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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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am Berge, sie blickte auf: Pistor stand vor ihr. Ein Freudenschrei empfing ihn; er setzte sich zu ihr unter die breiten Aeste des Nußbaumes, es war ihr, als sei es ein schöner Traum. Jetzt erst fühlte sie, wie Mittheilung und Vertrauen das Herz erleichtert, wie die Gegenwart, die Stimme, der Blick so viel mehr gilt, als ein geschriebenes Wort. -- Eine halbe Stunde an seiner Seite, in seinem Schutze, und sie dünkte sich wieder die frohe, glückliche Mariane, obgleich Thränen ihr Auge benetzten; sie faßte wieder Muth und Hoffnung und gelangte zu einer Sicherheit des Gefühls, die sie lange entbehrt hatte. -- Indessen verschwanden die blitzenden Strahlen auf den Wellen, die Freundin kam, an den Heimweg zu mahnen, umarmte Marianen herzlich und sah fast so glücklich aus, als sie selbst. Du hast gewußt, daß er kommt ! flüsterte Mariane. Freilich, antwortete Jene, ich wußte es, aber die Mama nicht. --

Wie schön war der Weg in der abendlichen Kühle, da er nun neben ihr ging und jedes Wort eine vertraute Beziehung, einen geheimen Sinn hatte. Nur zu bald erreichten sie die Stadt; es war dunkel geworden, die beiden Andern schieden an ihrer Wohnung, Leo nahm Marianens Arm, sie gingen mit unaussprechlichem Behagen durch die dämmerigen Straßen hin. Plötzlich erschien ein Begleiter an ihrer Seite, der mehrere Schritte dicht neben Marianen blieb, sie dreist ansah, laut und höhnisch mit ihrem Namen grüßte und dann

am Berge, sie blickte auf: Pistor stand vor ihr. Ein Freudenschrei empfing ihn; er setzte sich zu ihr unter die breiten Aeste des Nußbaumes, es war ihr, als sei es ein schöner Traum. Jetzt erst fühlte sie, wie Mittheilung und Vertrauen das Herz erleichtert, wie die Gegenwart, die Stimme, der Blick so viel mehr gilt, als ein geschriebenes Wort. — Eine halbe Stunde an seiner Seite, in seinem Schutze, und sie dünkte sich wieder die frohe, glückliche Mariane, obgleich Thränen ihr Auge benetzten; sie faßte wieder Muth und Hoffnung und gelangte zu einer Sicherheit des Gefühls, die sie lange entbehrt hatte. — Indessen verschwanden die blitzenden Strahlen auf den Wellen, die Freundin kam, an den Heimweg zu mahnen, umarmte Marianen herzlich und sah fast so glücklich aus, als sie selbst. Du hast gewußt, daß er kommt ! flüsterte Mariane. Freilich, antwortete Jene, ich wußte es, aber die Mama nicht. —

Wie schön war der Weg in der abendlichen Kühle, da er nun neben ihr ging und jedes Wort eine vertraute Beziehung, einen geheimen Sinn hatte. Nur zu bald erreichten sie die Stadt; es war dunkel geworden, die beiden Andern schieden an ihrer Wohnung, Leo nahm Marianens Arm, sie gingen mit unaussprechlichem Behagen durch die dämmerigen Straßen hin. Plötzlich erschien ein Begleiter an ihrer Seite, der mehrere Schritte dicht neben Marianen blieb, sie dreist ansah, laut und höhnisch mit ihrem Namen grüßte und dann

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[0047] am Berge, sie blickte auf: Pistor stand vor ihr. Ein Freudenschrei empfing ihn; er setzte sich zu ihr unter die breiten Aeste des Nußbaumes, es war ihr, als sei es ein schöner Traum. Jetzt erst fühlte sie, wie Mittheilung und Vertrauen das Herz erleichtert, wie die Gegenwart, die Stimme, der Blick so viel mehr gilt, als ein geschriebenes Wort. — Eine halbe Stunde an seiner Seite, in seinem Schutze, und sie dünkte sich wieder die frohe, glückliche Mariane, obgleich Thränen ihr Auge benetzten; sie faßte wieder Muth und Hoffnung und gelangte zu einer Sicherheit des Gefühls, die sie lange entbehrt hatte. — Indessen verschwanden die blitzenden Strahlen auf den Wellen, die Freundin kam, an den Heimweg zu mahnen, umarmte Marianen herzlich und sah fast so glücklich aus, als sie selbst. Du hast gewußt, daß er kommt ! flüsterte Mariane. Freilich, antwortete Jene, ich wußte es, aber die Mama nicht. — Wie schön war der Weg in der abendlichen Kühle, da er nun neben ihr ging und jedes Wort eine vertraute Beziehung, einen geheimen Sinn hatte. Nur zu bald erreichten sie die Stadt; es war dunkel geworden, die beiden Andern schieden an ihrer Wohnung, Leo nahm Marianens Arm, sie gingen mit unaussprechlichem Behagen durch die dämmerigen Straßen hin. Plötzlich erschien ein Begleiter an ihrer Seite, der mehrere Schritte dicht neben Marianen blieb, sie dreist ansah, laut und höhnisch mit ihrem Namen grüßte und dann

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:20:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:20:58Z)

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/47>, abgerufen am 19.04.2024.