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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Nachrichten. Da jedoch Justine eben so gut sächsisch als preußisch gesinnt war, that ihr dieser Enthusiast oft nicht minder weh, als Ellinger, besonders wenn er die Gefangennehmung der Truppen vorhersagte, denen sie, um Pistor's willen, einen ehrenvollen Abzug wünschte.

Außer dem Hauptmann besuchte noch ein anderer junger Mann das Haus, der Calculator Börner, der unter Ellinger bei der Casse arbeitete. Seine lange Gestalt hatte etwas Steifes, Ungelenkes, sein schmales blasses Gesicht empfahl nur der durchdringend kluge Blick, dagegen stieß ein Zug von Satyre, der auch in seinem Gespräche der Grundton war, Manchen zurück. Ellinger kannte ihn lange, hatte ihm viel Dienste geleistet, eben so viele Beweise des Dankes erhalten und glaubte seinen Charakter vollkommen erforscht zu haben. Der spielende Witz, der Dörnern zu Gebote stand, erheiterte die Abendstunden seines älteren Freundes, aber er war nicht weniger bereit zu ernster Unterhaltung; es gab kein Fach, in welchem er sich nicht mit Leichtigkeit bewegte, er konnte Alles mit großer Beredsamkeit vertheidigen, wußte selbst Scheingründe siegreich ins Feld zu stellen, blieb keiner Frage eine Antwort schuldig und verstand doch zu rechter Zeit, der Meinung Anderer zu weichen. In seinem Wesen war nichts Jugendliches, er gefiel daher mehr den Alten, als seines Gleichen, mehr den Vätern, als ihren Töchtern. Doch hörte Mariane

Nachrichten. Da jedoch Justine eben so gut sächsisch als preußisch gesinnt war, that ihr dieser Enthusiast oft nicht minder weh, als Ellinger, besonders wenn er die Gefangennehmung der Truppen vorhersagte, denen sie, um Pistor's willen, einen ehrenvollen Abzug wünschte.

Außer dem Hauptmann besuchte noch ein anderer junger Mann das Haus, der Calculator Börner, der unter Ellinger bei der Casse arbeitete. Seine lange Gestalt hatte etwas Steifes, Ungelenkes, sein schmales blasses Gesicht empfahl nur der durchdringend kluge Blick, dagegen stieß ein Zug von Satyre, der auch in seinem Gespräche der Grundton war, Manchen zurück. Ellinger kannte ihn lange, hatte ihm viel Dienste geleistet, eben so viele Beweise des Dankes erhalten und glaubte seinen Charakter vollkommen erforscht zu haben. Der spielende Witz, der Dörnern zu Gebote stand, erheiterte die Abendstunden seines älteren Freundes, aber er war nicht weniger bereit zu ernster Unterhaltung; es gab kein Fach, in welchem er sich nicht mit Leichtigkeit bewegte, er konnte Alles mit großer Beredsamkeit vertheidigen, wußte selbst Scheingründe siegreich ins Feld zu stellen, blieb keiner Frage eine Antwort schuldig und verstand doch zu rechter Zeit, der Meinung Anderer zu weichen. In seinem Wesen war nichts Jugendliches, er gefiel daher mehr den Alten, als seines Gleichen, mehr den Vätern, als ihren Töchtern. Doch hörte Mariane

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:20:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/15>, abgerufen am 28.03.2024.