutung im
Dunkeln.

D. Kohlensaure Magnesia. Man kennt ihr Vorkommen, nicht
aber ihre Bedeutung.

7. Chlor-Verbindungen.

A. Chlorwasserstoff. Seine Gegenwart im Magensaft, früher
behauptet und geleugnet, wird neuerlichst wieder von C. Schmidt
angenommen. -- Die physiologische Wichtigkeit der Salzsäure ist be-
dingt durch ihr Vermögen einige in Wasser unlösliche Eiweiss- und
Leimstoffe in Lösung zu versetzen.

Auf welchem Wege sie aus ihren Salzen im Magen frei gemacht
wird ist unbekannt.

B. Alkalische Chlorsalze. Alle wässerigen thierischen Flüs-
sigkeiten enthalten diese Salze, und zwar kommt überall ein Gemenge
von Kochsalz und Chlorkalium vor, ausgenommen in den Säften, wel-
che in dem Muskelprimitivbündel und dem Blutkörperchen eingeschlos-
sen sind. In diesen beiden Flüssigkeiten soll nur Chlorkalium aber
kein Chlornatrium aufgelöst sein. Der Gehalt an alkalischen Chlorsal-
zen in den normalen Säften übersteigt niemals 0,5 Prozent; in grös-
seren Mengen scheinen diese Salze überall giftig zu wirken.

Die grosse Verbreitung und die, im Vergleich zu andern löslichen
Salzbestandtheilen, grossen Mengen der im Thierleib vorkommenden
alkalischen Chlorsalze machen es wahrscheinlich, dass sie wichtige
Funktionen erfüllen. Die Besonderheiten derselben lassen sich aber
nur vermuthungsweise angeben.

Man hält sie für wichtig: a) als Imbibitionsstoffe; wegen ihrer Löslichkeit und
Diffussionsfähigkeit in das alle Gewebe durchdringende Wasser, gelangen sie selbst
in alle Gewebe. Sie bedingen hier, wie es nach später zu erwähnenden Versuchen
wahrscheinlich ist, einen höheren Elastizitätscoeffizient der Gewebe, und üben durch
Verengerung der Poren zugleich einen Einfluss auf die Art und die Geschwindigkeit
der Diffussion anderer im Wasser aufgelöster Bestandtheile der thierischen Flüs-
sigkeiten. -- b) Sie sollen die Löslichkeit einzelner Thierstoffe im Wasser modifi-
ziren, indem sie entweder dieselbe unterstützen, wie die des Caseins, was sich in
Kochsalzwasser auflöst, und des Faserstoffs dessen Gerinnung durch Kochsalzlösung
verhindert wird, oder indem sie die Auflösung hemmen wie die des Blutroths, das sich
in der Blutflüssigkeit bei starker Verdünnung mit Wasser auflöst. -- c) Sie sollen
einzelne chemische Umsetzungen erleichtern oder hemmen. So vermuthet man na-
mentlich wegen des grossen Kochsalzgehaltes im Speichel und Magensaft, dass das-
selbe die durch die Verdauungssäfte erzielte Umwandlung der mit der Nahrung auf-
genommenen Nahrungssäfte begünstige (?) und zugleich eine bis zur Fäulniss schrei-
tende Zersetzung desselben verhindere. Aus demselben Grund, dem beträchtlichen
Gehalt der Flüssigkeiten des Knorpels, des Krebses und des Eiters an Kochsalz ver-
muthet man, dass es eine wesentliche Rolle in den zur Zellenbildung nöthigen che-

Chlorverbindungen.

C. Kohlensaure Kalkerde findet sich krystallinisch im Laby-
rinth als sogenannte Gehörsteine; dann amorph in den Knochen, Harn,
Speichel, Darmkanal. Dieses in den thierischen Flüssigkeiten schwer
lösliche Salz scheint innerhalb der Knochen dem phosphorsauren Kalk
ähnliche Funktionen zu haben; im Uebrigen liegt seine Bedeutung im
Dunkeln.

