Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch][in]s Meer an dem Britannischen Schlosse drey
mächtige Schifs-Flotten. Zu geschweigen:
daß der Kayser nach Uberwindung des Sextus
Pompejus vier und viertzig Legionen zusammen
bracht/ zu Lande ohne die viel höher sich erstre-
ckenden Hülfs-Völcker zeither siebendehalb
hundert tausend Römische Kriegs-Leute/ bey
Misen und Ravenna/ in Gallien/ auf dem ro-
then Meere und dem Phrat ansehnliche Schifs-
Flotten unterhalten/ und hiemit alle Länder in
einander feste verbunden hätte. Zweyhundert
neun und viertzig tausend Gallier wären unter
dem Vercingentorich/ und noch neulich achtmal
hundert tausend gewafnete Pannonier und
Dalmatier wider etliche Legionen Römer zu ih-
rem eignen Verderb aufgestanden/ jene aber ha-
be Julius/ diese Tiberius aufs Haupt erlegt und
zu Sclaven gemacht. Vergasilaus der Arver-
ner Hertzog wäre darüber gefangen/ König Ver-
eingentorich von seinen eignen Leuten in die
Hände der Feinde geliefert/ zum Siegs-Ge-
pränge geschlept und hernach getödtet/ Corbeus
der Bellovaker Fürst erschlagen/ Guturnath/
der seine Cornuter wider den Kayser angeführet/
zu Tode geprügelt/ und sein Kopf durchs Beil
abgeschlagen worden. Draxes habe sich aus
Verzweifelung zu Tode hungern/ und Lucteri-
us in Fesseln verschmachten/ Batto der Dalma-
tier Haupt und Uhrheber des Krieges sich auf
Gnade und Ungnade ins Tiberius Hände ge-
ben müssen/ und Pinetes lächsete noch in dem
Römischen Kercker. König Marbod/ ein Herr
der Marckmänner/ Sedusier/ Heruder/ Her-
mundurer/ Schwaben/ Semnoner und Longo-
barden/ dessen Gebiete sich von der Elbe biß zur
Weichsel und der Ost-See erstreckete/ der achzig
tausend Mann stets auf den Beinen hielte/ ha-
be mit ihnen wider die Römer aufzustehen Be-
dencken gehabt/ und wer wüste/ was der schlaue
Tiberius mit ihm zu ihrem Nachtheil für Ab-
kommen getroffen; nachdem die Römischen
Kriegs-Obersten gegen ihn verträuliche Nach-
[Spaltenumbruch] barschafft pflegten. Also schiene es rathsamer
zu seyn/ daß man noch eine Weile den Mantel
nach dem Winde hienge/ und nichts minder
Marbods Absehen/ als des Pannonischen Krie-
ges völligen Außgang vollends erwartete.
Denn es wäre mit Erlegung des Varus nicht
ausgemacht/ sondern die Römische Macht in so
langer Zeit so feste beraaset: daß sie ohne Zerber-
stung ihrer Widersacher nicht würde ausgerot-
tet/ und ohne Erdrückung ihrer Bestürmer
schwerlich zermalmet werden. So lange be-
raasete Reiche/ wie das Römische wäre/ würden
vergebens bestürmet; daher müste man sie ver-
altern und durch stete Ruhe/ wie die stehenden
Wasser/ faul werden lassen. Die öftere Be-
wegung befestigte nichts minder eine Herr-
schafft/ als die Bäume; hingegen könte man ein
Reich nicht ärger bekriegen/ als durch den Frie-
den; welcher Anfangs ihre Tapferkeit/ hernach
sein Wesen/ wie der Rost ungebrauchten Stahl
verzehrte. Jhm sey es zwar umb seine greise
Haare nicht so leid/ als er Sorge trüge umb den
Wolstand der Erbarmens- würdigen Nach-
welt. Sie aber solten sich aus anderer Bey-
spiele spiegeln/ und daraus lernen: daß es rath-
samer sey Gehorsam mit Sicherheit für der
Hartnäckigkeit mit seinem Verderben erkiesen.

