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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Wärmeeigenschaften.
henfolge nach auf X verzeichnet sind, erzeugt wurde. *) -- Vergleicht
man die von gleichen Gewichten 1 g; 1 g bis 2 g; 2 g bis 3 g; u. s. f.
[Abbildung] Fig. 83.
erzeugten Verlängerungen O L', L' L", L"
L'''
u. s. f. so sieht man sogleich, dass eine
gleich grosse Steigerung der Gewichte ei-
nen immer geringern Längenzuwachs er-
zeugt; demnach erhält die Curve eine Krüm-
mung deren Convexität nach oben geht. --
c. Die Ausdehnbarkeit des Muskels nimmt
mit steigender Ermüdung desselben um ein
Geringes zu.

Da die Muskelsubstanz in den verschiedenen Orten des thierischen Körpers einen
ungleichen Gehalt an Binde- und elastischem Gewebe besitzt, so kann der absolute
Werth der oben verzeichneten Ordinate (OL' L' L", u. s. f.) nicht in allgemein giltiger
Weise angegeben werden.

3. Wärmeeigenschaften. Die Temperatur des lebensfähigen,
ruhenden Muskels ist in gewisse Grenzen eingeschlossen; für den
Froschmuskel liegen dieselben ungefähr zwischen -- 3° C bis + 38° C;
tritt der Muskel aus dieser Temperatur heraus, so hat er momentan
entweder seinen lebensfähigen Zustand überhaupt oder seinen ruhen-
den Zustand eingebüsst. -- Aber auch innerhalb dieser Grenzen ist
keineswegs jeder Grad gleich geeignet zur Erhaltung des Muskels;
zahlreiche Erfahrungen haben festgestellt, dass der Muskel, wenn
seine Temperatur dem obern oder untern Werthe der bezeichneten
Grenze sich nähert, unter sonst gleichen Bedingungen rascher seinen
lebensfähigen Zustand einbüsst, als wenn er auf die mehr gegen die
Mitte liegenden Temperaturgrade erwärmt wird.

Daraus geht die Folgerung hervor, dass die freie Wärme sehr be-
stimmend auf das molekuläre Verhalten des Muskels einwirkt; inwie-
fern muss durch weitere Versuche noch ermittelt werden.

Die bis dahin vorliegenden Untersuchungen beschränken sich darauf, die Zeit
zu ermitteln, welche nothwendig ist, damit ein in Wasser von constanter Tempera-
tur liegender Muskel seine Fähigkeit einbüsst, durch einen electrischen Schlag in
Zuckung versetzt zu werden. Diese Versuche, richtig angestellt, geben höchstens
Aufschluss darüber, dass überhaupt dem lebensfähigen ruhenden Muskel eine Nor-
maltemperatur nöthig sei. Vorerst leidet aber auch dieser Aufschluss noch an
schweren Mängeln; denn man hat sich weder überzeugt, wie rasch der schlecht
wärmeleitende Muskel die Temperatur des umgebenden Mediums annimmt; noch ob
das Wasser nicht unabhängig von der Temperatur schädlich sei; noch wieviel in je-
dem Fall auf die Eigenthümlichkeit der Zusammensetzung und auf die von der Tempe-
ratur unabhängige Veränderlichkeit des jeweilig untersuchten Muskels zu schieben
sei. Die wahre Aufgabe besteht nun aber darin, zu ermitteln, wie mit der Tempera-
tur die inneren Zustände des Muskels, ausgedrückt durch die chemische Zusammen-
setzung, die electrischen Ströme, und den Elastizitätscoeffizienten wechseln. Als An-
fänge zu einer solchen Betrachtung sind anzusehen du Bois Untersuchungen über die
Steigerung des parelectronomischen Zustandes am erkalteten (?) und die zeitweise

*) Sie ist nach den Grundzahlen v. Ed. Weber l. c. p. 109 entworfen.
Ludwig, Physiologie I. 21

