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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Römischen Heers gegen ihm herfür. Dieses
waren tausend mit kupffernen Schilden und
schupfichten Pantzern aus dem alten Kerne der
Römischen Kriegsleute ausgelesene freywillige/
welche schon ihre zwantzigjährige Dienste aus-
gestanden und ansehnliche Kriegs-Aemter ver-
waltet/ auch keine Wache oder andere Arbeit
mehr zu vertreten/ sondern nur den Feldherrn
zu beschirmen hatte/ und auff ihren Schilden
den Nahmen des Kaysers mit Golde eingeetzt
führten. Diese thaten wohl ihr bestes unter ih-
rem streitbarem Führer Cäcina; und fochten
nach Gelegenheit des engen oder geraumen
Orts bald mit ihrem kurtzen/ bald mit dem langen
Spanischen Degen/ wormit die lincke/ wie mit
jenem die rechte Seite versehen war. Alleine
die Keckesten wurden unverlängt von der deut-
schen Reuterey zu Grunde gerichtet/ und der
Feldherr kam dem Varus so nahe/ daß/ ob wohl
die Römischen Kriegsleute ihn mit ihren Schil-
den auffs möglichste verdeckten/ er ihm einen
Wurffspieß in die Schulter jagte; dem Qvin-
tilius Manlius aber in Hals einen tödtlichen
Stich versetzte/ und mit eigner Hand ihm den
Römischen Adler ausriß. Nachdem auch in-
zwischen beyde Römische Flügel gantz aus dem
Felde geschlagen waren/ drang Fürst Catumer
und Sesitach mit der Reuterey auff den Va-
rus loß. Wodurch der letzte noch stehende
Rest des Römischen Heeres in öffentliche Flucht/
Qvintilius Varus aber in eusserste Verzweif-
felung gebracht ward. Denn als er seine noch
standhaltende Hand voll Volcks auff allen Sei-
ten umringt/ und nirgendshin einige Ausflucht
mehr sahe/ bezeugte er endlich grössere Hertz-
hafftigkeit zu sterben als zu kämpfen/ und re-
dete die nächsten mit diesen Worten an: Las-
set uns/ ihr ehrlichen Römer/ diesen letzten
Schlag des veränderlichen Glücks behertzt er-
tragen/ und lieber dem Tode frisch in die Au-
gen sehen/ als aus einer bevorstehenden Ge-
fängniß noch einige Erlösung hoffen/ und also
[Spaltenumbruch] eine freywillige Entleibung einer knechtischen
Dienstbarkeit fürziehen. Der stirbt desto rühm-
licher/ der noch einige Hoffnung zu leben ü-
brig hat. Jch gestehe/ daß uns Segesthes und
die Götter unser Verderben vorher gesagt;
allein wenn das Verhängniß an unser Glücks-
Rad die Hand anlegt/ können uns keine ver-
träuliche Warnungen aus seiner Verfolgung
entreissen/ und der Scharffsinnigsten Anschlä-
ge werden stumpff und verwirret. Jedoch lasse
ich gerne geschehen/ daß der Schluß der Götter
mit meinem Versehen bekleidet/ und der Zufall
zu meinem Verbrechen gemacht werde. Mein
Großvater Sextus Varus hat in der Pharsa-
lischen Schlacht durch seine eigene/ mein Vater
Varus Qvintilius in dem Philippinischen
Kriege durch seines freygelassenen Hand sich lie-
berhingerichtet ehe sie sich der Willkühr ihrer
Feinde/ die doch Römer waren/ unterwerfen wol-
len. Jchwil es ihnen nachthun/ ehe ich in dieser
Barbarn Hände falle/ und euch ein Beyspiel/ der
Nachwelt aber das Urtheil hinterlassen: Ob ich
durch meine Schuld/ oder durch ein besonders
Verhängnüß meines Geschlechts also vergehe.