Segesthes hätte noch länger geredet/ wenn
ihm nicht Jubil/ Brittons des letzten Bojischen
Hertzogs einziger Sohn in die Rede gefallen wä-
re. Das Wasser gienge der Deutschen Frey-
heit in Mund/ gleichwol zeigte ihnen GOtt
und das Verhängnüs einen Weg die Römi-
schen Fessel von ihren Gliedern zu schleudern/
oder sie gar denen Römern anzulegen. Sin-
temal von undencklicher Zeit nicht so viel Für-
sten miteinander vereinbart/ die Römische
Macht aber so sehr/ als ietzt/ durch den Panno-
nischen Krieg nicht erschöpft gewest wäre.
Diesemnach könte er bey sich nicht befinden: daß
man die selten-umbkehrende Gelegenheit solte
aus den Händen lassen. Diese mit beyden

Hän-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch][in]s Meer an dem Britanniſchen Schloſſe drey
maͤchtige Schifs-Flotten. Zu geſchweigen:
daß der Kayſer nach Uberwindung des Sextus
Pompejus vier und viertzig Legionen zuſammen
bracht/ zu Lande ohne die viel hoͤher ſich erſtre-
ckenden Huͤlfs-Voͤlcker zeither ſiebendehalb
hundert tauſend Roͤmiſche Kriegs-Leute/ bey
Miſen und Ravenna/ in Gallien/ auf dem ro-
then Meere und dem Phrat anſehnliche Schifs-
Flotten unterhalten/ und hiemit alle Laͤnder in
einander feſte verbunden haͤtte. Zweyhundert
neun und viertzig tauſend Gallier waͤren unter
dem Vercingentorich/ und noch neulich achtmal
hundert tauſend gewafnete Pannonier und
Dalmatier wider etliche Legionen Roͤmer zu ih-
rem eignen Verderb aufgeſtanden/ jene aber ha-
be Julius/ dieſe Tiberius aufs Haupt erlegt und
zu Sclaven gemacht. Vergaſilaus der Arver-
ner Hertzog waͤre daruͤber gefangen/ Koͤnig Ver-
eingentorich von ſeinen eignen Leuten in die
Haͤnde der Feinde geliefert/ zum Siegs-Ge-
praͤnge geſchlept und hernach getoͤdtet/ Corbeus
der Bellovaker Fuͤrſt erſchlagen/ Guturnath/
der ſeine Cornuter wider den Kayſer angefuͤhret/
zu Tode gepruͤgelt/ und ſein Kopf durchs Beil
abgeſchlagen worden. Draxes habe ſich aus
Verzweifelung zu Tode hungern/ und Lucteri-
us in Feſſeln verſchmachten/ Batto der Dalma-
tier Haupt und Uhrheber des Krieges ſich auf
Gnade und Ungnade ins Tiberius Haͤnde ge-
ben muͤſſen/ und Pinetes laͤchſete noch in dem
Roͤmiſchen Kercker. Koͤnig Marbod/ ein Herr
der Marckmaͤnner/ Seduſier/ Heruder/ Her-
mundurer/ Schwaben/ Semnoner und Longo-
barden/ deſſen Gebiete ſich von der Elbe biß zur
Weichſel und der Oſt-See erſtreckete/ der achzig
tauſend Mann ſtets auf den Beinen hielte/ ha-
be mit ihnen wider die Roͤmer aufzuſtehen Be-
dencken gehabt/ und wer wuͤſte/ was der ſchlaue
Tiberius mit ihm zu ihrem Nachtheil fuͤr Ab-
kommen getroffen; nachdem die Roͤmiſchen
Kriegs-Oberſten gegen ihn vertraͤuliche Nach-
[Spaltenumbruch] barſchafft pflegten. Alſo ſchiene es rathſamer
zu ſeyn/ daß man noch eine Weile den Mantel
nach dem Winde hienge/ und nichts minder
Marbods Abſehen/ als des Pannoniſchen Krie-
ges voͤlligen Außgang vollends erwartete.
