Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Bewegung aber für eine Flucht gehalten würde.
Ja wer auch nur an dem Siege zweiffelte/ der
füchte nicht/ sondern versetzte nur die feindlichen
Streiche ohne einigen behertzten Angriff; und
also räumte er insgemein das Feld/ nicht weil
er es verspielet/ sondern weil er es verspielt zu
haben aus Schrecken glaubete. Hierauff ge-
riet Hertzog Herrmann gleich zu hoher Zeit auf
die Wahlstatt/ allwo der Vortrab die Macht
des gantzen Römischen Lägers mit unaussprech-
licher Tapfferkeit schon eine Stunde auffgehal-
ten hatte. Welches an sich selbst unmöglich
gewest wäre/ wenn nicht Hertzog Segimer
sich des Vortheils der daselbst vermengten Thä-
ler/ Berge und Wälder bedienet/ und an einem
engen Furthe/ allwo die Römischen Legionen
sich nicht völlig auff ihn ausbreiten konten/
Fuß gesetzt hätte. Catumer und Sesitach
thäten mit ihren jungen Edelleuten Wunder-
wercke von Tapfferkeit/ Segimer aber wie-
se alle Künste eines erfahrnen Feld-Haupt-
manns. Herrmann wahrnehmende: daß es
wegen dieses Vortheils mit dem Segimer kei-
ne Noth hatte/ suchte ihm einen andern Weg/
durch ein Gestrittig an den Feind zu kommen/
um des Segimers Hauffen ein wenig Lufft
zu machen/ und hatte das Glücke auff des
Qvintilius Varus Leibwache zu treffen/ wel-
che Lucius Eggius anführte. Beyde erkenn-
ten einander an ihrer Rüstung/ und dahero
drangen sie gegeneinander mit Gewalt durch/
um an einander zu kommen. Denen ihri-
gen befahlen sie/ daß sie nicht hauen/ sondern
nur stechen/ und insonderheit nach dem Ant-
litze zielen solten. Herrmann und Eggius
fochten gegeneinander wie zwey wütende Pan-
terthiere. Nachdem aber weder Lantzen noch
Schwerdter einem unter ihnen einigen Vor-
theil über den andern verleihen wolten/ spreng-
te Herrmann an den Eggius hart an/ umar-
mete ihn so feste/ daß sie beyde zur Erden fie-
len. Ob nun zwar Herrmann oben zu lie-
[Spaltenumbruch] gen kam/ war doch die Menge der Römer/ so
diesem Römischen Heerführer zu hülffe kamen/
so groß daß Herrmann den unter sich gebrachten
Eggius verlaßen/ und zu Fuße wider tausend
Lantzen und Degen sich vertheidigen muste. Fürst
Adgandester/ welcher der Oberste unter denen
Grafen oder Gefärthen des Feldherrn war/
die/ wie bey den Galliern die so genannten
Soldurier aus dem Kerne des Adels von de-
nen Deutschen Fürsten nichts minder im Frie-
de zur Pracht und allen fürnehmen Hoffäm-
tern/ als im Kriege zu ihrer Leibwache pflegen
erkieset zu werden/ ward dieser dem Feldherrn
zustossenden Gefahr inne. Weil nun dieser
Gefärthen Pflicht ist/ daß/ wie ihr Hertzog oh-
ne Schimpff keinen es ihm darff an Tapffer-
keit zuvor thun lassen/ also ihnen eine nicht ge-
ringere Schande sey/ des Fürstens Tugend
nicht gleiche kommen/ ja ein unausleschliches
Brandmahl ihres gantzen Lebens/ ohne den
Hertzog lebendig aus der Schlacht kommen;
Weßwegen sie auch auff dem Helme einen
kohlschwartzen Federpusch führen; so drang
er nicht alleine durch das Gedränge der Rö-
mer verzweiffelt durch/ sondern ermunterte
auch durch sein Beyspiel noch dreißig andere
Ritter/ welche wie der Fürst für den Sieg/ al-
so sie für ihren Fürsten zu streiten/ und ihm alle
ihre Heldenthaten zuzueignen verbunden/ und
wenn nur einer für dem andern Ehre einle-
gen kan/ dem Tode selbst das blaue in Augen zu
sehen gewohnt sind. Diese machten durch ihre
gleichsam blitzende Streiche/ deren ieder fast ei-
nem Römer das Licht auslöschte/ dem Feldherrn
ein wenig Lufft/ und Adgandester/ welcher
ihm mit seinem Schilde viel Streiche abgeleh-
net/ hingegen selbst sieben Wunden hierüber be-
kommen hatte/ Raum und Gelegenheit/ daß
Herrmann wieder zu Pferde kommen konte;
indem er selbst von dem seinigen absprang/ und
es seinen Feldherrn beschreiten ließ. Dieser
war kaum in diesem Stande/ und der von Ver-

blu-
E 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Bewegung aber fuͤꝛ eine Flucht gehalten wuͤrde.