Crassus hat durch seine Niederlage gegen die
Parther weniger Schande eingelegt/ als/ daß er
nicht/ wie Publius/ Censorinus und Mega-
bachus ihm selbst das Leben verkürtzet/ sondern
sich in die verrätherischen Hände des Surena
vertrauet/ und des Maxarthes Sebel die Keh-
le dargereichet hat. Von dem Tode mehr Wor-
te zu machen/ ist ein Stücke der Kleinmüthig-
keit. Wie feste ich mir zu sterben fürgesetzt/ kön-
net ihr dahero schlüssen/ daß ich niemanden eini-
ge Schuld beymesse. Denn sich über Men-
schen und Götter beklagen/ stehet nur dem an/
der länger zu leben begehret. Ein König aber
soll seines Reiches/ ein Knecht seines Herrn/ ein
Kriegsmann seines Obersten/ ein Feld-Haupt-
mann seines Heeres Wohlstand nicht überle-
ben. Hiemit umhüllete er mit seinem Gold-
gestückten Purpur-Mantel sein Haupt/ und

stach
Erster Theil. G

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Roͤmiſchen Heers gegen ihm herfuͤr. Dieſes
waren tauſend mit kupffernen Schilden und
ſchupfichten Pantzern aus dem alten Kerne der
Roͤmiſchen Kriegsleute ausgeleſene freywillige/
welche ſchon ihre zwantzigjaͤhrige Dienſte aus-
geſtanden und anſehnliche Kriegs-Aemter ver-
waltet/ auch keine Wache oder andere Arbeit
mehr zu vertreten/ ſondern nur den Feldherrn
zu beſchirmen hatte/ und auff ihren Schilden
den Nahmen des Kayſers mit Golde eingeetzt
fuͤhrten. Dieſe thaten wohl ihr beſtes unter ih-
rem ſtreitbarem Fuͤhrer Caͤcina; und fochten
nach Gelegenheit des engen oder geraumen
Oꝛts bald mit ihꝛem kuꝛtzen/ bald mit dem langen
Spaniſchen Degen/ wormit die lincke/ wie mit
jenem die rechte Seite verſehen war. Alleine
die Keckeſten wurden unverlaͤngt von der deut-
ſchen Reuterey zu Grunde gerichtet/ und der
Feldherr kam dem Varus ſo nahe/ daß/ ob wohl
die Roͤmiſchen Kriegsleute ihn mit ihren Schil-
den auffs moͤglichſte verdeckten/ er ihm einen
Wurffſpieß in die Schulter jagte; dem Qvin-
tilius Manlius aber in Hals einen toͤdtlichen
Stich verſetzte/ und mit eigner Hand ihm den
Roͤmiſchen Adler ausriß. Nachdem auch in-
zwiſchen beyde Roͤmiſche Fluͤgel gantz aus dem
Felde geſchlagen waren/ drang Fuͤrſt Catumer
und Seſitach mit der Reuterey auff den Va-
rus loß. Wodurch der letzte noch ſtehende
Reſt des Roͤmiſchen Heeres in oͤffentliche Flucht/
Qvintilius Varus aber in euſſerſte Verzweif-
felung gebracht ward. Denn als er ſeine noch
ſtandhaltende Hand voll Volcks auff allen Sei-
ten umringt/ und nirgendshin einige Ausflucht
mehr ſahe/ bezeugte er endlich groͤſſere Hertz-
hafftigkeit zu ſterben als zu kaͤmpfen/ und re-
dete die naͤchſten mit dieſen Worten an: Laſ-
ſet uns/ ihr ehrlichen Roͤmer/ dieſen letzten
Schlag des veraͤnderlichen Gluͤcks behertzt er-
tragen/ und lieber dem Tode friſch in die Au-
gen ſehen/ als aus einer bevorſtehenden Ge-
faͤngniß noch einige Erloͤſung hoffen/ und alſo
[Spaltenumbruch] eine freywillige Entleibung einer knechtiſchen
Dienſtbarkeit fuͤrziehen. Der ſtirbt deſto ruͤhm-