Denn es waͤre mit Erlegung des Varus nicht
ausgemacht/ ſondern die Roͤmiſche Macht in ſo
langer Zeit ſo feſte beraaſet: daß ſie ohne Zerber-
ſtung ihrer Widerſacher nicht wuͤrde ausgerot-
tet/ und ohne Erdruͤckung ihrer Beſtuͤrmer
ſchwerlich zermalmet werden. So lange be-
raaſete Reiche/ wie das Roͤmiſche waͤre/ wuͤrden
vergebens beſtuͤrmet; daher muͤſte man ſie ver-
alteꝛn und durch ſtete Ruhe/ wie die ſtehenden
Waſſer/ faul werden laſſen. Die oͤftere Be-
wegung befeſtigte nichts minder eine Herr-
ſchafft/ als die Baͤume; hingegen koͤnte man ein
Reich nicht aͤrger bekriegen/ als durch den Frie-
den; welcher Anfangs ihre Tapferkeit/ hernach
ſein Weſen/ wie der Roſt ungebrauchten Stahl
verzehrte. Jhm ſey es zwar umb ſeine greiſe
Haare nicht ſo leid/ als er Sorge truͤge umb den
Wolſtand der Erbarmens- wuͤrdigen Nach-
welt. Sie aber ſolten ſich aus anderer Bey-
ſpiele ſpiegeln/ und daraus lernen: daß es rath-
ſamer ſey Gehorſam mit Sicherheit fuͤr der
Hartnaͤckigkeit mit ſeinem Verderben erkieſen.

Segeſthes haͤtte noch laͤnger geredet/ wenn
ihm nicht Jubil/ Brittons des letzten Bojiſchen
Hertzogs einziger Sohn in die Rede gefallen waͤ-
re. Das Waſſer gienge der Deutſchen Frey-
heit in Mund/ gleichwol zeigte ihnen GOtt
und das Verhaͤngnuͤs einen Weg die Roͤmi-
ſchen Feſſel von ihren Gliedern zu ſchleudern/
oder ſie gar denen Roͤmern anzulegen. Sin-
temal von undencklicher Zeit nicht ſo viel Fuͤr-
ſten miteinander vereinbart/ die Roͤmiſche
Macht aber ſo ſehr/ als ietzt/ durch den Panno-
niſchen Krieg nicht erſchoͤpft geweſt waͤre.
Dieſemnach koͤnte er bey ſich nicht befinden: daß
man die ſelten-umbkehrende Gelegenheit ſolte
aus den Haͤnden laſſen. Dieſe mit beyden

Haͤn-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0071" n="23"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/><supplied>in</supplied>s Meer an dem Britanni&#x017F;chen Schlo&#x017F;&#x017F;e drey<lb/>
ma&#x0364;chtige Schifs-Flotten. Zu ge&#x017F;chweigen:<lb/>
daß der Kay&#x017F;er nach Uberwindung des Sextus<lb/>
Pompejus vier und viertzig Legionen zu&#x017F;ammen<lb/>
bracht/ zu Lande ohne die viel ho&#x0364;her &#x017F;ich er&#x017F;tre-<lb/>
ckenden Hu&#x0364;lfs-Vo&#x0364;lcker zeither &#x017F;iebendehalb<lb/>
hundert tau&#x017F;end Ro&#x0364;mi&#x017F;che Kriegs-Leute/ bey<lb/>
Mi&#x017F;en und Ravenna/ in Gallien/ auf dem ro-<lb/>
then Meere und dem Phrat an&#x017F;ehnliche Schifs-<lb/>
Flotten unterhalten/ und hiemit alle La&#x0364;nder in<lb/>
einander fe&#x017F;te verbunden ha&#x0364;tte. Zweyhundert<lb/>
neun und viertzig tau&#x017F;end Gallier wa&#x0364;ren unter<lb/>
dem Vercingentorich/ und noch neulich achtmal<lb/>
hundert tau&#x017F;end gewafnete Pannonier und<lb/>
Dalmatier wider etliche Legionen Ro&#x0364;mer zu ih-<lb/>
rem eignen Verderb aufge&#x017F;tanden/ jene aber ha-<lb/>
