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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Eustachische Röhre. Schallleitung durch die Kopfknochen.
lichen Körperchen bestreut ist, die in einem gut geschützten Raume eingebettet ihrer
Anheftung gemäss immer in dieselbe Lagerung zurückkehren, so müssen sie ähn-
liche Wirkungen erzeugen, als wir sie gewahren, wenn wir Sand auf eine Platte
streuen, die in Schwingungen geräth; es müssen sich nämlich, gleichgiltig ob Beu-
gungs- oder Verdichtungswellen in der Spiralplatte bestehen, die Körperchen der
habenula denticulata abheben; durch Vergrösserung des Weges der schwingenden
Theilchen wird demnach die Zeitdauer des Verweilens der Schwingung in der Spi-
ralplatte verlängert werden; Corti. Verfehlt ist dagegen die Meinung von Har-
less
*), welcher die freischwebenden Körper als Dämpfer ansieht; sie würden die-
ses nur sein können, wenn sie mit irgend welchen Theilen ausserhalb des Ohres in
direkter Verbindung ständen, so dass sie dorthin die von der Spiralplatte empfangene
Bewegung übertragen könnten. -- Die Gegenwart des Gehörwassers suchte J. Müller
aus dem flüssigen Nerveninhalt begreiflich zu machen; er dachte sich, dass die im
Wasser vorhandene Schwingung in das Nervenmark, als in ein homogenes Mittel
besonders leicht und vollkommen übertrete. Diese Hypothese würde annehmbar
sein, wenn der Nerveninhalt nur Nervenmark wäre und dieser Inhalt das Wasser ohne
ein zwischen liegendes heterogenes Mittel (die Scheide) berührte; denn nur in diesem
Falle würden die Wellen des Wassers ungestört eingehen. -- Anderweitige Annahmen
über die akustische Funktion des Labyrinths siehe bei J. Müller.

Ueber die merkwürdigen Aquaeductus, die man mit Unrecht als
abgethan ansieht, vergleiche die Literatur bei Huschke, Eingeweide-
lehre, p. 872. Anmerkung.

4. Eustachische Röhre.

Um Spielraum für die Bewegungen der Felle vor dem Trommelring,
vor dem runden Fenster und für die Gehörknöchelchen zu gewin-
nen, mussten alle diese Theile in eine Substanzlücke, die Trommel-
höhle gestellt werden. Diese Höhlung, die mit Luft gefüllt ist und
deren Wände mit gashaltigen Flüssigkeiten getränkt sind, ist bekannt-
lich durch die Trompete mit der Atmosphäre in Verbindung gesetzt.
Die Folgen dieser Verbindung lassen sich kurz dahin bestimmen, dass
a) die Luft ausserhalb keine andere Spannung erhalten kann als inner-
halb, eine Verschiedenheit, welche ohne diese Communikation eintre-
ten würde bei Veränderungen in der Zusammensetzung der Gase
des Blutes, in dem Barometerstande der Atmosphäre und bei Bewegun-
gen des Trommelfells durch den Hammer. Wie oben erwähnt würden
solche Veränderungen in der Spannung einen Wechsel in der Fähig-
keit des Trommelfells Töne aufzunehmen herbeiführen, mit andern
Worten die Empfindlichkeit des Ohrs einem stetigen Schwanken unter-
worfen sein. b) Aber selbst unter Voraussetzung gleicher Dichtigkeit
der Luft aussen und innen, würde bei mangelnder Communikation
zwischen Trommelhöhle und Atmosphäre jede Art von Bewegung des
Trommelfells erschwert werden, wegen der steigenden Verdichtung
oder Verdünnung der Luft. Dann würden sowohl die Wirkungen des
Hammermuskels als auch der Uebergang der Schallwellen in das
Trommelfell, die hier neben einer Verdichtung immer auch eine Beu-
gung hervorrufen, eine Hemmung erfahren haben.

*) Harless, Artikel Hören in Wagners Handwörterbuch. IV. Bd. 447.

