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Ludwig, Julie: Das Gericht im Walde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [237]–288. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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vor, das war deutlich -- sie war in ihrem Rechte; sie glaubte es wenigstens zu sein.

Eine gute Viertelstunde mochte sie auf diese Art mit der mechanischen Gleichmäßigkeit einer wohlaufgezogenen Uhr fortgegangen sein, als sich plötzlich etwas in dem innern Räderwerke zu verschieben schien. Ein Schritt, noch in der Ferne hinter ihr, hatte das Ohr der Bäuerin getroffen, vielleicht zugleich ihr Herz, denn sie zuckte unwillkürlich mit der Hand darnach, um gleich darauf mit dem Fuße aufzustoßen, voller Zorn, daß jenes, so mit eins und ohne sie zu fragen, den Geschwindschritt eingesetzt für diesen.

Das wäre! dachte sie, wenn er mich hier halten sähe! -- und mit dem Gedanken schoß das rebellische Blut vom Herzen um so höher wieder in die Backen, ja! bis unter das krause Schläfenhaar hinauf. Daß wir uns überhaupt begegnen müssen -- hier -- sie schüttelte den Kopf -- -- -- Und wenn er vor dich träte, zu dir spräche -- Rose-Marie! wie dann? Der Korb an ihrem Arme zitterte, und fast hätte sie noch einmal still gehalten vor der Frage. Keinen Blick, kein Wort! gelobte sie sich zornig. Ha! daß er meinen müßt', ich hätt' auf ihn gepaßt! -- es thät' mich reu'n! Sie biß die Zähne knirschend auf einander, und eine Flamme leidenschaftlichen Hasses schlug aus den blauen Augen, über denen sich die Brauen finster zusammenzogen. Und sie hob den Kopf nur um so höher und setzte ihre Füße

vor, das war deutlich — sie war in ihrem Rechte; sie glaubte es wenigstens zu sein.

Eine gute Viertelstunde mochte sie auf diese Art mit der mechanischen Gleichmäßigkeit einer wohlaufgezogenen Uhr fortgegangen sein, als sich plötzlich etwas in dem innern Räderwerke zu verschieben schien. Ein Schritt, noch in der Ferne hinter ihr, hatte das Ohr der Bäuerin getroffen, vielleicht zugleich ihr Herz, denn sie zuckte unwillkürlich mit der Hand darnach, um gleich darauf mit dem Fuße aufzustoßen, voller Zorn, daß jenes, so mit eins und ohne sie zu fragen, den Geschwindschritt eingesetzt für diesen.

Das wäre! dachte sie, wenn er mich hier halten sähe! — und mit dem Gedanken schoß das rebellische Blut vom Herzen um so höher wieder in die Backen, ja! bis unter das krause Schläfenhaar hinauf. Daß wir uns überhaupt begegnen müssen — hier — sie schüttelte den Kopf — — — Und wenn er vor dich träte, zu dir spräche — Rose-Marie! wie dann? Der Korb an ihrem Arme zitterte, und fast hätte sie noch einmal still gehalten vor der Frage. Keinen Blick, kein Wort! gelobte sie sich zornig. Ha! daß er meinen müßt', ich hätt' auf ihn gepaßt! — es thät' mich reu'n! Sie biß die Zähne knirschend auf einander, und eine Flamme leidenschaftlichen Hasses schlug aus den blauen Augen, über denen sich die Brauen finster zusammenzogen. Und sie hob den Kopf nur um so höher und setzte ihre Füße

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:36:23Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:36:23Z)

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Zitationshilfe: Ludwig, Julie: Das Gericht im Walde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [237]–288. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_gericht_1910/11>, abgerufen am 20.04.2024.