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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Erstes Buch
[Spaltenumbruch] dessen Ergetzligkeit allezeit fremdes Unheil/ und
anderer Ohnmacht sein süssester Lebens-Athem
gewest wäre. Jnsonderheit habe sein Hertz al-
lezeit mehr zu den Römern/ als zu den Deut-
schen gehangen. Er habe jenen den Durchzug
verstattet/ und sey Ursache: daß die Chautzen
vom Tiberius so unverhofft überfallen/ ihnen
die Waffen abgenommen/ er selbst nebst denen
Edlen des Landes für des Kaysers Richterstuhle
sich zu beugen gezwungen worden. Jngnio-
mer der Bructerer Fürst/ Hertzog Herrmanns
Vetter/ ein so wohl bey den Römern als Deut-
schen hochangesehener Kriegs-Held unterbrach/
aus Beysorge erwachsender neuer Uneinig-
keit/ Hertzog Ganasches hitzige Rede/ und hielt
ihm ein: Die Zufälle wären eine weile so ver-
wirrt/ der Tugend und offenhertzigem Begin-
nen so feind gewest/ daß auch der fürsichtigste auf
so glattem Eiße habe gleiten/ und der es am be-
sten gemeint/ seine Redligkeit verstellen müssen.
Ja man wäre in solche Zeiten eingefallen/ da
die Liebe des Vaterlandes für eines der grösten
Laster gehalten worden. Numehro aber habe
ein guter Einfluß des Gestirnes/ oder vielmehr
die kluge Anstalt Hertzog Herrmanns und die
eusserste Bedrängung der Sicambrer die zer-
rütteten Gemüther so vieler deutschen Für-
sten/ als ihrer noch nie auff einmahl wider
die Römer zusammen getreten/ vereinbart.
Nunmehr blickte sie eine so glückliche Zeit an/
da man erndten dörffte/ was man dächte/ und
dis ausüben/ was man im Schilde führte. Jtzt
ereigne sich die Gelegenheit/ da sie alle das
Seil der Römischen Dienstbarkeit von den
Hörnern abstreiffen/ Segesthes aber die alte
Scharte auswetzen könne. Denn eine tapf-
fere That wische die Schamröthe von vielen
begangenen Fehlern ab. Segesthes/ welchem
die Römer am meisten traueten/ könne für
dißmahl ihrem Siege eine grosse Hülffe ge-
ben/ nach dem Varus ihn selbst/ von Herr-
mann und andern Fürsten aber nur gewisse
[Spaltenumbruch] Kriegs-Schaaren beruffen hätte: daß er wider
den Teucterer und Sicambrischen Hertzog
Melo/ welcher auff Hertzog Herrmanns gege-
benen Einschlag alleine wider die Römer den
Harnisch anzuziehen sich hertzhafft gewagt hät-
te/ mit ihren Hülffs-Völckern zu Felde ziehen
möchte. Also könte Segesthes entweder durch
eine vertraute Person/ oder auch selbst dem Va-
rus seine und der gefoderten Hülffs-Völcker
Anwesenheit zu wissen machen/ und hierdurch
nicht alleine dem versammleten Kriegs-Hee-
re/ welches doch wenig Stunden mehr für den
Römern könne verborgen stehen/ eine destowe-
niger verdächtige Näherung zu dem Römi-
schen Läger und einen unversehenen Uberfall
zu wege bringen/ sondern wohl gar die Rö-
mer aus ihrem Läger und Vortheil ins freye
Feld locken. Man solte nunmehro keinen Au-
genblick versäumen. An geringer Säumniß
hänge offt der Verlust der gantzen Sache; und
die Zeit sey im Kriege am theuersten. An-
schläge würden zwar krebsgängig/ gute Gele-
genheit aber komme nicht zweymahl wieder.
Man solle das fertige Heer nur immer gegen
das Läger anziehen lassen. Hertzhafften Leu-
ten riegele die Natur alle Pforten auff/ das
Glücke stehe ihnen an der Seiten/ und das
Verhängniß hielte ihnen den Rücken.

Segesthes begegnete/ wiewohl allem Anse-
hen nach mit schwermüthigen Worten/ dem J-
gniomer: er hielte das Werck nochmahls für ge-
fährlich und zu entschlüssen bedencklich. Es
wäre nicht weniger unzeitig/ was zu früh/ als zu
späte geschehe; die Ubereilung aber noch schädli-
cher/ als die Versäumung. Denn ungeschehe-
ne Dinge könte man noch thun/ geschehene aber
nicht wieder verwischen. Weßwegen die Klug-
heit für eine Tochter des kalten Geblütes/ die U-
bereilung aber für eine Mutter unzeitiger und
daher todter Geburten gehalten würde; Und
müste man der Gelegenheit freylich wohl wahr-
nehmen/ selbter aber nicht zuvor kommen/ und