Wärmeeigenschaften.
henfolge nach auf X verzeichnet sind, erzeugt wurde. *) — Vergleicht
man die von gleichen Gewichten 1 g; 1 g bis 2 g; 2 g bis 3 g; u. s. f.
[Abbildung] Fig. 83.
erzeugten Verlängerungen O L′, L′ L″, L″
L‴
u. s. f. so sieht man sogleich, dass eine
gleich grosse Steigerung der Gewichte ei-
nen immer geringern Längenzuwachs er-
zeugt; demnach erhält die Curve eine Krüm-
mung deren Convexität nach oben geht. —
c. Die Ausdehnbarkeit des Muskels nimmt
mit steigender Ermüdung desselben um ein
Geringes zu.

Da die Muskelsubstanz in den verschiedenen Orten des thierischen Körpers einen
ungleichen Gehalt an Binde- und elastischem Gewebe besitzt, so kann der absolute
Werth der oben verzeichneten Ordinate (OL′ L′ L″, u. s. f.) nicht in allgemein giltiger
Weise angegeben werden.

3. Wärmeeigenschaften. Die Temperatur des lebensfähigen,
ruhenden Muskels ist in gewisse Grenzen eingeschlossen; für den
Froschmuskel liegen dieselben ungefähr zwischen — 3° C bis + 38° C;
tritt der Muskel aus dieser Temperatur heraus, so hat er momentan
entweder seinen lebensfähigen Zustand überhaupt oder seinen ruhen-
den Zustand eingebüsst. — Aber auch innerhalb dieser Grenzen ist
keineswegs jeder Grad gleich geeignet zur Erhaltung des Muskels;
zahlreiche Erfahrungen haben festgestellt, dass der Muskel, wenn
seine Temperatur dem obern oder untern Werthe der bezeichneten
Grenze sich nähert, unter sonst gleichen Bedingungen rascher seinen
lebensfähigen Zustand einbüsst, als wenn er auf die mehr gegen die
Mitte liegenden Temperaturgrade erwärmt wird.

Daraus geht die Folgerung hervor, dass die freie Wärme sehr be-
stimmend auf das molekuläre Verhalten des Muskels einwirkt; inwie-
fern muss durch weitere Versuche noch ermittelt werden.

Die bis dahin vorliegenden Untersuchungen beschränken sich darauf, die Zeit
zu ermitteln, welche nothwendig ist, damit ein in Wasser von constanter Tempera-
tur liegender Muskel seine Fähigkeit einbüsst, durch einen electrischen Schlag in
Zuckung versetzt zu werden. Diese Versuche, richtig angestellt, geben höchstens
Aufschluss darüber, dass überhaupt dem lebensfähigen ruhenden Muskel eine Nor-
maltemperatur nöthig sei. Vorerst leidet aber auch dieser Aufschluss noch an
schweren Mängeln; denn man hat sich weder überzeugt, wie rasch der schlecht
wärmeleitende Muskel die Temperatur des umgebenden Mediums annimmt; noch ob
das Wasser nicht unabhängig von der Temperatur schädlich sei; noch wieviel in je-
dem Fall auf die Eigenthümlichkeit der Zusammensetzung und auf die von der Tempe-
ratur unabhängige Veränderlichkeit des jeweilig untersuchten Muskels zu schieben
sei. Die wahre Aufgabe besteht nun aber darin, zu ermitteln, wie mit der Tempera-
tur die inneren Zustände des Muskels, ausgedrückt durch die chemische Zusammen-
setzung, die electrischen Ströme, und den Elastizitätscoeffizienten wechseln. Als An-
fänge zu einer solchen Betrachtung sind anzusehen du Bois Untersuchungen über die
Steigerung des parelectronomischen Zustandes am erkalteten (?) und die zeitweise

