Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lorinser, Carl Ignaz: Der Sieg über die Branntweinpest in Oberschlesien. Oppeln, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

auf immer zu entsagen, zumal wenn diese Leidenschaft sich überdies durch eine physische Nöthigung verstärkt, und im eigentlichen Sinn bereits zu einer zweiten Natur geworden ist. Wer aber die Trunksucht kennt, der weiß auch, daß sie unter den Feinden, die der Mensch in seinem Innern bergen und ernähren kann, eine der grausamsten Bestien ist, mit welcher im Kampfe am häufigsten sogar der Starke unterliegt. Gab es doch Manche, und unter diesen auch Seelsorger und Aerzte, welche die Bekehrung eines Säufers kaum für möglich hielten, weil ihnen selbst in ihrem Leben von einer solchen nicht ein Beispiel vorgekommen. Wenn nun unter uns nicht zehn oder zwanzig, nicht hundert oder tausend, sondern viele Tausende fast gleichzeitig den Banden dieses Dämons sich entrissen, und fest der ferneren Versuchung widerstehen, also den schwersten und schönsten Sieg, den je ein Mensch gewinnen kann, den Sieg über sich selbst erringen, so ist dies ein Phänomen, zu welchem ein gleiches in der Geschichte des europäischen Continentes noch gefunden werden soll, und dessen Ursache nicht im bloßen Predigen und Versprechen, Ermahnen und Schreiben, nicht in einer blinden, fast bewußtlosen Nachahmung, am allerwenigsten in polizeilichem Verfügen und Einschreiten gesucht werden darf.

Man wende nicht ein, daß der Klerus sich ungewöhnlicher Mittel bediente, um auf das Volk zu wirken. Die Mittel waren wesentlich dieselben, deren sich die Kirche auch sonst zur Besserung der Sünder bedient, nur in der

auf immer zu entsagen, zumal wenn diese Leidenschaft sich überdies durch eine physische Nöthigung verstärkt, und im eigentlichen Sinn bereits zu einer zweiten Natur geworden ist. Wer aber die Trunksucht kennt, der weiß auch, daß sie unter den Feinden, die der Mensch in seinem Innern bergen und ernähren kann, eine der grausamsten Bestien ist, mit welcher im Kampfe am häufigsten sogar der Starke unterliegt. Gab es doch Manche, und unter diesen auch Seelsorger und Aerzte, welche die Bekehrung eines Säufers kaum für möglich hielten, weil ihnen selbst in ihrem Leben von einer solchen nicht ein Beispiel vorgekommen. Wenn nun unter uns nicht zehn oder zwanzig, nicht hundert oder tausend, sondern viele Tausende fast gleichzeitig den Banden dieses Dämons sich entrissen, und fest der ferneren Versuchung widerstehen, also den schwersten und schönsten Sieg, den je ein Mensch gewinnen kann, den Sieg über sich selbst erringen, so ist dies ein Phänomen, zu welchem ein gleiches in der Geschichte des europäischen Continentes noch gefunden werden soll, und dessen Ursache nicht im bloßen Predigen und Versprechen, Ermahnen und Schreiben, nicht in einer blinden, fast bewußtlosen Nachahmung, am allerwenigsten in polizeilichem Verfügen und Einschreiten gesucht werden darf.

Man wende nicht ein, daß der Klerus sich ungewöhnlicher Mittel bediente, um auf das Volk zu wirken. Die Mittel waren wesentlich dieselben, deren sich die Kirche auch sonst zur Besserung der Sünder bedient, nur in der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0032" n="22"/>
auf immer zu entsagen, zumal wenn diese Leidenschaft sich überdies durch eine physische Nöthigung verstärkt, und im eigentlichen Sinn bereits zu einer zweiten Natur geworden ist. Wer aber die Trunksucht kennt, der weiß auch, daß sie unter den Feinden, die der Mensch in seinem Innern bergen und ernähren kann, eine der grausamsten Bestien ist, mit welcher im Kampfe am häufigsten sogar der Starke unterliegt. Gab es doch Manche, und unter diesen auch Seelsorger und Aerzte, welche die Bekehrung eines Säufers kaum für möglich hielten, weil ihnen selbst in ihrem Leben von einer solchen nicht ein Beispiel vorgekommen. Wenn nun unter uns nicht zehn oder zwanzig, nicht hundert oder tausend, sondern viele Tausende fast gleichzeitig den Banden dieses Dämons sich entrissen, und fest der ferneren Versuchung widerstehen, also den schwersten und schönsten Sieg, den je ein Mensch gewinnen kann, den Sieg über sich selbst erringen, so ist dies ein Phänomen, zu welchem ein gleiches in der Geschichte des europäischen Continentes noch gefunden werden soll, und dessen <hi rendition="#g">Ursache</hi> nicht im bloßen Predigen und Versprechen, Ermahnen und Schreiben, nicht in einer blinden, fast bewußtlosen Nachahmung, am allerwenigsten in polizeilichem Verfügen und Einschreiten gesucht werden darf.</p>
        <p>Man wende nicht ein, daß der Klerus sich ungewöhnlicher Mittel bediente, um auf das Volk zu wirken. Die Mittel waren wesentlich dieselben, deren sich die Kirche auch sonst zur Besserung der Sünder bedient, nur in der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0032] auf immer zu entsagen, zumal wenn diese Leidenschaft sich überdies durch eine physische Nöthigung verstärkt, und im eigentlichen Sinn bereits zu einer zweiten Natur geworden ist. Wer aber die Trunksucht kennt, der weiß auch, daß sie unter den Feinden, die der Mensch in seinem Innern bergen und ernähren kann, eine der grausamsten Bestien ist, mit welcher im Kampfe am häufigsten sogar der Starke unterliegt. Gab es doch Manche, und unter diesen auch Seelsorger und Aerzte, welche die Bekehrung eines Säufers kaum für möglich hielten, weil ihnen selbst in ihrem Leben von einer solchen nicht ein Beispiel vorgekommen. Wenn nun unter uns nicht zehn oder zwanzig, nicht hundert oder tausend, sondern viele Tausende fast gleichzeitig den Banden dieses Dämons sich entrissen, und fest der ferneren Versuchung widerstehen, also den schwersten und schönsten Sieg, den je ein Mensch gewinnen kann, den Sieg über sich selbst erringen, so ist dies ein Phänomen, zu welchem ein gleiches in der Geschichte des europäischen Continentes noch gefunden werden soll, und dessen Ursache nicht im bloßen Predigen und Versprechen, Ermahnen und Schreiben, nicht in einer blinden, fast bewußtlosen Nachahmung, am allerwenigsten in polizeilichem Verfügen und Einschreiten gesucht werden darf. Man wende nicht ein, daß der Klerus sich ungewöhnlicher Mittel bediente, um auf das Volk zu wirken. Die Mittel waren wesentlich dieselben, deren sich die Kirche auch sonst zur Besserung der Sünder bedient, nur in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-04-11T13:16:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-04-11T13:16:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-04-11T13:16:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lorinser_branntweinpest_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lorinser_branntweinpest_1845/32
Zitationshilfe: Lorinser, Carl Ignaz: Der Sieg über die Branntweinpest in Oberschlesien. Oppeln, 1845, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lorinser_branntweinpest_1845/32>, abgerufen am 19.04.2024.