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Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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unmittelbar vor oder nach ihm beladene Saumthiere, welche Kisten schleppten, Geschenke von ihm, Bilder und andere kostbare Ausschmückungen der Gemächer. Die ganze Gegend wurde durch ihn auf einen erhöhten Ton des Wohlbehagens gestimmt. Das Glück machte ihn freigebig, drängte ihn, Andere glücklich zu machen. Und sein Glück war groß, das will sagen, seine Liebe zu der schönen Braut. Und auch sie machte aus ihrer Neigung kein Hehl. Wenn die Liebenden durch das Thal schritten, die verschlungenen Arme lösend und sich wie Kinder an den Händen fassend, dann lächelten Diejenigen, die sie sahen, unwillkürlich, als hätte sie ein eigenes Glück berührt. Auch der Baron hatte sein hartes, mißmuthiges Wesen aufgegeben und zeigte überall seine herzliche Beistimmung, seine väterliche Freude.

Und wieder einmal, es war im Spätherbst, kam der glückliche junge Bräutigam zum Besuch seiner Verlobten in das Dorf. Wie gewöhnlich hielt er zu Pferde, nur mit einem Mantelsack ausgestattet, vor dem Wirthshaus. Es war aber diesmal schon tiefe Nacht, weil der Postmeister auf der ungefähr drei Meilen entfernten Station, der ihm stets das Reitpferd stellte, diesmal ein solches nicht so rasch zur Verfügung gehabt hatte, nachdem er einige Stunden früher einem fremden Cavalier, der mit seinem Diener in dieselbe Gegend gewollt, zwei Pferde hatte überlassen müssen.

In so später Stunde konnte oder wollte der junge Mann sich nicht mehr unmittelbar auf das Schloß ver-

unmittelbar vor oder nach ihm beladene Saumthiere, welche Kisten schleppten, Geschenke von ihm, Bilder und andere kostbare Ausschmückungen der Gemächer. Die ganze Gegend wurde durch ihn auf einen erhöhten Ton des Wohlbehagens gestimmt. Das Glück machte ihn freigebig, drängte ihn, Andere glücklich zu machen. Und sein Glück war groß, das will sagen, seine Liebe zu der schönen Braut. Und auch sie machte aus ihrer Neigung kein Hehl. Wenn die Liebenden durch das Thal schritten, die verschlungenen Arme lösend und sich wie Kinder an den Händen fassend, dann lächelten Diejenigen, die sie sahen, unwillkürlich, als hätte sie ein eigenes Glück berührt. Auch der Baron hatte sein hartes, mißmuthiges Wesen aufgegeben und zeigte überall seine herzliche Beistimmung, seine väterliche Freude.

Und wieder einmal, es war im Spätherbst, kam der glückliche junge Bräutigam zum Besuch seiner Verlobten in das Dorf. Wie gewöhnlich hielt er zu Pferde, nur mit einem Mantelsack ausgestattet, vor dem Wirthshaus. Es war aber diesmal schon tiefe Nacht, weil der Postmeister auf der ungefähr drei Meilen entfernten Station, der ihm stets das Reitpferd stellte, diesmal ein solches nicht so rasch zur Verfügung gehabt hatte, nachdem er einige Stunden früher einem fremden Cavalier, der mit seinem Diener in dieselbe Gegend gewollt, zwei Pferde hatte überlassen müssen.

In so später Stunde konnte oder wollte der junge Mann sich nicht mehr unmittelbar auf das Schloß ver-

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[0016] unmittelbar vor oder nach ihm beladene Saumthiere, welche Kisten schleppten, Geschenke von ihm, Bilder und andere kostbare Ausschmückungen der Gemächer. Die ganze Gegend wurde durch ihn auf einen erhöhten Ton des Wohlbehagens gestimmt. Das Glück machte ihn freigebig, drängte ihn, Andere glücklich zu machen. Und sein Glück war groß, das will sagen, seine Liebe zu der schönen Braut. Und auch sie machte aus ihrer Neigung kein Hehl. Wenn die Liebenden durch das Thal schritten, die verschlungenen Arme lösend und sich wie Kinder an den Händen fassend, dann lächelten Diejenigen, die sie sahen, unwillkürlich, als hätte sie ein eigenes Glück berührt. Auch der Baron hatte sein hartes, mißmuthiges Wesen aufgegeben und zeigte überall seine herzliche Beistimmung, seine väterliche Freude. Und wieder einmal, es war im Spätherbst, kam der glückliche junge Bräutigam zum Besuch seiner Verlobten in das Dorf. Wie gewöhnlich hielt er zu Pferde, nur mit einem Mantelsack ausgestattet, vor dem Wirthshaus. Es war aber diesmal schon tiefe Nacht, weil der Postmeister auf der ungefähr drei Meilen entfernten Station, der ihm stets das Reitpferd stellte, diesmal ein solches nicht so rasch zur Verfügung gehabt hatte, nachdem er einige Stunden früher einem fremden Cavalier, der mit seinem Diener in dieselbe Gegend gewollt, zwei Pferde hatte überlassen müssen. In so später Stunde konnte oder wollte der junge Mann sich nicht mehr unmittelbar auf das Schloß ver-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:30:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:30:32Z)

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Zitationshilfe: Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lorm_fraeulein_1910/16>, abgerufen am 29.03.2024.