licher/ der noch einige Hoffnung zu leben uͤ-
brig hat. Jch geſtehe/ daß uns Segeſthes und
die Goͤtter unſer Verderben vorher geſagt;
allein wenn das Verhaͤngniß an unſer Gluͤcks-
Rad die Hand anlegt/ koͤnnen uns keine ver-
traͤuliche Warnungen aus ſeiner Verfolgung
entreiſſen/ und der Scharffſinnigſten Anſchlaͤ-
ge werden ſtumpff und verwirret. Jedoch laſſe
ich gerne geſchehen/ daß der Schluß der Goͤtter
mit meinem Verſehen bekleidet/ und der Zufall
zu meinem Verbrechen gemacht werde. Mein
Großvater Sextus Varus hat in der Pharſa-
liſchen Schlacht durch ſeine eigene/ mein Vater
Varus Qvintilius in dem Philippiniſchen
Kriege durch ſeines freygelaſſenen Hand ſich lie-
berhingerichtet ehe ſie ſich der Willkuͤhr ihrer
Feinde/ die doch Roͤmeꝛ waren/ unteꝛwerfen wol-
len. Jchwil es ihnen nachthun/ ehe ich in dieſer
Barbaꝛn Haͤnde falle/ und euch ein Beyſpiel/ deꝛ
Nachwelt aber das Urtheil hinterlaſſen: Ob ich
durch meine Schuld/ oder durch ein beſonders
Verhaͤngnuͤß meines Geſchlechts alſo vergehe.
Craſſus hat durch ſeine Niederlage gegen die
Parther weniger Schande eingelegt/ als/ daß er
nicht/ wie Publius/ Cenſorinus und Mega-
bachus ihm ſelbſt das Leben verkuͤrtzet/ ſondern
ſich in die verraͤtheriſchen Haͤnde des Surena
vertrauet/ und des Maxarthes Sebel die Keh-
le dargereichet hat. Von dem Tode mehr Wor-
te zu machen/ iſt ein Stuͤcke der Kleinmuͤthig-
keit. Wie feſte ich mir zu ſterben fuͤrgeſetzt/ koͤn-
net ihr dahero ſchluͤſſen/ daß ich niemanden eini-
ge Schuld beymeſſe. Denn ſich uͤber Men-
ſchen und Goͤtter beklagen/ ſtehet nur dem an/
der laͤnger zu leben begehret. Ein Koͤnig aber
ſoll ſeines Reiches/ ein Knecht ſeines Herrn/ ein
Kriegsmann ſeines Oberſten/ ein Feld-Haupt-
mann ſeines Heeres Wohlſtand nicht uͤberle-
ben. Hiemit umhuͤllete er mit ſeinem Gold-
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Erſter Theil. G
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[49/0097] Arminius und Thußnelda. Roͤmiſchen Heers gegen ihm herfuͤr. Dieſes waren tauſend mit kupffernen Schilden und ſchupfichten Pantzern aus dem alten Kerne der Roͤmiſchen Kriegsleute ausgeleſene freywillige/ welche ſchon ihre zwantzigjaͤhrige Dienſte aus- geſtanden und anſehnliche Kriegs-Aemter ver- waltet/ auch keine Wache oder andere Arbeit mehr zu vertreten/ ſondern nur den Feldherrn zu beſchirmen hatte/ und auff ihren Schilden den Nahmen des Kayſers mit Golde eingeetzt fuͤhrten. Dieſe thaten wohl ihr beſtes unter ih- rem ſtreitbarem Fuͤhrer Caͤcina; und fochten nach Gelegenheit des engen oder geraumen Oꝛts bald mit ihꝛem kuꝛtzen/ bald mit dem langen Spaniſchen Degen/ wormit die lincke/ wie mit jenem die rechte Seite verſehen war. Alleine die Keckeſten wurden unverlaͤngt von der deut- ſchen Reuterey zu Grunde gerichtet/ und der Feldherr kam dem Varus ſo nahe/ daß/ ob wohl die Roͤmiſchen Kriegsleute ihn mit ihren Schil- den auffs moͤglichſte verdeckten/ er ihm einen Wurffſpieß in die Schulter jagte; dem Qvin- tilius Manlius