wenn

Erſtes Buch
[Spaltenumbruch] deſſen Ergetzligkeit allezeit fremdes Unheil/ und
anderer Ohnmacht ſein ſuͤſſeſter Lebens-Athem
geweſt waͤre. Jnſonderheit habe ſein Hertz al-
lezeit mehr zu den Roͤmern/ als zu den Deut-
ſchen gehangen. Er habe jenen den Durchzug
verſtattet/ und ſey Urſache: daß die Chautzen
vom Tiberius ſo unverhofft uͤberfallen/ ihnen
die Waffen abgenommen/ er ſelbſt nebſt denen
Edlen des Landes fuͤr des Kayſers Richterſtuhle
ſich zu beugen gezwungen worden. Jngnio-
mer der Bructerer Fuͤrſt/ Hertzog Herrmanns
Vetter/ ein ſo wohl bey den Roͤmern als Deut-
ſchen hochangeſehener Kriegs-Held unterbrach/
aus Beyſorge erwachſender neuer Uneinig-
keit/ Hertzog Ganaſches hitzige Rede/ und hielt
ihm ein: Die Zufaͤlle waͤren eine weile ſo ver-
wirrt/ der Tugend und offenhertzigem Begin-
nen ſo feind geweſt/ daß auch der fuͤrſichtigſte auf
ſo glattem Eiße habe gleiten/ und der es am be-
ſten gemeint/ ſeine Redligkeit verſtellen muͤſſen.
Ja man waͤre in ſolche Zeiten eingefallen/ da
die Liebe des Vaterlandes fuͤr eines der groͤſten
Laſter gehalten worden. Numehro aber habe
ein guter Einfluß des Geſtirnes/ oder vielmehr
die kluge Anſtalt Hertzog Herrmanns und die
euſſerſte Bedraͤngung der Sicambrer die zer-
ruͤtteten Gemuͤther ſo vieler deutſchen Fuͤr-
ſten/ als ihrer noch nie auff einmahl wider
die Roͤmer zuſammen getreten/ vereinbart.
Nunmehr blickte ſie eine ſo gluͤckliche Zeit an/
da man erndten doͤrffte/ was man daͤchte/ und
dis ausuͤben/ was man im Schilde fuͤhrte. Jtzt
ereigne ſich die Gelegenheit/ da ſie alle das
Seil der Roͤmiſchen Dienſtbarkeit von den
Hoͤrnern abſtreiffen/ Segeſthes aber die alte
Scharte auswetzen koͤnne. Denn eine tapf-
fere That wiſche die Schamroͤthe von vielen
begangenen Fehlern ab. Segeſthes/ welchem
die Roͤmer am meiſten traueten/ koͤnne fuͤr
dißmahl ihrem Siege eine groſſe Huͤlffe ge-
ben/ nach dem Varus ihn ſelbſt/ von Herr-
mann und andern Fuͤrſten aber nur gewiſſe
[Spaltenumbruch] Kriegs-Schaaren beruffen haͤtte: daß er wider
den Teucterer und Sicambriſchen Hertzog
Melo/ welcher auff Hertzog Herrmanns gege-
benen Einſchlag alleine wider die Roͤmer den
Harniſch anzuziehen ſich hertzhafft gewagt haͤt-
te/ mit ihren Huͤlffs-Voͤlckern zu Felde ziehen
moͤchte. Alſo koͤnte Segeſthes entweder durch
eine vertraute Perſon/ oder auch ſelbſt dem Va-
rus ſeine und der gefoderten Huͤlffs-Voͤlcker
Anweſenheit zu wiſſen machen/ und hierdurch
nicht alleine dem verſammleten Kriegs-Hee-
re/ welches doch wenig Stunden mehr fuͤr den
Roͤmern koͤnne verborgen ſtehen/ eine deſtowe-
niger verdaͤchtige Naͤherung zu dem Roͤmi-
ſchen Laͤger und einen unverſehenen Uberfall
zu wege bringen/ ſondern wohl gar die Roͤ-
mer aus ihrem Laͤger und Vortheil ins freye
Feld locken. Man ſolte nunmehro keinen Au-
genblick verſaͤumen. An geringer Saͤumniß
haͤnge offt der Verluſt der gantzen Sache; und
die Zeit ſey im Kriege am theuerſten. An-
ſchlaͤge wuͤrden zwar krebsgaͤngig/ gute Gele-
genheit aber komme nicht zweymahl wieder.
Man ſolle das fertige Heer nur immer gegen
das Laͤger anziehen laſſen. Hertzhafften Leu-
ten riegele die Natur alle Pforten auff/ das
Gluͤcke ſtehe ihnen an der Seiten/ und das
Verhaͤngniß hielte ihnen den Ruͤcken.

Segeſthes begegnete/ wiewohl allem Anſe-
hen nach mit ſchwermuͤthigen Worten/ dem J-
gniomer: er hielte das Werck nochmahls fuͤr ge-
faͤhrlich und zu entſchluͤſſen bedencklich. Es
waͤre nicht weniger unzeitig/ was zu fruͤh/ als zu
ſpaͤte geſchehe; die Ubereilung aber noch ſchaͤdli-
cher/ als die Verſaͤumung. Denn ungeſchehe-
ne Dinge koͤnte man noch thun/ geſchehene aber
nicht wieder verwiſchen. Weßwegen die Klug-
heit fuͤr eine Tochter des kalten Gebluͤtes/ die U-
bereilung aber fuͤr eine Mutter unzeitiger und
daher todter Geburten gehalten wuͤrde; Und
muͤſte man der Gelegenheit freylich wohl wahr-
nehmen/ ſelbter aber nicht zuvor kommen/ und

wenn
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/74>, abgerufen am 24.04.2024.