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Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756.

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Tartarey
Himmelsstriche des Erdbodens, und
ist von einer außerordentlichen Gü-
te und (9) Fruchtbarkeit; weil es
aber auf dem ganzen Erdboden die
höchste Lage hat, so hat es an ver-
schiedenen Orten Mangel an Was-
ser. Und diese hohe Lage nebst dem
gedachten Wassermangel sind die
Ursachen, weswegen dieses Land in
Vergleichung mit andern, unter glei-
cher Breite gelegenen Ländern, kalt
zu seyn scheint, und nur in der
Nachbarschaft der Flüsse und Seen
bewohnet werden kann, daher man
in demselben viel Wüsteneyen fin-
det. Ueber dieses tragen auch die
Einwohner nicht genugsame Sorge,
solches anzubauen. Denn von den
dreyen oben gedachten Hauptnatio-
nen, welche solches itzt bewohnen,
haben nur die mahometanischen Tar-
tarn einigen Ackerbau, wiewol sie
ebenfalls nur so viel Feldfrüchte
bauen, als sie zu ihrer Nothdurft
gebrauchen. Die Kalmucken hin-
gegen und die Mungalen haben ganz
und gar keinen Ackerbau, und leben
bloß von ihrer Viehzucht. Und
eben diesen Mangel des Ackerbaues
muß man ihrer herum schweifenden
Lebensart zuschreiben, die sie füh-
ren, da sie nämlich ihre Wohnun-
gen, nachdem die Jahrszeit sie da-
zu nöthiget, von einem Orte zum
andern versetzen und verändern, in-
dem jeder Stamm, oder jede Horde
sich einen gewissen Strich Landes
zugeeignet hat, dessen nördlichen
Theil sie im Sommer, den südli-
chen aber im Winter bewohnet.
Hiernächst hat die große Tartarey
noch dieses sonderbare, daß daselbst
kein hochstämmiges Holz wächst,
von was für einer Gattung es auch
immer sey, ausgenommen gegen die
Gränzen zu, und auch da nur an
einigen Orten. Jn dem Jnnern des
Landes hingegen findet man nichts,
als niederstämmige Bäume, oder
vielmehr Sträuche, die nicht über
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Tartarey
Mannes Höhe wachsen. Sonst
aber giebt es in der großen Tarta-
rey viel Kameele, Pferde, Ochsen,
Schafe, Fasane und andere Vögel,
unter welchen man daselbst einen
sieht, der von einer ganz besondern
Schönheit, und eine Gattung von
einem ganz weißen Reiger ist, aus-
genommen was seinen Schnabel,
seine Flügel, und seinen Schwanz
anbelanget, die sehr schön roth sind.
Es läßt sich auch dieser Vogel gut
essen, indem sein Fleisch eines von
den schmackhaftesten ist, und dem
Geschmacke der Haselhühner ähnlich
ist. Auf und in den Gebirgen hal-
ten sich viele wilde Ziegen, weiße
Bären, schwarze Füchse, Herme-
line, Zobel und Vielfraße auf, wel-
che den Einwohnern das kostbarste
Pelzwerk liefern. Die vornehmste
(10) Handlung der Tartarn besteht
in den oben gedachten Thieren, die
sie ziehen; in dem Pelzwerke von
den nur erwähnten wilden Thieren;
in Wolle, Seide, Bisam, Rha-
barber und der Ginsengwurzel. Je-
doch gilt dieses nur von denjenigen
Tartarn, welche den nördlichen,
östlichen und südlichen Theil dieses
Landes bewohnen; dahingegen die-
jenigen Tartarn, welche in dem
westlichen Theile an den Ufern des
caspischen Meers wohnen, die Hand-
lung für eine ihnen unanständige
Sache halten, und sich eine Ehre
daraus machen, allen durch ihr Land
reisenden Kaufleuten aufzulauern,
und sie zu Sclaven zu machen; oder
wenigstens von ihnen eine so hohe
Ranzion zu nehmen, daß ihnen die
Lust vergeht, wieder dahin zu kom-
men. Die Waaren, die man ihnen
dafür in Baratto giebt, sind Reiß,
Thee, Taback, allerley Haus- und
Ackergeräthe, Cattun, einige schlech-
te Zeuge, und Tuch. Schließlich
bemerken wir noch, daß die
Tartarn die rothe Farbe ungemein
sehr lieben; und diese Farbe ist der-

gestalt

[Spaltenumbruch]