D. Kohlensaure Magnesia. Man kennt ihr Vorkommen, nicht
aber ihre Bedeutung.

7. Chlor-Verbindungen.

A. Chlorwasserstoff. Seine Gegenwart im Magensaft, früher
behauptet und geleugnet, wird neuerlichst wieder von C. Schmidt
angenommen. — Die physiologische Wichtigkeit der Salzsäure ist be-
dingt durch ihr Vermögen einige in Wasser unlösliche Eiweiss- und
Leimstoffe in Lösung zu versetzen.

Auf welchem Wege sie aus ihren Salzen im Magen frei gemacht
wird ist unbekannt.

B. Alkalische Chlorsalze. Alle wässerigen thierischen Flüs-
sigkeiten enthalten diese Salze, und zwar kommt überall ein Gemenge
von Kochsalz und Chlorkalium vor, ausgenommen in den Säften, wel-
che in dem Muskelprimitivbündel und dem Blutkörperchen eingeschlos-
sen sind. In diesen beiden Flüssigkeiten soll nur Chlorkalium aber
kein Chlornatrium aufgelöst sein. Der Gehalt an alkalischen Chlorsal-
zen in den normalen Säften übersteigt niemals 0,5 Prozent; in grös-
seren Mengen scheinen diese Salze überall giftig zu wirken.

Die grosse Verbreitung und die, im Vergleich zu andern löslichen
Salzbestandtheilen, grossen Mengen der im Thierleib vorkommenden
alkalischen Chlorsalze machen es wahrscheinlich, dass sie wichtige
Funktionen erfüllen. Die Besonderheiten derselben lassen sich aber
nur vermuthungsweise angeben.

