Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite
Lage des Nähe- und Fernpunktes.

Werden nun auch in diesem Strahlenkegel durch den Schirm S S in der früheren
Weise die mittleren Strahlen abgehalten, so werden sich bei C auch nur zwei Strah-
lenbüschel kreuzen können, welche bei 3 und 4 die Retina erleuchten. Die beiden
vorgeführten Fälle unterscheiden sich darin voneinander, dass in dem ersteren
die Bilder auf der Retina entsprechend den Oeffnungen vor dem Auge liegen, wäh-
rend sie in dem zweiten gekreuzt sich finden, so dass das auf der Retina untere Bild
von den Strahlen herrührt, die durch die obere Oeffnung des Schirmes fielen und
umgekehrt. -- Liegt aber endlich der Leuchtpunkt A in einer solchen Entfernung,
dass der Kreuzungspunkt seiner das Auge treffenden Strahlen auf die Retina fällt,
so kann begreiflich durch Einschiebung eines Schirmes, der einen Theil dieser Strah-
len abhält, keine andere Folge erzeugt werden als die, dass das Bild auf der Retina
lichtschwächer erscheint.

Die Weite des deutlichen Sehens sowohl, als die Lage der Gren-
zen zum Auge erweisst sich nun verschieden, je nach mannigfachen
Umständen. Namentlich aber ist a) das Auge niemals gleichzeitig für
die in der horizontalen und vertikalen Ebene verlaufenden Strahlen
eingestellt. Diese von Ad. Fick *) festgestellte Thatsache findet ihre
Begründung darin, dass die in der vertikalen Ebene liegenden Krüm-
mungshalbmesser der brechenden Flächen andere sind als die in der
horizontalen Ebene vorkommenden. Nach Ad. Fick sind die Augen ge-
wöhnlich für die Strahlen der horizontalen Ebene eingestellt. --
b) Wenn das Auge für die Strahlen eingestellt ist, welche auf den
mittleren Theil der Cornea fallen, so vereinigen sich auf der Retina
die Randstrahlen der Cornea nicht, Moser **). Diese Erscheinung fin-
det ihren Grund in der sphärischen Aberration. -- c) Der Nähepunkt
rückt nach H. Meyer ***) an das Auge um einige Millimeter heran,
wenn man dasselbe von aussen nach innen richtet. Auf die möglichen
Gründe dieser Erscheinung werden wir alsbald eingehen. d) Die Ent-
fernung der Grenzpunkte der deutlichen Sehweite der beiden Augen
ein und desselben Individuums ist sehr häufig eine verschiedene, in
der Art, dass von den beiden Augen das eine fernsichtiger ist als
das andere. -- e) Die Ausdehnung der deutlichen Sehweite sowohl,
als die Entfernung ihres Nähepunktes von der Cornea wechselt bei
demselben Individuum mit dem Alter, namentlich entfernt sich mit
dem steigenden Alter der Nähepunkt vom Auge; mit andern Worten
das alternde Auge wird fernsichtig. -- f) Durch eine Reihe von Arznei-
mitteln, welche örtlich auf das Auge angewendet werden, lässt
sich der Raum des deutlichen Sehens einengen, indem durch Einträu-
feln von flüssigem Belladonna- und Hyoszyamusauszug der Nähe-
punkt sich vom Auge entfernt; man schreibt diesen Erfolg einer Läh-
mung des muskulösen Einrichtungsapparates zu. -- g) Die Augen der
einen Individuen sind entweder durch Erziehung oder durch ange-

*) Henle u. Pfeufer. Neue Folge II. Bd. -- Siehe hierüber auch Müller in Poggendorfs An-
nalen 86 Bd.
**) Dove's Repertor. l. c.
***) Henle u. Pfeufer V. Bd. 388 (1846).
Lage des Nähe- und Fernpunktes.

