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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Zugeordnete Netzhautstellen. Horopter.
Stellen zweier Augen, welche die Ursache ihrer Erregung in densel-
ben Orten zu finden glauben, nennt man identische, oder zugeordnete.

Die Lage der zugeordneten Stellen der beiden Sehhäute hat man auf zwei ver-
schiedenen Wegen auszumitteln gesucht.

1) Auflösung der Aufgabe mittelst der Horopterfläche. Wenn wir die beiden Augen
in einer bestimmten Stellung festhalten und unsere Aufmerksamkeit auf alle die
leuchtenden Punkte richten, welche in beiden Augen ein Bild entwerfen, so gewah-
ren wir bald, dass nur ein kleiner Theil dieser im Raume einfachen Körper
auch wirklich einfach gesehen wird; diejenige Fläche, welche nun sämmtliche im
Raume liegenden Punkte miteinander verbindet, die bei unverrückter Augenstellung
trotz ihrer Abbildung in beiden Augen einfach gesehen werden, ist die Horopterfläche.
Da nun offenbar die in der Horopterfläche gelegenen leuchtenden Punkte ihr Bild auf
identische Netzhautstellen werfen, so muss sic hdie Lage dieser letztern ermitteln las-
sen, wenn man irgend eine Horopterfläche und die zu dieser gehörige Augenstellung
kennt. Nachdem die Lage der identischen Netzhautstellen zu dem Horopter festge-
stellt ist, muss dann noch der Ausdruck für dieselben so geformt werden, dass sie auch
unabhängig von irgend welchem Horopter angegeben werden kann. Wir werden im
folgenden dieses Verfahren erläutern, wobei wir beispielsweise mit Joh. Müller vor-

[Abbildung] Fig. 63.
aussetzen, es sei der Horopter eine Kugelschale. Gesetzt, es sei in Fig. 63 H O' P ein
Durchschnitt des Horopters und es stellen A A' die Drehungsmittelpunkte, B, B' die zu
einem einzigen zusammengelegten Knotenpunkte, B' O, B O die Durchschnitte der Kno-
tenebenen, und endlich D' O', D O' die Sehachsen beider Augen vor. In diesem Falle
wird O' seine Bilder auf D und D' und ein anderer beliebiger Punkt P des Horopters
seine Bilder auf Q, und Q' werfen; daraus ergibt sich sogleich, dass diese Punkte
beider Retinae einander zugeordnet sind.

Es handelt sich also nur noch darum, die Angabe über die Lage von D, D, Q und
Q' so einzurichten, dass es ermöglicht werde, die Punkte wieder aufzufinden, auch
wenn nur das Auge gegeben ist. -- Für D und D' findet sich der Ausdruck sogleich

Zugeordnete Netzhautstellen. Horopter.
Stellen zweier Augen, welche die Ursache ihrer Erregung in densel-
ben Orten zu finden glauben, nennt man identische, oder zugeordnete.

Die Lage der zugeordneten Stellen der beiden Sehhäute hat man auf zwei ver-
schiedenen Wegen auszumitteln gesucht.

1) Auflösung der Aufgabe mittelst der Horopterfläche. Wenn wir die beiden Augen
in einer bestimmten Stellung festhalten und unsere Aufmerksamkeit auf alle die
leuchtenden Punkte richten, welche in beiden Augen ein Bild entwerfen, so gewah-
ren wir bald, dass nur ein kleiner Theil dieser im Raume einfachen Körper
auch wirklich einfach gesehen wird; diejenige Fläche, welche nun sämmtliche im
Raume liegenden Punkte miteinander verbindet, die bei unverrückter Augenstellung
trotz ihrer Abbildung in beiden Augen einfach gesehen werden, ist die Horopterfläche.
Da nun offenbar die in der Horopterfläche gelegenen leuchtenden Punkte ihr Bild auf
identische Netzhautstellen werfen, so muss sic hdie Lage dieser letztern ermitteln las-
sen, wenn man irgend eine Horopterfläche und die zu dieser gehörige Augenstellung
kennt. Nachdem die Lage der identischen Netzhautstellen zu dem Horopter festge-
stellt ist, muss dann noch der Ausdruck für dieselben so geformt werden, dass sie auch
unabhängig von irgend welchem Horopter angegeben werden kann. Wir werden im
folgenden dieses Verfahren erläutern, wobei wir beispielsweise mit Joh. Müller vor-