Ja wer auch nur an dem Siege zweiffelte/ der
fuͤchte nicht/ ſondern verſetzte nur die feindlichen
Streiche ohne einigen behertzten Angriff; und
alſo raͤumte er insgemein das Feld/ nicht weil
er es verſpielet/ ſondern weil er es verſpielt zu
haben aus Schrecken glaubete. Hierauff ge-
riet Hertzog Herrmann gleich zu hoher Zeit auf
die Wahlſtatt/ allwo der Vortrab die Macht
des gantzen Roͤmiſchen Laͤgers mit unausſprech-
licher Tapfferkeit ſchon eine Stunde auffgehal-
ten hatte. Welches an ſich ſelbſt unmoͤglich
geweſt waͤre/ wenn nicht Hertzog Segimer
ſich des Vortheils der daſelbſt vermengten Thaͤ-
ler/ Berge und Waͤlder bedienet/ und an einem
engen Furthe/ allwo die Roͤmiſchen Legionen
ſich nicht voͤllig auff ihn ausbreiten konten/
Fuß geſetzt haͤtte. Catumer und Seſitach
thaͤten mit ihren jungen Edelleuten Wunder-
wercke von Tapfferkeit/ Segimer aber wie-
ſe alle Kuͤnſte eines erfahrnen Feld-Haupt-
manns. Herrmann wahrnehmende: daß es
wegen dieſes Vortheils mit dem Segimer kei-
ne Noth hatte/ ſuchte ihm einen andern Weg/
durch ein Geſtrittig an den Feind zu kommen/
um des Segimers Hauffen ein wenig Lufft
zu machen/ und hatte das Gluͤcke auff des
Qvintilius Varus Leibwache zu treffen/ wel-
che Lucius Eggius anfuͤhrte. Beyde erkenn-
ten einander an ihrer Ruͤſtung/ und dahero
drangen ſie gegeneinander mit Gewalt durch/
um an einander zu kommen. Denen ihri-
gen befahlen ſie/ daß ſie nicht hauen/ ſondern
nur ſtechen/ und inſonderheit nach dem Ant-
litze zielen ſolten. Herrmann und Eggius
fochten gegeneinander wie zwey wuͤtende Pan-
terthiere. Nachdem aber weder Lantzen noch
Schwerdter einem unter ihnen einigen Vor-
theil uͤber den andern verleihen wolten/ ſpreng-
te Herrmann an den Eggius hart an/ umar-
mete ihn ſo feſte/ daß ſie beyde zur Erden fie-
len. Ob nun zwar Herrmann oben zu lie-
[Spaltenumbruch] gen kam/ war doch die Menge der Roͤmer/ ſo
dieſem Roͤmiſchen Heerfuͤhrer zu huͤlffe kamen/
ſo groß daß Herrmañ den unter ſich gebrachten
Eggius verlaßen/ und zu Fuße wider tauſend
Lantzen uñ Degen ſich vertheidigen muſte. Fuͤrſt
Adgandeſter/ welcher der Oberſte unter denen
Grafen oder Gefaͤrthen des Feldherrn war/
die/ wie bey den Galliern die ſo genannten
Soldurier aus dem Kerne des Adels von de-
nen Deutſchen Fuͤrſten nichts minder im Frie-
de zur Pracht und allen fuͤrnehmen Hoffaͤm-
tern/ als im Kriege zu ihrer Leibwache pflegen
erkieſet zu werden/ ward dieſer dem Feldherrn
zuſtoſſenden Gefahr inne. Weil nun dieſer
Gefaͤrthen Pflicht iſt/ daß/ wie ihr Hertzog oh-
ne Schimpff keinen es ihm darff an Tapffer-
keit zuvor thun laſſen/ alſo ihnen eine nicht ge-
ringere Schande ſey/ des Fuͤrſtens Tugend