Man hält sie für wichtig: a) als Imbibitionsstoffe; wegen ihrer Löslichkeit und
Diffussionsfähigkeit in das alle Gewebe durchdringende Wasser, gelangen sie selbst
in alle Gewebe. Sie bedingen hier, wie es nach später zu erwähnenden Versuchen
wahrscheinlich ist, einen höheren Elastizitätscoeffizient der Gewebe, und üben durch
Verengerung der Poren zugleich einen Einfluss auf die Art und die Geschwindigkeit
der Diffussion anderer im Wasser aufgelöster Bestandtheile der thierischen Flüs-
sigkeiten. — b) Sie sollen die Löslichkeit einzelner Thierstoffe im Wasser modifi-
ziren, indem sie entweder dieselbe unterstützen, wie die des Caseins, was sich in
Kochsalzwasser auflöst, und des Faserstoffs dessen Gerinnung durch Kochsalzlösung
verhindert wird, oder indem sie die Auflösung hemmen wie die des Blutroths, das sich
in der Blutflüssigkeit bei starker Verdünnung mit Wasser auflöst. — c) Sie sollen
einzelne chemische Umsetzungen erleichtern oder hemmen. So vermuthet man na-
mentlich wegen des grossen Kochsalzgehaltes im Speichel und Magensaft, dass das-
selbe die durch die Verdauungssäfte erzielte Umwandlung der mit der Nahrung auf-
genommenen Nahrungssäfte begünstige (?) und zugleich eine bis zur Fäulniss schrei-
tende Zersetzung desselben verhindere. Aus demselben Grund, dem beträchtlichen
Gehalt der Flüssigkeiten des Knorpels, des Krebses und des Eiters an Kochsalz ver-
muthet man, dass es eine wesentliche Rolle in den zur Zellenbildung nöthigen che-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0034" n="20"/>
        <fw place="top" type="header">Chlorverbindungen.</fw><lb/>
        <p>C. <hi rendition="#g">Kohlensaure Kalkerde</hi> findet sich krystallinisch im Laby-<lb/>
rinth als sogenannte Gehörsteine; dann amorph in den Knochen, Harn,<lb/>
Speichel, Darmkanal. Dieses in den thierischen Flüssigkeiten schwer<lb/>
lösliche Salz scheint innerhalb der Knochen dem phosphorsauren Kalk<lb/>
ähnliche Funktionen zu haben; im Uebrigen liegt seine Bedeutung im<lb/>
Dunkeln.</p><lb/>
        <p>D. <hi rendition="#g">Kohlensaure Magnesia</hi>. Man kennt ihr Vorkommen, nicht<lb/>
aber ihre Bedeutung.</p><lb/>
        <p>7. <hi rendition="#g">Chlor-Verbindungen</hi>.</p><lb/>
        <p>A. <hi rendition="#g">Chlorwasserstoff</hi>. Seine Gegenwart im Magensaft, früher<lb/>
behauptet und geleugnet, wird neuerlichst wieder von C. <hi rendition="#g">Schmidt</hi><lb/>
angenommen. &#x2014; Die physiologische Wichtigkeit der Salzsäure ist be-<lb/>
dingt durch ihr Vermögen einige in Wasser unlösliche Eiweiss- und<lb/>
Leimstoffe in Lösung zu versetzen.</p><lb/>
        <p>Auf welchem Wege sie aus ihren Salzen im Magen frei gemacht<lb/>
wird ist unbekannt.</p><lb/>
        <p>B. <hi rendition="#g">Alkalische Chlorsalze</hi>. Alle wässerigen thierischen Flüs-<lb/>
sigkeiten enthalten diese Salze, und zwar kommt überall ein Gemenge<lb/>
von Kochsalz und Chlorkalium vor, ausgenommen in den Säften, wel-<lb/>
che in dem Muskelprimitivbündel und dem Blutkörperchen eingeschlos-<lb/>
sen sind. In diesen beiden Flüssigkeiten soll nur Chlorkalium aber<lb/>
kein Chlornatrium aufgelöst sein. Der Gehalt an alkalischen Chlorsal-<lb/>
zen in den normalen Säften übersteigt niemals 0,5 Prozent; in grös-<lb/>
seren Mengen scheinen diese Salze überall giftig zu wirken.</p><lb/>
        <p>Die grosse Verbreitung und die, im Vergleich zu andern löslichen<lb/>
Salzbestandtheilen, grossen Mengen der im Thierleib vorkommenden<lb/>
alkalischen Chlorsalze machen es wahrscheinlich, dass sie wichtige<lb/>
Funktionen erfüllen. Die Besonderheiten derselben lassen sich aber<lb/>
nur vermuthungsweise angeben.</p><lb/>
        <p>Man hält sie für wichtig: a) als Imbibitionsstoffe; wegen ihrer Löslichkeit und<lb/>
Diffussionsfähigkeit in das alle Gewebe durchdringende Wasser, gelangen sie selbst<lb/>
in alle Gewebe. Sie bedingen hier, wie es nach später zu erwähnenden Versuchen<lb/>
wahrscheinlich ist, einen höheren Elastizitätscoeffizient der Gewebe, und üben durch<lb/>
Verengerung der Poren zugleich einen Einfluss auf die Art und die Geschwindigkeit<lb/>
der Diffussion anderer im Wasser aufgelöster Bestandtheile der thierischen Flüs-<lb/>
sigkeiten. &#x2014; b) Sie sollen die Löslichkeit einzelner Thierstoffe im Wasser modifi-<lb/>
