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Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zeigt, daß gekocht wird. Und munter niederschreitend gelangte ich auf einen Boden, der mir nach und nach merkbare Unterschiede von den bisher betretenen Wald- und Bergpfaden zeigte. Er war sichtlich besonders geglättet und geebnet worden, und die dürren, schneebelasteten Zweige und Stämme der Anpflanzungen an seinen Seiten wiesen auf eine veränderte und offenbar durch Kunst herbeigeführte Vegetation hin. Der Gedanke lag nahe, daß ich mich in das Besitzthum der Frau von Börte verirrt hatte.

Jetzt erst dachte ich wieder an die geheime Mission, die ich mir beim Antritt meiner Winterreise selbst auferlegt hatte. Doch verwarf ich in der Erinnerung, daß Frau von Börte nicht als völlig zurechnungsfähig zu betrachten sein dürfte, jeden Gedanken an die Erwerbung des Bildes. Dennoch durchzuckte mich ein Gefühl eigenthümlicher Erwartung, als ich plötzlich aus noch ziemlicher Ferne eine Gestalt mir entgegenkommen sah, welche ganz der mir von der Wirthin geschilderten Erscheinung der Frau von Börte glich. Ich beschleunigte meine Schritte und stand bald einem Mütterchen gegenüber, aus dessen matronenhafter Kopfbedeckung sich eine Physiognomie hervordrängte. In einem Tone rauher Verdrießlichkeit sagte die Alte zu mir: Hier geht man nicht, hier ist privat --.

Ich bin unversehens auf diesen Weg gekommen, erwiderte ich, meine Absicht ist, das Dorf wiederzufinden; entschuldigen Sie, Frau Baronin --

zeigt, daß gekocht wird. Und munter niederschreitend gelangte ich auf einen Boden, der mir nach und nach merkbare Unterschiede von den bisher betretenen Wald- und Bergpfaden zeigte. Er war sichtlich besonders geglättet und geebnet worden, und die dürren, schneebelasteten Zweige und Stämme der Anpflanzungen an seinen Seiten wiesen auf eine veränderte und offenbar durch Kunst herbeigeführte Vegetation hin. Der Gedanke lag nahe, daß ich mich in das Besitzthum der Frau von Börte verirrt hatte.

Jetzt erst dachte ich wieder an die geheime Mission, die ich mir beim Antritt meiner Winterreise selbst auferlegt hatte. Doch verwarf ich in der Erinnerung, daß Frau von Börte nicht als völlig zurechnungsfähig zu betrachten sein dürfte, jeden Gedanken an die Erwerbung des Bildes. Dennoch durchzuckte mich ein Gefühl eigenthümlicher Erwartung, als ich plötzlich aus noch ziemlicher Ferne eine Gestalt mir entgegenkommen sah, welche ganz der mir von der Wirthin geschilderten Erscheinung der Frau von Börte glich. Ich beschleunigte meine Schritte und stand bald einem Mütterchen gegenüber, aus dessen matronenhafter Kopfbedeckung sich eine Physiognomie hervordrängte. In einem Tone rauher Verdrießlichkeit sagte die Alte zu mir: Hier geht man nicht, hier ist privat —.

Ich bin unversehens auf diesen Weg gekommen, erwiderte ich, meine Absicht ist, das Dorf wiederzufinden; entschuldigen Sie, Frau Baronin —

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[0023] zeigt, daß gekocht wird. Und munter niederschreitend gelangte ich auf einen Boden, der mir nach und nach merkbare Unterschiede von den bisher betretenen Wald- und Bergpfaden zeigte. Er war sichtlich besonders geglättet und geebnet worden, und die dürren, schneebelasteten Zweige und Stämme der Anpflanzungen an seinen Seiten wiesen auf eine veränderte und offenbar durch Kunst herbeigeführte Vegetation hin. Der Gedanke lag nahe, daß ich mich in das Besitzthum der Frau von Börte verirrt hatte. Jetzt erst dachte ich wieder an die geheime Mission, die ich mir beim Antritt meiner Winterreise selbst auferlegt hatte. Doch verwarf ich in der Erinnerung, daß Frau von Börte nicht als völlig zurechnungsfähig zu betrachten sein dürfte, jeden Gedanken an die Erwerbung des Bildes. Dennoch durchzuckte mich ein Gefühl eigenthümlicher Erwartung, als ich plötzlich aus noch ziemlicher Ferne eine Gestalt mir entgegenkommen sah, welche ganz der mir von der Wirthin geschilderten Erscheinung der Frau von Börte glich. Ich beschleunigte meine Schritte und stand bald einem Mütterchen gegenüber, aus dessen matronenhafter Kopfbedeckung sich eine Physiognomie hervordrängte. In einem Tone rauher Verdrießlichkeit sagte die Alte zu mir: Hier geht man nicht, hier ist privat —. Ich bin unversehens auf diesen Weg gekommen, erwiderte ich, meine Absicht ist, das Dorf wiederzufinden; entschuldigen Sie, Frau Baronin —

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:30:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:30:32Z)

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Zitationshilfe: Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lorm_fraeulein_1910/23>, abgerufen am 28.03.2024.