Werden nun auch in diesem Strahlenkegel durch den Schirm S S in der früheren
Weise die mittleren Strahlen abgehalten, so werden sich bei C auch nur zwei Strah-
lenbüschel kreuzen können, welche bei 3 und 4 die Retina erleuchten. Die beiden
vorgeführten Fälle unterscheiden sich darin voneinander, dass in dem ersteren
die Bilder auf der Retina entsprechend den Oeffnungen vor dem Auge liegen, wäh-
rend sie in dem zweiten gekreuzt sich finden, so dass das auf der Retina untere Bild
von den Strahlen herrührt, die durch die obere Oeffnung des Schirmes fielen und
umgekehrt. — Liegt aber endlich der Leuchtpunkt A in einer solchen Entfernung,
dass der Kreuzungspunkt seiner das Auge treffenden Strahlen auf die Retina fällt,
so kann begreiflich durch Einschiebung eines Schirmes, der einen Theil dieser Strah-
len abhält, keine andere Folge erzeugt werden als die, dass das Bild auf der Retina
lichtschwächer erscheint.

Die Weite des deutlichen Sehens sowohl, als die Lage der Gren-
zen zum Auge erweisst sich nun verschieden, je nach mannigfachen
Umständen. Namentlich aber ist a) das Auge niemals gleichzeitig für
die in der horizontalen und vertikalen Ebene verlaufenden Strahlen
eingestellt. Diese von Ad. Fick *) festgestellte Thatsache findet ihre
Begründung darin, dass die in der vertikalen Ebene liegenden Krüm-
mungshalbmesser der brechenden Flächen andere sind als die in der
horizontalen Ebene vorkommenden. Nach Ad. Fick sind die Augen ge-
wöhnlich für die Strahlen der horizontalen Ebene eingestellt. —
b) Wenn das Auge für die Strahlen eingestellt ist, welche auf den
mittleren Theil der Cornea fallen, so vereinigen sich auf der Retina
die Randstrahlen der Cornea nicht, Moser **). Diese Erscheinung fin-
det ihren Grund in der sphärischen Aberration. — c) Der Nähepunkt
rückt nach H. Meyer ***) an das Auge um einige Millimeter heran,
wenn man dasselbe von aussen nach innen richtet. Auf die möglichen
Gründe dieser Erscheinung werden wir alsbald eingehen. d) Die Ent-
fernung der Grenzpunkte der deutlichen Sehweite der beiden Augen
ein und desselben Individuums ist sehr häufig eine verschiedene, in
der Art, dass von den beiden Augen das eine fernsichtiger ist als
das andere. — e) Die Ausdehnung der deutlichen Sehweite sowohl,
als die Entfernung ihres Nähepunktes von der Cornea wechselt bei
demselben Individuum mit dem Alter, namentlich entfernt sich mit
dem steigenden Alter der Nähepunkt vom Auge; mit andern Worten
das alternde Auge wird fernsichtig. — f) Durch eine Reihe von Arznei-
mitteln, welche örtlich auf das Auge angewendet werden, lässt
sich der Raum des deutlichen Sehens einengen, indem durch Einträu-
feln von flüssigem Belladonna- und Hyoszyamusauszug der Nähe-
punkt sich vom Auge entfernt; man schreibt diesen Erfolg einer Läh-
mung des muskulösen Einrichtungsapparates zu. — g) Die Augen der
einen Individuen sind entweder durch Erziehung oder durch ange-

*) Henle u. Pfeufer. Neue Folge II. Bd. — Siehe hierüber auch Müller in Poggendorfs An-
nalen 86 Bd.