[Abbildung] Fig. 63.
aussetzen, es sei der Horopter eine Kugelschale. Gesetzt, es sei in Fig. 63 H O′ P ein
Durchschnitt des Horopters und es stellen A A′ die Drehungsmittelpunkte, B, B′ die zu
einem einzigen zusammengelegten Knotenpunkte, B′ O, B O die Durchschnitte der Kno-
tenebenen, und endlich D′ O′, D O′ die Sehachsen beider Augen vor. In diesem Falle
wird O′ seine Bilder auf D und D′ und ein anderer beliebiger Punkt P des Horopters
seine Bilder auf Q, und Q′ werfen; daraus ergibt sich sogleich, dass diese Punkte
beider Retinae einander zugeordnet sind.

Es handelt sich also nur noch darum, die Angabe über die Lage von D, D, Q und
Q′ so einzurichten, dass es ermöglicht werde, die Punkte wieder aufzufinden, auch
wenn nur das Auge gegeben ist. — Für D und D′ findet sich der Ausdruck sogleich

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[245/0259] Zugeordnete Netzhautstellen. Horopter. Stellen zweier Augen, welche die Ursache ihrer Erregung in densel- ben Orten zu finden glauben, nennt man identische, oder zugeordnete. Die Lage der zugeordneten Stellen der beiden Sehhäute hat man auf zwei ver- schiedenen Wegen auszumitteln gesucht. 1) Auflösung der Aufgabe mittelst der Horopterfläche. Wenn wir die beiden Augen in einer bestimmten Stellung festhalten und unsere Aufmerksamkeit auf alle die leuchtenden Punkte richten, welche in beiden Augen ein Bild entwerfen, so gewah- ren wir bald, dass nur ein kleiner Theil dieser im Raume einfachen Körper auch wirklich einfach gesehen wird; diejenige Fläche, welche nun sämmtliche im Raume liegenden Punkte miteinander verbindet, die bei unverrückter Augenstellung trotz ihrer Abbildung in beiden Augen einfach gesehen werden, ist die Horopterfläche. Da nun offenbar die in der Horopterfläche gelegenen leuchtenden Punkte ihr Bild auf identische Netzhautstellen werfen, so muss sic hdie Lage dieser letztern ermitteln las- sen, wenn man irgend eine Horopterfläche und die zu dieser gehörige Augenstellung kennt. Nachdem die Lage der identischen Netzhautstellen zu dem Horopter festge- stellt ist, muss dann noch der Ausdruck für dieselben so geformt werden, dass sie auch unabhängig von irgend welchem Horopter angegeben werden kann. Wir werden im folgenden dieses Verfahren erläutern, wobei wir beispielsweise mit Joh. Müller vor- [Abbildung Fig. 63.] aussetzen, es sei der Horopter eine Kugelschale. Gesetzt, es sei in Fig. 63 H O′ P ein Durchschnitt des Horopters und es stellen A A′ die Drehungsmittelpunkte, B, B′ die zu einem einzigen zusammengelegten Knotenpunkte, B′ O, B O die Durchschnitte der Kno- tenebenen, und endlich D′ O′, D O′ die Sehachsen beider Augen vor. In diesem Falle wird O′ seine Bilder auf D und D′ und ein anderer beliebiger Punkt P des Horopters seine Bilder auf Q, und Q′ werfen; daraus ergibt sich sogleich, dass diese Punkte beider Retinae einander zugeordnet sind. Es handelt sich also nur noch darum, die Angabe über die Lage von D, D, Q und Q′ so einzurichten, dass es ermöglicht werde, die Punkte wieder aufzufinden, auch wenn nur das Auge gegeben ist. — Für D und D′ findet sich der Ausdruck sogleich

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/259>, abgerufen am 29.03.2024.