nicht gleiche kommen/ ja ein unausleſchliches
Brandmahl ihres gantzen Lebens/ ohne den
Hertzog lebendig aus der Schlacht kommen;
Weßwegen ſie auch auff dem Helme einen
kohlſchwartzen Federpuſch fuͤhren; ſo drang
er nicht alleine durch das Gedraͤnge der Roͤ-
mer verzweiffelt durch/ ſondern ermunterte
auch durch ſein Beyſpiel noch dreißig andere
Ritter/ welche wie der Fuͤrſt fuͤr den Sieg/ al-
ſo ſie fuͤr ihren Fuͤrſten zu ſtreiten/ und ihm alle
ihre Heldenthaten zuzueignen verbunden/ und
wenn nur einer fuͤr dem andern Ehre einle-
gen kan/ dem Tode ſelbſt das blaue in Augen zu
ſehen gewohnt ſind. Dieſe machten durch ihre
gleichſam blitzende Streiche/ deren ieder faſt ei-
nem Roͤmer das Licht ausloͤſchte/ dem Feldherrn
ein wenig Lufft/ und Adgandeſter/ welcher
ihm mit ſeinem Schilde viel Streiche abgeleh-
net/ hingegen ſelbſt ſieben Wunden hieruͤber be-
kommen hatte/ Raum und Gelegenheit/ daß
Herrmann wieder zu Pferde kommen konte;
indem er ſelbſt von dem ſeinigen abſprang/ und
es ſeinen Feldherrn beſchreiten ließ. Dieſer
war kaum in dieſem Stande/ und der von Ver-

blu-
E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0083" n="35"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
Bewegung aber fu&#x0364;&#xA75B; eine Flucht gehalten wu&#x0364;rde.<lb/>
Ja wer auch nur an dem Siege zweiffelte/ der<lb/>
fu&#x0364;chte nicht/ &#x017F;ondern ver&#x017F;etzte nur die feindlichen<lb/>
Streiche ohne einigen behertzten Angriff; und<lb/>
al&#x017F;o ra&#x0364;umte er insgemein das Feld/ nicht weil<lb/>
er es ver&#x017F;pielet/ &#x017F;ondern weil er es ver&#x017F;pielt zu<lb/>
haben aus Schrecken glaubete. Hierauff ge-<lb/>
riet Hertzog Herrmann gleich zu hoher Zeit auf<lb/>
die Wahl&#x017F;tatt/ allwo der Vortrab die Macht<lb/>
des gantzen Ro&#x0364;mi&#x017F;chen La&#x0364;gers mit unaus&#x017F;prech-<lb/>
licher Tapfferkeit &#x017F;chon eine Stunde auffgehal-<lb/>
ten hatte. Welches an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t unmo&#x0364;glich<lb/>
gewe&#x017F;t wa&#x0364;re/ wenn nicht Hertzog Segimer<lb/>
&#x017F;ich des Vortheils der da&#x017F;elb&#x017F;t vermengten Tha&#x0364;-<lb/>
ler/ Berge und Wa&#x0364;lder bedienet/ und an einem<lb/>
engen Furthe/ allwo die Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Legionen<lb/>
&#x017F;ich nicht vo&#x0364;llig auff ihn ausbreiten konten/<lb/>
Fuß ge&#x017F;etzt ha&#x0364;tte. Catumer und Se&#x017F;itach<lb/>
tha&#x0364;ten mit ihren jungen Edelleuten Wunder-<lb/>
wercke von Tapfferkeit/ Segimer aber wie-<lb/>
&#x017F;e alle Ku&#x0364;n&#x017F;te eines erfahrnen Feld-Haupt-<lb/>
manns. Herrmann wahrnehmende: daß es<lb/>