*) Sie ist nach den Grundzahlen v. Ed. Weber l. c. p. 109 entworfen.
Ludwig, Physiologie I. 21
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[321/0335] Wärmeeigenschaften. henfolge nach auf X verzeichnet sind, erzeugt wurde. *) — Vergleicht man die von gleichen Gewichten 1 g; 1 g bis 2 g; 2 g bis 3 g; u. s. f. [Abbildung Fig. 83.] erzeugten Verlängerungen O L′, L′ L″, L″ L‴ u. s. f. so sieht man sogleich, dass eine gleich grosse Steigerung der Gewichte ei- nen immer geringern Längenzuwachs er- zeugt; demnach erhält die Curve eine Krüm- mung deren Convexität nach oben geht. — c. Die Ausdehnbarkeit des Muskels nimmt mit steigender Ermüdung desselben um ein Geringes zu. Da die Muskelsubstanz in den verschiedenen Orten des thierischen Körpers einen ungleichen Gehalt an Binde- und elastischem Gewebe besitzt, so kann der absolute Werth der oben verzeichneten Ordinate (OL′ L′ L″, u. s. f.) nicht in allgemein giltiger Weise angegeben werden. 3. Wärmeeigenschaften. Die Temperatur des lebensfähigen, ruhenden Muskels ist in gewisse Grenzen eingeschlossen; für den Froschmuskel liegen dieselben ungefähr zwischen — 3° C bis + 38° C; tritt der Muskel aus dieser Temperatur heraus, so hat er momentan entweder seinen lebensfähigen Zustand überhaupt oder seinen ruhen- den Zustand eingebüsst. — Aber auch innerhalb dieser Grenzen ist keineswegs jeder Grad gleich geeignet zur Erhaltung des Muskels; zahlreiche Erfahrungen haben festgestellt, dass der Muskel, wenn seine Temperatur dem obern oder untern Werthe der bezeichneten Grenze sich nähert, unter sonst gleichen Bedingungen rascher seinen lebensfähigen Zustand einbüsst, als wenn er auf die mehr gegen die Mitte liegenden Temperaturgrade erwärmt wird. Daraus geht die Folgerung hervor, dass die freie Wärme sehr be- stimmend auf das molekuläre Verhalten des Muskels einwirkt; inwie- fern muss durch weitere Versuche noch ermittelt werden. Die bis dahin vorliegenden Untersuchungen beschränken sich darauf, die Zeit zu ermitteln, welche nothwendig ist, damit ein in Wasser von constanter Tempera- tur liegender Muskel seine Fähigkeit einbüsst, durch einen electrischen Schlag in Zuckung versetzt zu werden. Diese Versuche, richtig angestellt, geben höchstens Aufschluss darüber, dass überhaupt dem lebensfähigen ruhenden Muskel eine Nor- maltemperatur nöthig sei. Vorerst leidet aber auch dieser Aufschluss noch an schweren Mängeln; denn man hat sich weder überzeugt, wie rasch der schlecht wärmeleitende Muskel die Temperatur des umgebenden Mediums annimmt; noch ob das Wasser nicht unabhängig von der Temperatur schädlich sei; noch wieviel in je- dem Fall auf die Eigenthümlichkeit der Zusammensetzung und auf die von der Tempe- ratur unabhängige Veränderlichkeit des jeweilig untersuchten Muskels zu schieben sei. Die wahre Aufgabe besteht nun aber darin, zu ermitteln, wie mit der Tempera- tur die inneren Zustände des Muskels, ausgedrückt durch die chemische Zusammen- setzung, die electrischen Ströme, und den Elastizitätscoeffizienten wechseln. Als An- fänge zu einer solchen Betrachtung sind anzusehen du Bois Untersuchungen über die Steigerung des parelectronomischen Zustandes am erkalteten (?) und die zeitweise *) Sie ist nach den Grundzahlen v. Ed. Weber l. c. p. 109 entworfen. Ludwig, Physiologie I. 21

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/335>, abgerufen am 19.04.2024.