be Julius/ die&#x017F;e Tiberius aufs Haupt erlegt und<lb/>
zu Sclaven gemacht. Verga&#x017F;ilaus der Arver-<lb/>
ner Hertzog wa&#x0364;re daru&#x0364;ber gefangen/ Ko&#x0364;nig Ver-<lb/>
eingentorich von &#x017F;einen eignen Leuten in die<lb/>
Ha&#x0364;nde der Feinde geliefert/ zum Siegs-Ge-<lb/>
pra&#x0364;nge ge&#x017F;chlept und hernach geto&#x0364;dtet/ Corbeus<lb/>
der Bellovaker Fu&#x0364;r&#x017F;t er&#x017F;chlagen/ Guturnath/<lb/>
der &#x017F;eine Cornuter wider den Kay&#x017F;er angefu&#x0364;hret/<lb/>
zu Tode gepru&#x0364;gelt/ und &#x017F;ein Kopf durchs Beil<lb/>
abge&#x017F;chlagen worden. Draxes habe &#x017F;ich aus<lb/>
Verzweifelung zu Tode hungern/ und Lucteri-<lb/>
us in Fe&#x017F;&#x017F;eln ver&#x017F;chmachten/ Batto der Dalma-<lb/>
tier Haupt und Uhrheber des Krieges &#x017F;ich auf<lb/>
Gnade und Ungnade ins Tiberius Ha&#x0364;nde ge-<lb/>
ben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ und Pinetes la&#x0364;ch&#x017F;ete noch in dem<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Kercker. Ko&#x0364;nig Marbod/ ein Herr<lb/>
der Marckma&#x0364;nner/ Sedu&#x017F;ier/ Heruder/ Her-<lb/>
mundurer/ Schwaben/ Semnoner und Longo-<lb/>
barden/ de&#x017F;&#x017F;en Gebiete &#x017F;ich von der Elbe biß zur<lb/>
Weich&#x017F;el und der O&#x017F;t-See er&#x017F;treckete/ der achzig<lb/>
tau&#x017F;end Mann &#x017F;tets auf den Beinen hielte/ ha-<lb/>
be mit ihnen wider die Ro&#x0364;mer aufzu&#x017F;tehen Be-<lb/>
dencken gehabt/ und wer wu&#x0364;&#x017F;te/ was der &#x017F;chlaue<lb/>
Tiberius mit ihm zu ihrem Nachtheil fu&#x0364;r Ab-<lb/>
kommen getroffen; nachdem die Ro&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
Kriegs-Ober&#x017F;ten gegen ihn vertra&#x0364;uliche Nach-<lb/><cb/>
bar&#x017F;chafft pflegten. Al&#x017F;o &#x017F;chiene es rath&#x017F;amer<lb/>
zu &#x017F;eyn/ daß man noch eine Weile den Mantel<lb/>
nach dem Winde hienge/ und nichts minder<lb/>
Marbods Ab&#x017F;ehen/ als des Pannoni&#x017F;chen Krie-<lb/>
ges vo&#x0364;lligen Außgang vollends erwartete.<lb/>
Denn es wa&#x0364;re mit Erlegung des Varus nicht<lb/>
ausgemacht/ &#x017F;ondern die Ro&#x0364;mi&#x017F;che Macht in &#x017F;o<lb/>
langer Zeit &#x017F;o fe&#x017F;te beraa&#x017F;et: daß &#x017F;ie ohne Zerber-<lb/>
&#x017F;tung ihrer Wider&#x017F;acher nicht wu&#x0364;rde ausgerot-<lb/>
tet/ und ohne Erdru&#x0364;ckung ihrer Be&#x017F;tu&#x0364;rmer<lb/>
&#x017F;chwerlich zermalmet werden. So lange be-<lb/>
raa&#x017F;ete Reiche/ wie das Ro&#x0364;mi&#x017F;che wa&#x0364;re/ wu&#x0364;rden<lb/>
vergebens be&#x017F;tu&#x0364;rmet; daher mu&#x0364;&#x017F;te man &#x017F;ie ver-<lb/>
alte&#xA75B;n und durch &#x017F;tete Ruhe/ wie die &#x017F;tehenden<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er/ faul werden la&#x017F;&#x017F;en. Die o&#x0364;ftere Be-<lb/>