ziren, indem sie entweder dieselbe unterstützen, wie die des Caseins, was sich in<lb/>
Kochsalzwasser auflöst, und des Faserstoffs dessen Gerinnung durch Kochsalzlösung<lb/>
verhindert wird, oder indem sie die Auflösung hemmen wie die des Blutroths, das sich<lb/>
in der Blutflüssigkeit bei starker Verdünnung mit Wasser auflöst. &#x2014; c) Sie sollen<lb/>
einzelne chemische Umsetzungen erleichtern oder hemmen. So vermuthet man na-<lb/>
mentlich wegen des grossen Kochsalzgehaltes im Speichel und Magensaft, dass das-<lb/>
selbe die durch die Verdauungssäfte erzielte Umwandlung der mit der Nahrung auf-<lb/>
genommenen Nahrungssäfte begünstige (?) und zugleich eine bis zur Fäulniss schrei-<lb/>
tende Zersetzung desselben verhindere. Aus demselben Grund, dem beträchtlichen<lb/>
Gehalt der Flüssigkeiten des Knorpels, des Krebses und des Eiters an Kochsalz ver-<lb/>
muthet man, dass es eine wesentliche Rolle in den zur Zellenbildung nöthigen che-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0034] Chlorverbindungen. C. Kohlensaure Kalkerde findet sich krystallinisch im Laby- rinth als sogenannte Gehörsteine; dann amorph in den Knochen, Harn, Speichel, Darmkanal. Dieses in den thierischen Flüssigkeiten schwer lösliche Salz scheint innerhalb der Knochen dem phosphorsauren Kalk ähnliche Funktionen zu haben; im Uebrigen liegt seine Bedeutung im Dunkeln. D. Kohlensaure Magnesia. Man kennt ihr Vorkommen, nicht aber ihre Bedeutung. 7. Chlor-Verbindungen. A. Chlorwasserstoff. Seine Gegenwart im Magensaft, früher behauptet und geleugnet, wird neuerlichst wieder von C. Schmidt angenommen. — Die physiologische Wichtigkeit der Salzsäure ist be- dingt durch ihr Vermögen einige in Wasser unlösliche Eiweiss- und Leimstoffe in Lösung zu versetzen. Auf welchem Wege sie aus ihren Salzen im Magen frei gemacht wird ist unbekannt. B. Alkalische Chlorsalze. Alle wässerigen thierischen Flüs- sigkeiten enthalten diese Salze, und zwar kommt überall ein Gemenge von Kochsalz und Chlorkalium vor, ausgenommen in den Säften, wel- che in dem Muskelprimitivbündel und dem Blutkörperchen eingeschlos- sen sind. In diesen beiden Flüssigkeiten soll nur Chlorkalium aber kein Chlornatrium aufgelöst sein. Der Gehalt an alkalischen Chlorsal- zen in den normalen Säften übersteigt niemals 0,5 Prozent; in grös- seren Mengen scheinen diese Salze überall giftig zu wirken. Die grosse Verbreitung und die, im Vergleich zu andern löslichen Salzbestandtheilen, grossen Mengen der im Thierleib vorkommenden alkalischen Chlorsalze machen es wahrscheinlich, dass sie wichtige Funktionen erfüllen. Die Besonderheiten derselben lassen sich aber nur vermuthungsweise angeben. Man hält sie für wichtig: a) als Imbibitionsstoffe; wegen ihrer Löslichkeit und Diffussionsfähigkeit in das alle Gewebe durchdringende Wasser, gelangen sie selbst in alle Gewebe. Sie bedingen hier, wie es nach später zu erwähnenden Versuchen wahrscheinlich ist, einen höheren Elastizitätscoeffizient der Gewebe, und üben durch Verengerung der Poren zugleich einen Einfluss auf die Art und die Geschwindigkeit der Diffussion anderer im Wasser aufgelöster Bestandtheile der thierischen Flüs- sigkeiten. — b) Sie sollen die Löslichkeit einzelner Thierstoffe im Wasser modifi- ziren, indem sie entweder dieselbe unterstützen, wie die des Caseins, was sich in Kochsalzwasser auflöst, und des Faserstoffs dessen Gerinnung durch Kochsalzlösung verhindert wird, oder indem sie die Auflösung hemmen wie die des Blutroths, das sich in der Blutflüssigkeit bei starker Verdünnung mit Wasser auflöst. — c) Sie sollen einzelne chemische Umsetzungen erleichtern oder hemmen. So vermuthet man na- mentlich wegen des grossen Kochsalzgehaltes im Speichel und Magensaft, dass das- selbe die durch die Verdauungssäfte erzielte Umwandlung der mit der Nahrung auf- genommenen Nahrungssäfte begünstige (?) und zugleich eine bis zur Fäulniss schrei- tende Zersetzung desselben verhindere. Aus demselben Grund, dem beträchtlichen Gehalt der Flüssigkeiten des Knorpels, des Krebses und des Eiters an Kochsalz ver- muthet man, dass es eine wesentliche Rolle in den zur Zellenbildung nöthigen che-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/34
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/34>, abgerufen am 19.04.2024.