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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Schallleitung in das Labyrinth.
dünnungswellen geleitet würden, die in das Labyrinthwasser auch als
solche übergingen; beurtheilt man diese letztere Art der Leitung nach
den von Duhamel *) für ähnliche akustische Einrichtungen ermittel-
ten Grundsätzen, so wird durch die aus dem Trommelfell in den Ham-
mer eindringenden Wellen der letztere in zwei verschiedene
Schwingungsperioden versetzt werden. Die eine derselben ist ab-
hängig von der Spannung der in der Hammersubstanz enthaltenen
Theilchen, d. h. sie stellt den Eigenton des Hammers dar; die zweite
ist dagegen gleich derjenigen, welche dem Hammer vom Trommelfell
mitgetheilt wurde; erst bei hinreichend langer Dauer dieser letztern
würde die erste Bewegung verschwinden. Aehnlich dürfte sich der
Hammer zum Ambos und dieser zum Steigbügel verhalten.

Die Weber'sche Annahme scheint die wahrscheinlichere von
beiden; jedenfalls sind wenigstens die Bedingungen so gestaltet, dass
die von ihm beschriebene Bewegungsübertragung Statt finden muss.

Die besondere Lagerung der Gehörknöchelchen in der Trommelhöhle, vermöge
deren sie nur an wenigen Stellen mit der festen Wandung derselben in Berührung
sind, betrachtet Joh. Müller, welcher der zweiten der im Text erwähnten Ansich-
ten über Mittheilung der Schallbewegung anhängt, als ein Mittel, um die Schallbe-
wegung zu isoliren, da an den Grenzen zwischen Luft und festem Körper der Schall
bekanntlich reflektirt wird. Dieser Annahme widerspricht aber die mannigfache Be-
rührung zwischen den Gehörknöchelchen und der Trommelhöhle.

Auf eine andere Bedeutung der beweglichen Knochenkette in ihrer
Verbindung mit dem Trommelfell ist schon hingewiesen, als die Ein-
flüsse der Trommelfellspannung besprochen wurden.

3. Labyrinth **).

Die Form der vom Steigbügel an das Labyrinth übertragenen
Schallwelle, wird wiederum bald als gebeugte und bald als verdich-
tete angesehen. -- Ed. Weber, der die erstere dieser Meinungen auf-
gestellt hat, macht darauf aufmerksam, dass am Labyrinthwasser die
Bildung einer Beugungswelle gestattet sei, weil dasselbe nicht von ab-
solut unnachgiebigen Wänden umgeben ist, indem die Oeffnung für den
Steigbügel am runden Fenster ein Gegenloch findet; nach Ed. Weber
wird also durch den Stoss der im Ganzen bewegten Gehörknöchel-
chen die eiförmige Membran in das Wasser des Vorhofs gedrängt, und
von hier die Ortsbewegung der Wassertheilchen fortgepflanzt durch die
Schnecke bis zu der Membran des runden Fensters, welche dadurch
eine entsprechende Ausbiegung erfährt. -- Nach der andern Ansicht ver-
dichten die in den Knöchelchen vorhandenen Bewegungen die klein-
sten Theilchen der Masse der Membran und diese ihrerseits wieder
diejenigen des Wassers; die Membran soll auch hier vermittelnd

*) Compt. rend. XV. 1.
**) E. H. Weber, Gesammelte Programme 1. Bd. Leipzig 1834. p. 25 de utilitate eochleae in organ.
aud. -- Joh. Müller, Handbuch der Physiol. II. Bd. p. 459. -- Ed. Weber l. c. und Berichte
der Naturforscher-Versammlung zu Braunschweig.

Schallleitung in das Labyrinth.
dünnungswellen geleitet würden, die in das Labyrinthwasser auch als
solche übergingen; beurtheilt man diese letztere Art der Leitung nach
den von Duhamel *) für ähnliche akustische Einrichtungen ermittel-
ten Grundsätzen, so wird durch die aus dem Trommelfell in den Ham-
mer eindringenden Wellen der letztere in zwei verschiedene
Schwingungsperioden versetzt werden. Die eine derselben ist ab-
hängig von der Spannung der in der Hammersubstanz enthaltenen
Theilchen, d. h. sie stellt den Eigenton des Hammers dar; die zweite
ist dagegen gleich derjenigen, welche dem Hammer vom Trommelfell
mitgetheilt wurde; erst bei hinreichend langer Dauer dieser letztern
würde die erste Bewegung verschwinden. Aehnlich dürfte sich der
Hammer zum Ambos und dieser zum Steigbügel verhalten.

Die Weber’sche Annahme scheint die wahrscheinlichere von
beiden; jedenfalls sind wenigstens die Bedingungen so gestaltet, dass
die von ihm beschriebene Bewegungsübertragung Statt finden muss.

Die besondere Lagerung der Gehörknöchelchen in der Trommelhöhle, vermöge
deren sie nur an wenigen Stellen mit der festen Wandung derselben in Berührung
sind, betrachtet Joh. Müller, welcher der zweiten der im Text erwähnten Ansich-
ten über Mittheilung der Schallbewegung anhängt, als ein Mittel, um die Schallbe-
wegung zu isoliren, da an den Grenzen zwischen Luft und festem Körper der Schall
bekanntlich reflektirt wird. Dieser Annahme widerspricht aber die mannigfache Be-
rührung zwischen den Gehörknöchelchen und der Trommelhöhle.

