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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ihm gern zu, lachte über seinen treffenden Witz und vermißte ihn, wenn er ausblieb, weil der Vater ihn so lieb hatte. Justine konnte ihn nicht leiden; eben so offen, wie sie den Hauptmann begünstigte, zeigte sie sich als Börner's Widersacherin. Das weiß ich nicht, sagte sie zu Marianen, was der Vater an Dem hat. Meine Augen sind die schlechtesten im ganzen Hause, den Wolf im Schafspelz werden sie doch gewahr. Und ich merke noch was, das Andere nicht merken. Ich bin ihm auch ein Dorn im Auge, ja, mir zur Kränkung trägt er allemal die ganze Straße an den Füßen mit herauf und beschmutzt mir den gebürsteten Teppich.

Glaube das nicht, Justine, sagte Mariane, Börner scheint nicht viel auf Zierlichkeit zu halten.

Das ist wahr, erwiderte die Alte, weiß er doch nicht, wie er die langen Glieder tragen soll, seine Kleider stehen ihm an, als gehörten sie jemand Anderem, sein Jabot und seine Manschetten sind so vergelbt und zerknittert, daß es mir in den Fingern zuckt, sie unter die Plätte zu nehmen. Der Hauptmann ist ein ganz anderer Mann. Ich habe mich immer gefreut, wenn er so freundlich mit mir war, als hätte er mir Großes zu danken. Er glaubt vielleicht nicht, wie die alte Justine sein Glück wünscht. Du darfst nicht roth werden, Marianchen, was ich weiß, weiß ich lange, und Niemand soll es erfahren.

Ach, Justine, seufzte das Mädchen, es geht den Sachsen traurig im Lager. Ich zittre, daß sie gefangen

ihm gern zu, lachte über seinen treffenden Witz und vermißte ihn, wenn er ausblieb, weil der Vater ihn so lieb hatte. Justine konnte ihn nicht leiden; eben so offen, wie sie den Hauptmann begünstigte, zeigte sie sich als Börner's Widersacherin. Das weiß ich nicht, sagte sie zu Marianen, was der Vater an Dem hat. Meine Augen sind die schlechtesten im ganzen Hause, den Wolf im Schafspelz werden sie doch gewahr. Und ich merke noch was, das Andere nicht merken. Ich bin ihm auch ein Dorn im Auge, ja, mir zur Kränkung trägt er allemal die ganze Straße an den Füßen mit herauf und beschmutzt mir den gebürsteten Teppich.

Glaube das nicht, Justine, sagte Mariane, Börner scheint nicht viel auf Zierlichkeit zu halten.

Das ist wahr, erwiderte die Alte, weiß er doch nicht, wie er die langen Glieder tragen soll, seine Kleider stehen ihm an, als gehörten sie jemand Anderem, sein Jabot und seine Manschetten sind so vergelbt und zerknittert, daß es mir in den Fingern zuckt, sie unter die Plätte zu nehmen. Der Hauptmann ist ein ganz anderer Mann. Ich habe mich immer gefreut, wenn er so freundlich mit mir war, als hätte er mir Großes zu danken. Er glaubt vielleicht nicht, wie die alte Justine sein Glück wünscht. Du darfst nicht roth werden, Marianchen, was ich weiß, weiß ich lange, und Niemand soll es erfahren.

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[0016] ihm gern zu, lachte über seinen treffenden Witz und vermißte ihn, wenn er ausblieb, weil der Vater ihn so lieb hatte. Justine konnte ihn nicht leiden; eben so offen, wie sie den Hauptmann begünstigte, zeigte sie sich als Börner's Widersacherin. Das weiß ich nicht, sagte sie zu Marianen, was der Vater an Dem hat. Meine Augen sind die schlechtesten im ganzen Hause, den Wolf im Schafspelz werden sie doch gewahr. Und ich merke noch was, das Andere nicht merken. Ich bin ihm auch ein Dorn im Auge, ja, mir zur Kränkung trägt er allemal die ganze Straße an den Füßen mit herauf und beschmutzt mir den gebürsteten Teppich. Glaube das nicht, Justine, sagte Mariane, Börner scheint nicht viel auf Zierlichkeit zu halten. Das ist wahr, erwiderte die Alte, weiß er doch nicht, wie er die langen Glieder tragen soll, seine Kleider stehen ihm an, als gehörten sie jemand Anderem, sein Jabot und seine Manschetten sind so vergelbt und zerknittert, daß es mir in den Fingern zuckt, sie unter die Plätte zu nehmen. Der Hauptmann ist ein ganz anderer Mann. Ich habe mich immer gefreut, wenn er so freundlich mit mir war, als hätte er mir Großes zu danken. Er glaubt vielleicht nicht, wie die alte Justine sein Glück wünscht. Du darfst nicht roth werden, Marianchen, was ich weiß, weiß ich lange, und Niemand soll es erfahren. Ach, Justine, seufzte das Mädchen, es geht den Sachsen traurig im Lager. Ich zittre, daß sie gefangen

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/16>, abgerufen am 28.03.2024.