aber in Hals einen toͤdtlichen Stich verſetzte/ und mit eigner Hand ihm den Roͤmiſchen Adler ausriß. Nachdem auch in- zwiſchen beyde Roͤmiſche Fluͤgel gantz aus dem Felde geſchlagen waren/ drang Fuͤrſt Catumer und Seſitach mit der Reuterey auff den Va- rus loß. Wodurch der letzte noch ſtehende Reſt des Roͤmiſchen Heeres in oͤffentliche Flucht/ Qvintilius Varus aber in euſſerſte Verzweif- felung gebracht ward. Denn als er ſeine noch ſtandhaltende Hand voll Volcks auff allen Sei- ten umringt/ und nirgendshin einige Ausflucht mehr ſahe/ bezeugte er endlich groͤſſere Hertz- hafftigkeit zu ſterben als zu kaͤmpfen/ und re- dete die naͤchſten mit dieſen Worten an: Laſ- ſet uns/ ihr ehrlichen Roͤmer/ dieſen letzten Schlag des veraͤnderlichen Gluͤcks behertzt er- tragen/ und lieber dem Tode friſch in die Au- gen ſehen/ als aus einer bevorſtehenden Ge- faͤngniß noch einige Erloͤſung hoffen/ und alſo eine freywillige Entleibung einer knechtiſchen Dienſtbarkeit fuͤrziehen. Der ſtirbt deſto ruͤhm- licher/ der noch einige Hoffnung zu leben uͤ- brig hat. Jch geſtehe/ daß uns Segeſthes und die Goͤtter unſer Verderben vorher geſagt; allein wenn das Verhaͤngniß an unſer Gluͤcks- Rad die Hand anlegt/ koͤnnen uns keine ver- traͤuliche Warnungen aus ſeiner Verfolgung entreiſſen/ und der Scharffſinnigſten Anſchlaͤ- ge werden ſtumpff und verwirret. Jedoch laſſe ich gerne geſchehen/ daß der Schluß der Goͤtter mit meinem Verſehen bekleidet/ und der Zufall zu meinem Verbrechen gemacht werde. Mein Großvater Sextus Varus hat in der Pharſa- liſchen Schlacht durch ſeine eigene/ mein Vater Varus Qvintilius in dem Philippiniſchen Kriege durch ſeines freygelaſſenen Hand ſich lie- berhingerichtet ehe ſie ſich der Willkuͤhr ihrer Feinde/ die doch Roͤmeꝛ waren/ unteꝛwerfen wol- len. Jchwil es ihnen nachthun/ ehe ich in dieſer Barbaꝛn Haͤnde falle/ und euch ein Beyſpiel/ deꝛ Nachwelt aber das Urtheil hinterlaſſen: Ob ich durch meine Schuld/ oder durch ein beſonders Verhaͤngnuͤß meines Geſchlechts alſo vergehe. Craſſus hat durch ſeine Niederlage gegen die Parther weniger Schande eingelegt/ als/ daß er nicht/ wie Publius/ Cenſorinus und Mega- bachus ihm ſelbſt das Leben verkuͤrtzet/ ſondern ſich in die verraͤtheriſchen Haͤnde des Surena vertrauet/ und des Maxarthes Sebel die Keh- le dargereichet hat. Von dem Tode mehr Wor- te zu machen/ iſt ein Stuͤcke der Kleinmuͤthig- keit. Wie feſte ich mir zu ſterben fuͤrgeſetzt/ koͤn- net ihr dahero ſchluͤſſen/ daß ich niemanden eini- ge Schuld beymeſſe. Denn ſich uͤber Men- ſchen und Goͤtter beklagen/ ſtehet nur dem an/ der laͤnger zu leben begehret. Ein Koͤnig aber ſoll ſeines Reiches/ ein Knecht ſeines Herrn/ ein Kriegsmann ſeines Oberſten/ ein Feld-Haupt- mann ſeines Heeres Wohlſtand nicht uͤberle- ben. Hiemit umhuͤllete er mit ſeinem Gold- geſtuͤckten Purpur-Mantel ſein Haupt/ und ſtach Erſter Theil. G

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/97>, abgerufen am 25.04.2024.