Tartarey
Himmelsſtriche des Erdbodens, und
iſt von einer außerordentlichen Guͤ-
te und (9) Fruchtbarkeit; weil es
aber auf dem ganzen Erdboden die
hoͤchſte Lage hat, ſo hat es an ver-
ſchiedenen Orten Mangel an Waſ-
ſer. Und dieſe hohe Lage nebſt dem
gedachten Waſſermangel ſind die
Urſachen, weswegen dieſes Land in
Vergleichung mit andern, unter glei-
cher Breite gelegenen Laͤndern, kalt
zu ſeyn ſcheint, und nur in der
Nachbarſchaft der Fluͤſſe und Seen
bewohnet werden kann, daher man
in demſelben viel Wuͤſteneyen fin-
det. Ueber dieſes tragen auch die
Einwohner nicht genugſame Sorge,
ſolches anzubauen. Denn von den
dreyen oben gedachten Hauptnatio-
nen, welche ſolches itzt bewohnen,
haben nur die mahometaniſchen Tar-
tarn einigen Ackerbau, wiewol ſie
ebenfalls nur ſo viel Feldfruͤchte
bauen, als ſie zu ihrer Nothdurft
gebrauchen. Die Kalmucken hin-
gegen und die Mungalen haben ganz
und gar keinen Ackerbau, und leben
bloß von ihrer Viehzucht. Und
eben dieſen Mangel des Ackerbaues
muß man ihrer herum ſchweifenden
Lebensart zuſchreiben, die ſie fuͤh-
ren, da ſie naͤmlich ihre Wohnun-
gen, nachdem die Jahrszeit ſie da-
zu noͤthiget, von einem Orte zum
andern verſetzen und veraͤndern, in-
dem jeder Stamm, oder jede Horde
ſich einen gewiſſen Strich Landes
zugeeignet hat, deſſen noͤrdlichen
Theil ſie im Sommer, den ſuͤdli-
chen aber im Winter bewohnet.
Hiernaͤchſt hat die große Tartarey
noch dieſes ſonderbare, daß daſelbſt
kein hochſtaͤmmiges Holz waͤchſt,
von was fuͤr einer Gattung es auch
immer ſey, ausgenommen gegen die
Graͤnzen zu, und auch da nur an
einigen Orten. Jn dem Jnnern des
Landes hingegen findet man nichts,
als niederſtaͤmmige Baͤume, oder
vielmehr Straͤuche, die nicht uͤber
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Tartarey
Mannes Hoͤhe wachſen. Sonſt
aber giebt es in der großen Tarta-
rey viel Kameele, Pferde, Ochſen,
Schafe, Faſane und andere Voͤgel,
unter welchen man daſelbſt einen
ſieht, der von einer ganz beſondern
Schoͤnheit, und eine Gattung von
einem ganz weißen Reiger iſt, aus-
genommen was ſeinen Schnabel,
ſeine Fluͤgel, und ſeinen Schwanz
anbelanget, die ſehr ſchoͤn roth ſind.
Es laͤßt ſich auch dieſer Vogel gut
eſſen, indem ſein Fleiſch eines von
den ſchmackhafteſten iſt, und dem
Geſchmacke der Haſelhuͤhner aͤhnlich
iſt. Auf und in den Gebirgen hal-
ten ſich viele wilde Ziegen, weiße
Baͤren, ſchwarze Fuͤchſe, Herme-
line, Zobel und Vielfraße auf, wel-
che den Einwohnern das koſtbarſte
Pelzwerk liefern. Die vornehmſte
(10) Handlung der Tartarn beſteht
in den oben gedachten Thieren, die
ſie ziehen; in dem Pelzwerke von
den nur erwaͤhnten wilden Thieren;
in Wolle, Seide, Biſam, Rha-
barber und der Ginſengwurzel. Je-
doch gilt dieſes nur von denjenigen
Tartarn, welche den noͤrdlichen,
oͤſtlichen und ſuͤdlichen Theil dieſes
Landes bewohnen; dahingegen die-
jenigen Tartarn, welche in dem
weſtlichen Theile an den Ufern des
caſpiſchen Meers wohnen, die Hand-
lung fuͤr eine ihnen unanſtaͤndige
Sache halten, und ſich eine Ehre
daraus machen, allen durch ihr Land
reiſenden Kaufleuten aufzulauern,
und ſie zu Sclaven zu machen; oder
wenigſtens von ihnen eine ſo hohe
Ranzion zu nehmen, daß ihnen die
Luſt vergeht, wieder dahin zu kom-
men. Die Waaren, die man ihnen
dafuͤr in Baratto giebt, ſind Reiß,
Thee, Taback, allerley Haus- und
Ackergeraͤthe, Cattun, einige ſchlech-
te Zeuge, und Tuch. Schließlich
bemerken wir noch, daß die
Tartarn die rothe Farbe ungemein
ſehr lieben; und dieſe Farbe iſt der-