**) Dove’s Repertor. l. c.
***) Henle u. Pfeufer V. Bd. 388 (1846).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0224" n="210"/>
            <fw place="top" type="header">Lage des Nähe- und Fernpunktes.</fw><lb/>
            <p>Werden nun auch in diesem Strahlenkegel durch den Schirm <hi rendition="#i">S S</hi> in der früheren<lb/>
Weise die mittleren Strahlen abgehalten, so werden sich bei <hi rendition="#i">C</hi> auch nur zwei Strah-<lb/>
lenbüschel kreuzen können, welche bei 3 und 4 die Retina erleuchten. Die beiden<lb/>
vorgeführten Fälle unterscheiden sich darin voneinander, dass in dem ersteren<lb/>
die Bilder auf der Retina entsprechend den Oeffnungen vor dem Auge liegen, wäh-<lb/>
rend sie in dem zweiten gekreuzt sich finden, so dass das auf der Retina untere Bild<lb/>
von den Strahlen herrührt, die durch die obere Oeffnung des Schirmes fielen und<lb/>
umgekehrt. &#x2014; Liegt aber endlich der Leuchtpunkt <hi rendition="#i">A</hi> in einer solchen Entfernung,<lb/>
dass der Kreuzungspunkt seiner das Auge treffenden Strahlen auf die Retina fällt,<lb/>
so kann begreiflich durch Einschiebung eines Schirmes, der einen Theil dieser Strah-<lb/>
len abhält, keine andere Folge erzeugt werden als die, dass das Bild auf der Retina<lb/>
lichtschwächer erscheint.</p><lb/>
            <p>Die Weite des deutlichen Sehens sowohl, als die Lage der Gren-<lb/>
zen zum Auge erweisst sich nun verschieden, je nach mannigfachen<lb/>
Umständen. Namentlich aber ist a) das Auge niemals gleichzeitig für<lb/>
die in der horizontalen und vertikalen Ebene verlaufenden Strahlen<lb/>
eingestellt. Diese von <hi rendition="#g">Ad. Fick</hi> <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Henle u. Pfeufer</hi>. Neue Folge II. Bd. &#x2014; Siehe hierüber auch <hi rendition="#g">Müller</hi> in <hi rendition="#g">Poggendorfs</hi> An-<lb/>
nalen 86 Bd.</note> festgestellte Thatsache findet ihre<lb/>
Begründung darin, dass die in der vertikalen Ebene liegenden Krüm-<lb/>
mungshalbmesser der brechenden Flächen andere sind als die in der<lb/>
horizontalen Ebene vorkommenden. Nach <hi rendition="#g">Ad. Fick</hi> sind die Augen ge-<lb/>
wöhnlich für die Strahlen der horizontalen Ebene eingestellt. &#x2014;<lb/>
b) Wenn das Auge für die Strahlen eingestellt ist, welche auf den<lb/>
mittleren Theil der Cornea fallen, so vereinigen sich auf der Retina<lb/>
die Randstrahlen der Cornea nicht, <hi rendition="#g">Moser</hi> <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#g">Dove</hi>&#x2019;s Repertor. l. c.</note>. Diese Erscheinung fin-<lb/>
det ihren Grund in der sphärischen Aberration. &#x2014; c) Der Nähepunkt<lb/>
rückt nach H. <hi rendition="#g">Meyer</hi> <note place="foot" n="***)"><hi rendition="#g">Henle u. Pfeufer</hi> V. Bd. 388 (1846).</note> an das Auge um einige Millimeter heran,<lb/>
wenn man dasselbe von aussen nach innen richtet. Auf die möglichen<lb/>
Gründe dieser Erscheinung werden wir alsbald eingehen. d) Die Ent-<lb/>
fernung der Grenzpunkte der deutlichen Sehweite der beiden Augen<lb/>
ein und desselben Individuums ist sehr häufig eine verschiedene, in<lb/>
der Art, dass von den beiden Augen das eine fernsichtiger ist als<lb/>
das andere. &#x2014; e) Die Ausdehnung der deutlichen Sehweite sowohl,<lb/>
als die Entfernung ihres Nähepunktes von der Cornea wechselt bei<lb/>
demselben Individuum mit dem Alter, namentlich entfernt sich mit<lb/>
dem steigenden Alter der Nähepunkt vom Auge; mit andern Worten<lb/>
das alternde Auge wird fernsichtig. &#x2014; f) Durch eine Reihe von Arznei-<lb/>
mitteln, welche örtlich auf das Auge angewendet werden, lässt<lb/>
