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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Sphärische Aberration.
[Abbildung] Fig. 36.
werden, so dass vom Gesichtspunkt der Theorie aus niemals von einem gemein-
schaftlichen Brennpunkt einer Kugelfläche die Rede sein kann. -- Im Widerspruch mit
diesem theoretischen Ergebniss kennt dennoch die praktische Optik nur einen
Brennpunkt brechender Kugelflächen und in der That ist dieses bei der durch die
Praxis erzielbaren Genauigkeit innerhalb gewisser Grenzen auch erlaubt, denn wenn
die Einfallswinkel mit steigendem Abstand nicht zu rasch zunehmen, so liegt, zum
Theil wegen der oben erwähnten Compensation, der Brennpunkt der Strahlen, welche
in benachbarten Flächenstücken einfallen, im zweiten Mittel nahe genug, um als
zusammenfallend angesehen werden zu können. Diese relativ langsame Zunahme
der Einfallswinkel findet aber vorzugsweise für die Strahlen statt, welche um nur
wenige Bogengrade von der Achse entfernt in der brechenden Fläche eintreffen,
und es sind darum auch die im Umkreis von wenigen Graden einfallenden Strahlen,
welche einen für praktische Zwecke brauchbaren Brennpunkt bilden, während die
Brennpunkte der weiter seitlich eindringenden Strahlen zu weit abstehen, um auch
noch von einer wenig genauen Praxis mit den andern zusammengefasst werden zu
können. Dieses Auseinanderfallen der Brennpunkte in Folge der steigenden Krüm-
mung nennt die Optik die sphärische Aberration.

Bisher haben wir unter den Bedingungen der unveränderlichen Kugelfläche und
der wechselnden Lage der parallelen Strahlen die Orte des Brennpunktes (oder die
Stärke der Brechung) aufzufinden gesucht. Wir wollen uns nun die Lage der pa-
rallelen Strahlen im ersten Mittel constant denken und annehmen, es wechsle die
Kugelfläche des zweiten Mittels. In Figur 37 stellen A A' B parallele Strahlen vor,
welche unter allen Umständen in dem constanten Abstand 1 2' 1, 2 von der
Achse an die Grenze des zweiten Mittels treffen. Die kugelige Grenzfläche dieses
zweiten Mittels soll aber veränderlich sein in der Art, dass sie das einemal mittelst
des Radius II 2' und das andere Mal mittelst des kürzeren Radius I 2' beschrieben
sei. Bei dieser Annahme würden die Lothe, welche auf die Einfallsorte der Strahlen

Sphärische Aberration.
[Abbildung] Fig. 36.
werden, so dass vom Gesichtspunkt der Theorie aus niemals von einem gemein-
schaftlichen Brennpunkt einer Kugelfläche die Rede sein kann. — Im Widerspruch mit
diesem theoretischen Ergebniss kennt dennoch die praktische Optik nur einen
Brennpunkt brechender Kugelflächen und in der That ist dieses bei der durch die
Praxis erzielbaren Genauigkeit innerhalb gewisser Grenzen auch erlaubt, denn wenn
die Einfallswinkel mit steigendem Abstand nicht zu rasch zunehmen, so liegt, zum
Theil wegen der oben erwähnten Compensation, der Brennpunkt der Strahlen, welche
in benachbarten Flächenstücken einfallen, im zweiten Mittel nahe genug, um als
zusammenfallend angesehen werden zu können. Diese relativ langsame Zunahme
der Einfallswinkel findet aber vorzugsweise für die Strahlen statt, welche um nur
wenige Bogengrade von der Achse entfernt in der brechenden Fläche eintreffen,
und es sind darum auch die im Umkreis von wenigen Graden einfallenden Strahlen,
welche einen für praktische Zwecke brauchbaren Brennpunkt bilden, während die
Brennpunkte der weiter seitlich eindringenden Strahlen zu weit abstehen, um auch
noch von einer wenig genauen Praxis mit den andern zusammengefasst werden zu
können. Dieses Auseinanderfallen der Brennpunkte in Folge der steigenden Krüm-
mung nennt die Optik die sphärische Aberration.

Bisher haben wir unter den Bedingungen der unveränderlichen Kugelfläche und
der wechselnden Lage der parallelen Strahlen die Orte des Brennpunktes (oder die
Stärke der Brechung) aufzufinden gesucht. Wir wollen uns nun die Lage der pa-
rallelen Strahlen im ersten Mittel constant denken und annehmen, es wechsle die
Kugelfläche des zweiten Mittels. In Figur 37 stellen A A′ B parallele Strahlen vor,
welche unter allen Umständen in dem constanten Abstand 1 2′ 1, 2 von der
Achse an die Grenze des zweiten Mittels treffen. Die kugelige Grenzfläche dieses
zweiten Mittels soll aber veränderlich sein in der Art, dass sie das einemal mittelst
des Radius II 2′ und das andere Mal mittelst des kürzeren Radius I 2′ beschrieben
sei. Bei dieser Annahme würden die Lothe, welche auf die Einfallsorte der Strahlen

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[196/0210] Sphärische Aberration. [Abbildung Fig. 36.] werden, so dass vom Gesichtspunkt der Theorie aus niemals von einem gemein- schaftlichen Brennpunkt einer Kugelfläche die Rede sein kann. — Im Widerspruch mit diesem theoretischen Ergebniss kennt dennoch die praktische Optik nur einen Brennpunkt brechender Kugelflächen und in der That ist dieses bei der durch die Praxis erzielbaren Genauigkeit innerhalb gewisser Grenzen auch erlaubt, denn wenn die Einfallswinkel mit steigendem Abstand nicht zu rasch zunehmen, so liegt, zum Theil wegen der oben erwähnten Compensation, der Brennpunkt der Strahlen, welche in benachbarten Flächenstücken einfallen, im zweiten Mittel nahe genug, um als zusammenfallend angesehen werden zu können. Diese relativ langsame Zunahme der Einfallswinkel findet aber vorzugsweise für die Strahlen statt, welche um nur wenige Bogengrade von der Achse entfernt in der brechenden Fläche eintreffen, und es sind darum auch die im Umkreis von wenigen Graden einfallenden Strahlen, welche einen für praktische Zwecke brauchbaren Brennpunkt bilden, während die Brennpunkte der weiter seitlich eindringenden Strahlen zu weit abstehen, um auch noch von einer wenig genauen Praxis mit den andern zusammengefasst werden zu können. Dieses Auseinanderfallen der Brennpunkte in Folge der steigenden Krüm- mung nennt die Optik die sphärische Aberration. Bisher haben wir unter den Bedingungen der unveränderlichen Kugelfläche und der wechselnden Lage der parallelen Strahlen die Orte des Brennpunktes (oder die Stärke der Brechung) aufzufinden gesucht. Wir wollen uns nun die Lage der pa- rallelen Strahlen im ersten Mittel constant denken und annehmen, es wechsle die Kugelfläche des zweiten Mittels. In Figur 37 stellen A A′ B parallele Strahlen vor, welche unter allen Umständen in dem constanten Abstand 1 2′ 1, 2 von der Achse an die Grenze des zweiten Mittels treffen. Die kugelige Grenzfläche dieses zweiten Mittels soll aber veränderlich sein in der Art, dass sie das einemal mittelst des Radius II 2′ und das andere Mal mittelst des kürzeren Radius I 2′ beschrieben sei. Bei dieser Annahme würden die Lothe, welche auf die Einfallsorte der Strahlen

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/210>, abgerufen am 19.03.2024.