wegen die&#x017F;es Vortheils mit dem Segimer kei-<lb/>
ne Noth hatte/ &#x017F;uchte ihm einen andern Weg/<lb/>
durch ein Ge&#x017F;trittig an den Feind zu kommen/<lb/>
um des Segimers Hauffen ein wenig Lufft<lb/>
zu machen/ und hatte das Glu&#x0364;cke auff des<lb/>
Qvintilius Varus Leibwache zu treffen/ wel-<lb/>
che Lucius Eggius anfu&#x0364;hrte. Beyde erkenn-<lb/>
ten einander an ihrer Ru&#x0364;&#x017F;tung/ und dahero<lb/>
drangen &#x017F;ie gegeneinander mit Gewalt durch/<lb/>
um an einander zu kommen. Denen ihri-<lb/>
gen befahlen &#x017F;ie/ daß &#x017F;ie nicht hauen/ &#x017F;ondern<lb/>
nur &#x017F;techen/ und in&#x017F;onderheit nach dem Ant-<lb/>
litze zielen &#x017F;olten. Herrmann und Eggius<lb/>
fochten gegeneinander wie zwey wu&#x0364;tende Pan-<lb/>
terthiere. Nachdem aber weder Lantzen noch<lb/>
Schwerdter einem unter ihnen einigen Vor-<lb/>
theil u&#x0364;ber den andern verleihen wolten/ &#x017F;preng-<lb/>
te Herrmann an den Eggius hart an/ umar-<lb/>
mete ihn &#x017F;o fe&#x017F;te/ daß &#x017F;ie beyde zur Erden fie-<lb/>
len. Ob nun zwar Herrmann oben zu lie-<lb/><cb/>
gen kam/ war doch die Menge der Ro&#x0364;mer/ &#x017F;o<lb/>
die&#x017F;em Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Heerfu&#x0364;hrer zu hu&#x0364;lffe kamen/<lb/>
&#x017F;o groß daß Herrman&#x0303; den unter &#x017F;ich gebrachten<lb/>
Eggius verlaßen/ und zu Fuße wider tau&#x017F;end<lb/>
Lantzen un&#x0303; Degen &#x017F;ich vertheidigen mu&#x017F;te. Fu&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
Adgande&#x017F;ter/ welcher der Ober&#x017F;te unter denen<lb/>
Grafen oder Gefa&#x0364;rthen des Feldherrn war/<lb/>
die/ wie bey den Galliern die &#x017F;o genannten<lb/>
Soldurier aus dem Kerne des Adels von de-<lb/>
nen Deut&#x017F;chen Fu&#x0364;r&#x017F;ten nichts minder im Frie-<lb/>
de zur Pracht und allen fu&#x0364;rnehmen Hoffa&#x0364;m-<lb/>
tern/ als im Kriege zu ihrer Leibwache pflegen<lb/>
erkie&#x017F;et zu werden/ ward die&#x017F;er dem Feldherrn<lb/>
zu&#x017F;to&#x017F;&#x017F;enden Gefahr inne. Weil nun die&#x017F;er<lb/>
Gefa&#x0364;rthen Pflicht i&#x017F;t/ daß/ wie ihr Hertzog oh-<lb/>
ne Schimpff keinen es ihm darff an Tapffer-<lb/>
keit zuvor thun la&#x017F;&#x017F;en/ al&#x017F;o ihnen eine nicht ge-<lb/>
ringere Schande &#x017F;ey/ des Fu&#x0364;r&#x017F;tens Tugend<lb/>
nicht gleiche kommen/ ja ein unausle&#x017F;chliches<lb/>
Brandmahl ihres gantzen Lebens/ ohne den<lb/>
Hertzog lebendig aus der Schlacht kommen;<lb/>
Weßwegen &#x017F;ie auch auff dem Helme einen<lb/>
kohl&#x017F;chwartzen Federpu&#x017F;ch fu&#x0364;hren; &#x017F;o drang<lb/>
er nicht alleine durch das Gedra&#x0364;nge der Ro&#x0364;-<lb/>