wegung befe&#x017F;tigte nichts minder eine Herr-<lb/>
&#x017F;chafft/ als die Ba&#x0364;ume; hingegen ko&#x0364;nte man ein<lb/>
Reich nicht a&#x0364;rger bekriegen/ als durch den Frie-<lb/>
den; welcher Anfangs ihre Tapferkeit/ hernach<lb/>
&#x017F;ein We&#x017F;en/ wie der Ro&#x017F;t ungebrauchten Stahl<lb/>
verzehrte. Jhm &#x017F;ey es zwar umb &#x017F;eine grei&#x017F;e<lb/>
Haare nicht &#x017F;o leid/ als er Sorge tru&#x0364;ge umb den<lb/>
Wol&#x017F;tand der Erbarmens- wu&#x0364;rdigen Nach-<lb/>
welt. Sie aber &#x017F;olten &#x017F;ich aus anderer Bey-<lb/>
&#x017F;piele &#x017F;piegeln/ und daraus lernen: daß es rath-<lb/>
&#x017F;amer &#x017F;ey Gehor&#x017F;am mit Sicherheit fu&#x0364;r der<lb/>
Hartna&#x0364;ckigkeit mit &#x017F;einem Verderben erkie&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Sege&#x017F;thes ha&#x0364;tte noch la&#x0364;nger geredet/ wenn<lb/>
ihm nicht Jubil/ Brittons des letzten Boji&#x017F;chen<lb/>
Hertzogs einziger Sohn in die Rede gefallen wa&#x0364;-<lb/>
re. Das Wa&#x017F;&#x017F;er gienge der Deut&#x017F;chen Frey-<lb/>
heit in Mund/ gleichwol zeigte ihnen GOtt<lb/>
und das Verha&#x0364;ngnu&#x0364;s einen Weg die Ro&#x0364;mi-<lb/>
&#x017F;chen Fe&#x017F;&#x017F;el von ihren Gliedern zu &#x017F;chleudern/<lb/>
oder &#x017F;ie gar denen Ro&#x0364;mern anzulegen. Sin-<lb/>
temal von undencklicher Zeit nicht &#x017F;o viel Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ten miteinander vereinbart/ die Ro&#x0364;mi&#x017F;che<lb/>
Macht aber &#x017F;o &#x017F;ehr/ als ietzt/ durch den Panno-<lb/>
ni&#x017F;chen Krieg nicht er&#x017F;cho&#x0364;pft gewe&#x017F;t wa&#x0364;re.<lb/>
Die&#x017F;emnach ko&#x0364;nte er bey &#x017F;ich nicht befinden: daß<lb/>
man die &#x017F;elten-umbkehrende Gelegenheit &#x017F;olte<lb/>
aus den Ha&#x0364;nden la&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;e mit beyden<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ha&#x0364;n-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0071] Arminius und Thußnelda. ins Meer an dem Britanniſchen Schloſſe drey maͤchtige Schifs-Flotten. Zu geſchweigen: daß der Kayſer nach Uberwindung des Sextus Pompejus vier und viertzig Legionen zuſammen bracht/ zu Lande ohne die viel hoͤher ſich erſtre- ckenden Huͤlfs-Voͤlcker zeither ſiebendehalb hundert tauſend Roͤmiſche Kriegs-Leute/ bey Miſen und Ravenna/ in Gallien/ auf dem ro- then Meere und dem Phrat anſehnliche Schifs- Flotten unterhalten/ und hiemit alle Laͤnder in einander feſte verbunden haͤtte. Zweyhundert neun und viertzig tauſend Gallier waͤren unter dem Vercingentorich/ und noch neulich achtmal hundert tauſend gewafnete Pannonier und Dalmatier wider etliche Legionen Roͤmer zu ih- rem eignen Verderb aufgeſtanden/ jene aber ha- be Julius/ dieſe Tiberius aufs Haupt erlegt und zu Sclaven