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[[38]/0044] Tartarey Tartarey Himmelsſtriche des Erdbodens, und iſt von einer außerordentlichen Guͤ- te und (9) Fruchtbarkeit; weil es aber auf dem ganzen Erdboden die hoͤchſte Lage hat, ſo hat es an ver- ſchiedenen Orten Mangel an Waſ- ſer. Und dieſe hohe Lage nebſt dem gedachten Waſſermangel ſind die Urſachen, weswegen dieſes Land in Vergleichung mit andern, unter glei- cher Breite gelegenen Laͤndern, kalt zu ſeyn ſcheint, und nur in der Nachbarſchaft der Fluͤſſe und Seen bewohnet werden kann, daher man in demſelben viel Wuͤſteneyen fin- det. Ueber dieſes tragen auch die Einwohner nicht genugſame Sorge, ſolches anzubauen. Denn von den dreyen oben gedachten Hauptnatio- nen, welche ſolches itzt bewohnen, haben nur die mahometaniſchen Tar- tarn einigen Ackerbau, wiewol ſie ebenfalls nur ſo viel Feldfruͤchte bauen, als ſie zu ihrer Nothdurft gebrauchen. Die Kalmucken hin- gegen und die Mungalen haben ganz und gar keinen Ackerbau, und leben bloß von ihrer Viehzucht. Und eben dieſen Mangel des Ackerbaues muß man ihrer herum ſchweifenden Lebensart zuſchreiben, die ſie fuͤh- ren, da ſie naͤmlich ihre Wohnun- gen, nachdem die Jahrszeit ſie da- zu noͤthiget, von einem Orte zum andern verſetzen und veraͤndern, in- dem jeder Stamm, oder jede Horde ſich einen gewiſſen Strich Landes zugeeignet hat, deſſen noͤrdlichen Theil ſie im Sommer, den ſuͤdli- chen aber im Winter bewohnet. Hiernaͤchſt hat die große Tartarey noch dieſes ſonderbare, daß daſelbſt kein hochſtaͤmmiges Holz waͤchſt, von was fuͤr einer Gattung es auch immer ſey, ausgenommen gegen die Graͤnzen zu, und auch da nur an einigen Orten. Jn dem Jnnern des Landes hingegen findet man nichts, als niederſtaͤmmige Baͤume, oder vielmehr Straͤuche, die nicht uͤber Mannes Hoͤhe wachſen. Sonſt aber giebt es in der großen Tarta- rey viel Kameele, Pferde, Ochſen, Schafe, Faſane und andere Voͤgel, unter welchen man daſelbſt einen ſieht, der von einer ganz beſondern Schoͤnheit, und eine Gattung von einem ganz weißen Reiger iſt, aus- genommen was ſeinen Schnabel, ſeine Fluͤgel, und ſeinen Schwanz anbelanget, die ſehr ſchoͤn roth ſind. Es laͤßt ſich auch dieſer Vogel gut eſſen, indem ſein Fleiſch eines von den ſchmackhafteſten iſt, und dem Geſchmacke der Haſelhuͤhner aͤhnlich iſt. Auf und in den Gebirgen hal- ten ſich viele wilde Ziegen, weiße Baͤren, ſchwarze Fuͤchſe, Herme- line, Zobel und Vielfraße auf, wel- che den Einwohnern das koſtbarſte Pelzwerk liefern. Die vornehmſte (10) Handlung der Tartarn beſteht in den oben gedachten Thieren, die ſie ziehen; in dem Pelzwerke von den nur erwaͤhnten wilden Thieren; in Wolle, Seide, Biſam, Rha- barber und der Ginſengwurzel. Je- doch gilt dieſes nur von denjenigen Tartarn, welche den noͤrdlichen, oͤſtlichen und ſuͤdlichen Theil dieſes Landes bewohnen; dahingegen die- jenigen Tartarn, welche in dem weſtlichen Theile an den Ufern des caſpiſchen Meers wohnen, die Hand- lung fuͤr eine ihnen unanſtaͤndige Sache halten, und ſich eine Ehre daraus machen, allen durch ihr Land reiſenden Kaufleuten aufzulauern, und ſie zu Sclaven zu machen; oder wenigſtens von ihnen eine ſo hohe Ranzion zu nehmen, daß ihnen die Luſt vergeht, wieder dahin zu kom- men. Die Waaren, die man ihnen dafuͤr in Baratto giebt, ſind Reiß, Thee, Taback, allerley Haus- und Ackergeraͤthe, Cattun, einige ſchlech- te Zeuge, und Tuch. Schließlich bemerken wir noch, daß die Tartarn die rothe Farbe ungemein ſehr lieben; und dieſe Farbe iſt der- geſtalt

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Zitationshilfe: Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. [38]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/44>, abgerufen am 24.04.2024.