mer verzweiffelt durch/ &#x017F;ondern ermunterte<lb/>
auch durch &#x017F;ein Bey&#x017F;piel noch dreißig andere<lb/>
Ritter/ welche wie der Fu&#x0364;r&#x017F;t fu&#x0364;r den Sieg/ al-<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ie fu&#x0364;r ihren Fu&#x0364;r&#x017F;ten zu &#x017F;treiten/ und ihm alle<lb/>
ihre Heldenthaten zuzueignen verbunden/ und<lb/>
wenn nur einer fu&#x0364;r dem andern Ehre einle-<lb/>
gen kan/ dem Tode &#x017F;elb&#x017F;t das blaue in Augen zu<lb/>
&#x017F;ehen gewohnt &#x017F;ind. Die&#x017F;e machten durch ihre<lb/>
gleich&#x017F;am blitzende Streiche/ deren ieder fa&#x017F;t ei-<lb/>
nem Ro&#x0364;mer das Licht auslo&#x0364;&#x017F;chte/ dem Feldherrn<lb/>
ein wenig Lufft/ und Adgande&#x017F;ter/ welcher<lb/>
ihm mit &#x017F;einem Schilde viel Streiche abgeleh-<lb/>
net/ hingegen &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ieben Wunden hieru&#x0364;ber be-<lb/>
kommen hatte/ Raum und Gelegenheit/ daß<lb/>
Herrmann wieder zu Pferde kommen konte;<lb/>
indem er &#x017F;elb&#x017F;t von dem &#x017F;einigen ab&#x017F;prang/ und<lb/>
es &#x017F;einen Feldherrn be&#x017F;chreiten ließ. Die&#x017F;er<lb/>
war kaum in die&#x017F;em Stande/ und der von Ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 2</fw><fw place="bottom" type="catch">blu-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0083] Arminius und Thußnelda. Bewegung aber fuͤꝛ eine Flucht gehalten wuͤrde. Ja wer auch nur an dem Siege zweiffelte/ der fuͤchte nicht/ ſondern verſetzte nur die feindlichen Streiche ohne einigen behertzten Angriff; und alſo raͤumte er insgemein das Feld/ nicht weil er es verſpielet/ ſondern weil er es verſpielt zu haben aus Schrecken glaubete. Hierauff ge- riet Hertzog Herrmann gleich zu hoher Zeit auf die Wahlſtatt/ allwo der Vortrab die Macht des gantzen Roͤmiſchen Laͤgers mit unausſprech- licher Tapfferkeit ſchon eine Stunde auffgehal- ten hatte. Welches an ſich ſelbſt unmoͤglich geweſt waͤre/ wenn nicht Hertzog Segimer ſich des Vortheils der daſelbſt vermengten Thaͤ- ler/ Berge und Waͤlder bedienet/ und an einem engen Furthe/ allwo die Roͤmiſchen Legionen ſich nicht voͤllig auff ihn ausbreiten konten/ Fuß geſetzt haͤtte. Catumer und Seſitach thaͤten mit ihren jungen Edelleuten Wunder- wercke von Tapfferkeit/ Segimer aber wie- ſe alle Kuͤnſte eines erfahrnen Feld-Haupt- manns. Herrmann wahrnehmende: daß es wegen dieſes Vortheils mit dem Segimer kei- ne Noth hatte/ ſuchte ihm einen andern Weg/ durch ein Geſtrittig an den Feind zu kommen/ um des Segimers Hauffen ein wenig Lufft zu machen/ und hatte das Gluͤcke auff des Qvintilius Varus Leibwache zu treffen/ wel- che Lucius Eggius anfuͤhrte. Beyde erkenn- ten einander an ihrer Ruͤſtung/ und dahero drangen ſie gegeneinander mit Gewalt durch/ um an einander zu kommen. Denen ihri- gen befahlen ſie/ daß ſie nicht hauen/ ſondern nur ſtechen/ und inſonderheit nach dem Ant- litze zielen ſolten. Herrmann und Eggius fochten gegeneinander wie zwey wuͤtende Pan- terthiere. Nachdem aber weder Lantzen noch Schwerdter einem unter ihnen einigen Vor- theil uͤber den andern verleihen wolten/ ſpreng- te Herrmann an den Eggius hart an/ umar- mete ihn ſo feſte/ daß ſie beyde zur Erden fie- len. Ob nun zwar Herrmann oben zu lie- gen kam/ war doch die Menge der Roͤmer/ ſo dieſem Roͤmiſchen Heerfuͤhrer zu huͤlffe kamen/ ſo groß daß Herrmañ den unter ſich gebrachten Eggius verlaßen/ und zu Fuße wider tauſend Lantzen uñ Degen ſich vertheidigen muſte. Fuͤrſt Adgandeſter/ welcher der Oberſte unter denen Grafen oder Gefaͤrthen des Feldherrn war/ die/ wie bey den Galliern die ſo genannten Soldurier aus dem Kerne des Adels von de- nen Deutſchen Fuͤrſten nichts minder im Frie- de zur Pracht und allen fuͤrnehmen Hoffaͤm- tern/ als im Kriege zu ihrer Leibwache pflegen erkieſet zu werden/ ward dieſer dem Feldherrn zuſtoſſenden Gefahr inne. Weil nun dieſer Gefaͤrthen Pflicht iſt/ daß/ wie ihr Hertzog oh- ne Schimpff keinen es ihm darff an Tapffer- keit zuvor thun laſſen/ alſo ihnen eine nicht ge- ringere Schande ſey/ des Fuͤrſtens Tugend nicht gleiche kommen/ ja ein unausleſchliches Brandmahl ihres gantzen Lebens/ ohne den Hertzog lebendig aus der Schlacht kommen; Weßwegen ſie auch auff dem Helme einen kohlſchwartzen Federpuſch fuͤhren; ſo drang er nicht alleine durch das Gedraͤnge der Roͤ- mer verzweiffelt durch/ ſondern ermunterte auch durch ſein Beyſpiel noch dreißig andere Ritter/ welche wie der Fuͤrſt fuͤr den Sieg/ al- ſo ſie fuͤr ihren Fuͤrſten zu ſtreiten/ und ihm alle ihre Heldenthaten zuzueignen verbunden/ und wenn nur einer fuͤr dem andern Ehre einle- gen kan/ dem Tode ſelbſt das blaue in Augen zu ſehen gewohnt ſind. Dieſe machten durch ihre gleichſam blitzende Streiche/ deren ieder faſt ei- nem Roͤmer das Licht ausloͤſchte/ dem Feldherrn ein wenig Lufft/ und Adgandeſter/ welcher ihm mit ſeinem Schilde viel Streiche abgeleh- net/ hingegen ſelbſt ſieben Wunden hieruͤber be- kommen hatte/ Raum und Gelegenheit/ daß Herrmann wieder zu Pferde kommen konte; indem er ſelbſt von dem ſeinigen abſprang/ und es ſeinen Feldherrn beſchreiten ließ. Dieſer war kaum in dieſem Stande/ und der von Ver- blu- E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/83
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/83>, abgerufen am 29.03.2024.