Eustachische Röhre. Schallleitung durch die Kopfknochen.
lichen Körperchen bestreut ist, die in einem gut geschützten Raume eingebettet ihrer
Anheftung gemäss immer in dieselbe Lagerung zurückkehren, so müssen sie ähn-
liche Wirkungen erzeugen, als wir sie gewahren, wenn wir Sand auf eine Platte
streuen, die in Schwingungen geräth; es müssen sich nämlich, gleichgiltig ob Beu-
gungs- oder Verdichtungswellen in der Spiralplatte bestehen, die Körperchen der
habenula denticulata abheben; durch Vergrösserung des Weges der schwingenden
Theilchen wird demnach die Zeitdauer des Verweilens der Schwingung in der Spi-
ralplatte verlängert werden; Corti. Verfehlt ist dagegen die Meinung von Har-
less
*), welcher die freischwebenden Körper als Dämpfer ansieht; sie würden die-
ses nur sein können, wenn sie mit irgend welchen Theilen ausserhalb des Ohres in
direkter Verbindung ständen, so dass sie dorthin die von der Spiralplatte empfangene
Bewegung übertragen könnten. — Die Gegenwart des Gehörwassers suchte J. Müller
aus dem flüssigen Nerveninhalt begreiflich zu machen; er dachte sich, dass die im
Wasser vorhandene Schwingung in das Nervenmark, als in ein homogenes Mittel
besonders leicht und vollkommen übertrete. Diese Hypothese würde annehmbar
sein, wenn der Nerveninhalt nur Nervenmark wäre und dieser Inhalt das Wasser ohne
ein zwischen liegendes heterogenes Mittel (die Scheide) berührte; denn nur in diesem
Falle würden die Wellen des Wassers ungestört eingehen. — Anderweitige Annahmen
über die akustische Funktion des Labyrinths siehe bei J. Müller.

Ueber die merkwürdigen Aquaeductus, die man mit Unrecht als
abgethan ansieht, vergleiche die Literatur bei Huschke, Eingeweide-
lehre, p. 872. Anmerkung.

4. Eustachische Röhre.

Um Spielraum für die Bewegungen der Felle vor dem Trommelring,
vor dem runden Fenster und für die Gehörknöchelchen zu gewin-
nen, mussten alle diese Theile in eine Substanzlücke, die Trommel-
höhle gestellt werden. Diese Höhlung, die mit Luft gefüllt ist und
deren Wände mit gashaltigen Flüssigkeiten getränkt sind, ist bekannt-
lich durch die Trompete mit der Atmosphäre in Verbindung gesetzt.
Die Folgen dieser Verbindung lassen sich kurz dahin bestimmen, dass
a) die Luft ausserhalb keine andere Spannung erhalten kann als inner-
halb, eine Verschiedenheit, welche ohne diese Communikation eintre-
ten würde bei Veränderungen in der Zusammensetzung der Gase
des Blutes, in dem Barometerstande der Atmosphäre und bei Bewegun-
gen des Trommelfells durch den Hammer. Wie oben erwähnt würden
solche Veränderungen in der Spannung einen Wechsel in der Fähig-
keit des Trommelfells Töne aufzunehmen herbeiführen, mit andern
Worten die Empfindlichkeit des Ohrs einem stetigen Schwanken unter-
worfen sein. b) Aber selbst unter Voraussetzung gleicher Dichtigkeit
der Luft aussen und innen, würde bei mangelnder Communikation
zwischen Trommelhöhle und Atmosphäre jede Art von Bewegung des
Trommelfells erschwert werden, wegen der steigenden Verdichtung
oder Verdünnung der Luft. Dann würden sowohl die Wirkungen des
Hammermuskels als auch der Uebergang der Schallwellen in das
Trommelfell, die hier neben einer Verdichtung immer auch eine Beu-
gung hervorrufen, eine Hemmung erfahren haben.