Auf eine andere Bedeutung der beweglichen Knochenkette in ihrer
Verbindung mit dem Trommelfell ist schon hingewiesen, als die Ein-
flüsse der Trommelfellspannung besprochen wurden.

3. Labyrinth **).

Die Form der vom Steigbügel an das Labyrinth übertragenen
Schallwelle, wird wiederum bald als gebeugte und bald als verdich-
tete angesehen. — Ed. Weber, der die erstere dieser Meinungen auf-
gestellt hat, macht darauf aufmerksam, dass am Labyrinthwasser die
Bildung einer Beugungswelle gestattet sei, weil dasselbe nicht von ab-
solut unnachgiebigen Wänden umgeben ist, indem die Oeffnung für den
Steigbügel am runden Fenster ein Gegenloch findet; nach Ed. Weber
wird also durch den Stoss der im Ganzen bewegten Gehörknöchel-
chen die eiförmige Membran in das Wasser des Vorhofs gedrängt, und
von hier die Ortsbewegung der Wassertheilchen fortgepflanzt durch die
Schnecke bis zu der Membran des runden Fensters, welche dadurch
eine entsprechende Ausbiegung erfährt. — Nach der andern Ansicht ver-
dichten die in den Knöchelchen vorhandenen Bewegungen die klein-
sten Theilchen der Masse der Membran und diese ihrerseits wieder
diejenigen des Wassers; die Membran soll auch hier vermittelnd

*) Compt. rend. XV. 1.
**) E. H. Weber, Gesammelte Programme 1. Bd. Leipzig 1834. p. 25 de utilitate eochleæ in organ.
aud. — Joh. Müller, Handbuch der Physiol. II. Bd. p. 459. — Ed. Weber l. c. und Berichte
der Naturforscher-Versammlung zu Braunschweig.
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[276/0290] Schallleitung in das Labyrinth. dünnungswellen geleitet würden, die in das Labyrinthwasser auch als solche übergingen; beurtheilt man diese letztere Art der Leitung nach den von Duhamel *) für ähnliche akustische Einrichtungen ermittel- ten Grundsätzen, so wird durch die aus dem Trommelfell in den Ham- mer eindringenden Wellen der letztere in zwei verschiedene Schwingungsperioden versetzt werden. Die eine derselben ist ab- hängig von der Spannung der in der Hammersubstanz enthaltenen Theilchen, d. h. sie stellt den Eigenton des Hammers dar; die zweite ist dagegen gleich derjenigen, welche dem Hammer vom Trommelfell mitgetheilt wurde; erst bei hinreichend langer Dauer dieser letztern würde die erste Bewegung verschwinden. Aehnlich dürfte sich der Hammer zum Ambos und dieser zum Steigbügel verhalten. Die Weber’sche Annahme scheint die wahrscheinlichere von beiden; jedenfalls sind wenigstens die Bedingungen so gestaltet, dass die von ihm beschriebene Bewegungsübertragung Statt finden muss. Die besondere Lagerung der Gehörknöchelchen in der Trommelhöhle, vermöge deren sie nur an wenigen Stellen mit der festen Wandung derselben in Berührung sind, betrachtet Joh. Müller, welcher der zweiten der im Text erwähnten Ansich- ten über Mittheilung der Schallbewegung anhängt, als ein Mittel, um die Schallbe- wegung zu isoliren, da an den Grenzen zwischen Luft und festem Körper der Schall bekanntlich reflektirt wird. Dieser Annahme widerspricht aber die mannigfache Be- rührung zwischen den Gehörknöchelchen und der Trommelhöhle. Auf eine andere Bedeutung der beweglichen Knochenkette in ihrer Verbindung mit dem Trommelfell ist schon hingewiesen, als die Ein- flüsse der Trommelfellspannung besprochen wurden. 3. Labyrinth **). Die Form der vom Steigbügel an das Labyrinth übertragenen Schallwelle, wird wiederum bald als gebeugte und bald als verdich- tete angesehen. — Ed. Weber, der die erstere dieser Meinungen auf- gestellt hat, macht darauf aufmerksam, dass am Labyrinthwasser die Bildung einer Beugungswelle gestattet sei, weil dasselbe nicht von ab- solut unnachgiebigen Wänden umgeben ist, indem die Oeffnung für den Steigbügel am runden Fenster ein Gegenloch findet; nach Ed. Weber wird also durch den Stoss der im Ganzen bewegten Gehörknöchel- chen die eiförmige Membran in das Wasser des Vorhofs gedrängt, und von hier die Ortsbewegung der Wassertheilchen fortgepflanzt durch die Schnecke bis zu der Membran des runden Fensters, welche dadurch eine entsprechende Ausbiegung erfährt. — Nach der andern Ansicht ver- dichten die in den Knöchelchen vorhandenen Bewegungen die klein- sten Theilchen der Masse der Membran und diese ihrerseits wieder diejenigen des Wassers; die Membran soll auch hier vermittelnd *) Compt. rend. XV. 1. **) E. H. Weber, Gesammelte Programme 1. Bd. Leipzig 1834. p. 25 de utilitate eochleæ in organ. aud. — Joh. Müller, Handbuch der Physiol. II. Bd. p. 459. — Ed. Weber l. c. und Berichte der Naturforscher-Versammlung zu Braunschweig.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/290>, abgerufen am 19.04.2024.