sich der Raum des deutlichen Sehens einengen, indem durch Einträu-<lb/>
feln von flüssigem Belladonna- und Hyoszyamusauszug der Nähe-<lb/>
punkt sich vom Auge entfernt; man schreibt diesen Erfolg einer Läh-<lb/>
mung des muskulösen Einrichtungsapparates zu. &#x2014; g) Die Augen der<lb/>
einen Individuen sind entweder durch Erziehung oder durch ange-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0224] Lage des Nähe- und Fernpunktes. Werden nun auch in diesem Strahlenkegel durch den Schirm S S in der früheren Weise die mittleren Strahlen abgehalten, so werden sich bei C auch nur zwei Strah- lenbüschel kreuzen können, welche bei 3 und 4 die Retina erleuchten. Die beiden vorgeführten Fälle unterscheiden sich darin voneinander, dass in dem ersteren die Bilder auf der Retina entsprechend den Oeffnungen vor dem Auge liegen, wäh- rend sie in dem zweiten gekreuzt sich finden, so dass das auf der Retina untere Bild von den Strahlen herrührt, die durch die obere Oeffnung des Schirmes fielen und umgekehrt. — Liegt aber endlich der Leuchtpunkt A in einer solchen Entfernung, dass der Kreuzungspunkt seiner das Auge treffenden Strahlen auf die Retina fällt, so kann begreiflich durch Einschiebung eines Schirmes, der einen Theil dieser Strah- len abhält, keine andere Folge erzeugt werden als die, dass das Bild auf der Retina lichtschwächer erscheint. Die Weite des deutlichen Sehens sowohl, als die Lage der Gren- zen zum Auge erweisst sich nun verschieden, je nach mannigfachen Umständen. Namentlich aber ist a) das Auge niemals gleichzeitig für die in der horizontalen und vertikalen Ebene verlaufenden Strahlen eingestellt. Diese von Ad. Fick *) festgestellte Thatsache findet ihre Begründung darin, dass die in der vertikalen Ebene liegenden Krüm- mungshalbmesser der brechenden Flächen andere sind als die in der horizontalen Ebene vorkommenden. Nach Ad. Fick sind die Augen ge- wöhnlich für die Strahlen der horizontalen Ebene eingestellt. — b) Wenn das Auge für die Strahlen eingestellt ist, welche auf den mittleren Theil der Cornea fallen, so vereinigen sich auf der Retina die Randstrahlen der Cornea nicht, Moser **). Diese Erscheinung fin- det ihren Grund in der sphärischen Aberration. — c) Der Nähepunkt rückt nach H. Meyer ***) an das Auge um einige Millimeter heran, wenn man dasselbe von aussen nach innen richtet. Auf die möglichen Gründe dieser Erscheinung werden wir alsbald eingehen. d) Die Ent- fernung der Grenzpunkte der deutlichen Sehweite der beiden Augen ein und desselben Individuums ist sehr häufig eine verschiedene, in der Art, dass von den beiden Augen das eine fernsichtiger ist als das andere. — e) Die Ausdehnung der deutlichen Sehweite sowohl, als die Entfernung ihres Nähepunktes von der Cornea wechselt bei demselben Individuum mit dem Alter, namentlich entfernt sich mit dem steigenden Alter der Nähepunkt vom Auge; mit andern Worten das alternde Auge wird fernsichtig. — f) Durch eine Reihe von Arznei- mitteln, welche örtlich auf das Auge angewendet werden, lässt sich der Raum des deutlichen Sehens einengen, indem durch Einträu- feln von flüssigem Belladonna- und Hyoszyamusauszug der Nähe- punkt sich vom Auge entfernt; man schreibt diesen Erfolg einer Läh- mung des muskulösen Einrichtungsapparates zu. — g) Die Augen der einen Individuen sind entweder durch Erziehung oder durch ange- *) Henle u. Pfeufer. Neue Folge II. Bd. — Siehe hierüber auch Müller in Poggendorfs An- nalen 86 Bd. **) Dove’s Repertor. l. c. ***) Henle u. Pfeufer V. Bd. 388 (1846).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/224
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/224>, abgerufen am 19.03.2024.