*) Harless, Artikel Hören in Wagners Handwörterbuch. IV. Bd. 447.
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[278/0292] Eustachische Röhre. Schallleitung durch die Kopfknochen. lichen Körperchen bestreut ist, die in einem gut geschützten Raume eingebettet ihrer Anheftung gemäss immer in dieselbe Lagerung zurückkehren, so müssen sie ähn- liche Wirkungen erzeugen, als wir sie gewahren, wenn wir Sand auf eine Platte streuen, die in Schwingungen geräth; es müssen sich nämlich, gleichgiltig ob Beu- gungs- oder Verdichtungswellen in der Spiralplatte bestehen, die Körperchen der habenula denticulata abheben; durch Vergrösserung des Weges der schwingenden Theilchen wird demnach die Zeitdauer des Verweilens der Schwingung in der Spi- ralplatte verlängert werden; Corti. Verfehlt ist dagegen die Meinung von Har- less *), welcher die freischwebenden Körper als Dämpfer ansieht; sie würden die- ses nur sein können, wenn sie mit irgend welchen Theilen ausserhalb des Ohres in direkter Verbindung ständen, so dass sie dorthin die von der Spiralplatte empfangene Bewegung übertragen könnten. — Die Gegenwart des Gehörwassers suchte J. Müller aus dem flüssigen Nerveninhalt begreiflich zu machen; er dachte sich, dass die im Wasser vorhandene Schwingung in das Nervenmark, als in ein homogenes Mittel besonders leicht und vollkommen übertrete. Diese Hypothese würde annehmbar sein, wenn der Nerveninhalt nur Nervenmark wäre und dieser Inhalt das Wasser ohne ein zwischen liegendes heterogenes Mittel (die Scheide) berührte; denn nur in diesem Falle würden die Wellen des Wassers ungestört eingehen. — Anderweitige Annahmen über die akustische Funktion des Labyrinths siehe bei J. Müller. Ueber die merkwürdigen Aquaeductus, die man mit Unrecht als abgethan ansieht, vergleiche die Literatur bei Huschke, Eingeweide- lehre, p. 872. Anmerkung. 4. Eustachische Röhre. Um Spielraum für die Bewegungen der Felle vor dem Trommelring, vor dem runden Fenster und für die Gehörknöchelchen zu gewin- nen, mussten alle diese Theile in eine Substanzlücke, die Trommel- höhle gestellt werden. Diese Höhlung, die mit Luft gefüllt ist und deren Wände mit gashaltigen Flüssigkeiten getränkt sind, ist bekannt- lich durch die Trompete mit der Atmosphäre in Verbindung gesetzt. Die Folgen dieser Verbindung lassen sich kurz dahin bestimmen, dass a) die Luft ausserhalb keine andere Spannung erhalten kann als inner- halb, eine Verschiedenheit, welche ohne diese Communikation eintre- ten würde bei Veränderungen in der Zusammensetzung der Gase des Blutes, in dem Barometerstande der Atmosphäre und bei Bewegun- gen des Trommelfells durch den Hammer. Wie oben erwähnt würden solche Veränderungen in der Spannung einen Wechsel in der Fähig- keit des Trommelfells Töne aufzunehmen herbeiführen, mit andern Worten die Empfindlichkeit des Ohrs einem stetigen Schwanken unter- worfen sein. b) Aber selbst unter Voraussetzung gleicher Dichtigkeit der Luft aussen und innen, würde bei mangelnder Communikation zwischen Trommelhöhle und Atmosphäre jede Art von Bewegung des Trommelfells erschwert werden, wegen der steigenden Verdichtung oder Verdünnung der Luft. Dann würden sowohl die Wirkungen des Hammermuskels als auch der Uebergang der Schallwellen in das Trommelfell, die hier neben einer Verdichtung immer auch eine Beu- gung hervorrufen, eine Hemmung erfahren haben. *) Harless, Artikel Hören in Wagners Handwörterbuch. IV. Bd. 447.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/292>, abgerufen am 29.03.2024.