gemacht. Vergaſilaus der Arver- ner Hertzog waͤre daruͤber gefangen/ Koͤnig Ver- eingentorich von ſeinen eignen Leuten in die Haͤnde der Feinde geliefert/ zum Siegs-Ge- praͤnge geſchlept und hernach getoͤdtet/ Corbeus der Bellovaker Fuͤrſt erſchlagen/ Guturnath/ der ſeine Cornuter wider den Kayſer angefuͤhret/ zu Tode gepruͤgelt/ und ſein Kopf durchs Beil abgeſchlagen worden. Draxes habe ſich aus Verzweifelung zu Tode hungern/ und Lucteri- us in Feſſeln verſchmachten/ Batto der Dalma- tier Haupt und Uhrheber des Krieges ſich auf Gnade und Ungnade ins Tiberius Haͤnde ge- ben muͤſſen/ und Pinetes laͤchſete noch in dem Roͤmiſchen Kercker. Koͤnig Marbod/ ein Herr der Marckmaͤnner/ Seduſier/ Heruder/ Her- mundurer/ Schwaben/ Semnoner und Longo- barden/ deſſen Gebiete ſich von der Elbe biß zur Weichſel und der Oſt-See erſtreckete/ der achzig tauſend Mann ſtets auf den Beinen hielte/ ha- be mit ihnen wider die Roͤmer aufzuſtehen Be- dencken gehabt/ und wer wuͤſte/ was der ſchlaue Tiberius mit ihm zu ihrem Nachtheil fuͤr Ab- kommen getroffen; nachdem die Roͤmiſchen Kriegs-Oberſten gegen ihn vertraͤuliche Nach- barſchafft pflegten. Alſo ſchiene es rathſamer zu ſeyn/ daß man noch eine Weile den Mantel nach dem Winde hienge/ und nichts minder Marbods Abſehen/ als des Pannoniſchen Krie- ges voͤlligen Außgang vollends erwartete. Denn es waͤre mit Erlegung des Varus nicht ausgemacht/ ſondern die Roͤmiſche Macht in ſo langer Zeit ſo feſte beraaſet: daß ſie ohne Zerber- ſtung ihrer Widerſacher nicht wuͤrde ausgerot- tet/ und ohne Erdruͤckung ihrer Beſtuͤrmer ſchwerlich zermalmet werden. So lange be- raaſete Reiche/ wie das Roͤmiſche waͤre/ wuͤrden vergebens beſtuͤrmet; daher muͤſte man ſie ver- alteꝛn und durch ſtete Ruhe/ wie die ſtehenden Waſſer/ faul werden laſſen. Die oͤftere Be- wegung befeſtigte nichts minder eine Herr- ſchafft/ als die Baͤume; hingegen koͤnte man ein Reich nicht aͤrger bekriegen/ als durch den Frie- den; welcher Anfangs ihre Tapferkeit/ hernach ſein Weſen/ wie der Roſt ungebrauchten Stahl verzehrte. Jhm ſey es zwar umb ſeine greiſe Haare nicht ſo leid/ als er Sorge truͤge umb den Wolſtand der Erbarmens- wuͤrdigen Nach- welt. Sie aber ſolten ſich aus anderer Bey- ſpiele ſpiegeln/ und daraus lernen: daß es rath- ſamer ſey Gehorſam mit Sicherheit fuͤr der Hartnaͤckigkeit mit ſeinem Verderben erkieſen. Segeſthes haͤtte noch laͤnger geredet/ wenn ihm nicht Jubil/ Brittons des letzten Bojiſchen Hertzogs einziger Sohn in die Rede gefallen waͤ- re. Das Waſſer gienge der Deutſchen Frey- heit in Mund/ gleichwol zeigte ihnen GOtt und das Verhaͤngnuͤs einen Weg die Roͤmi- ſchen Feſſel von ihren Gliedern zu ſchleudern/ oder ſie gar denen Roͤmern anzulegen. Sin- temal von undencklicher Zeit nicht ſo viel Fuͤr- ſten miteinander vereinbart/ die Roͤmiſche Macht aber ſo ſehr/ als ietzt/ durch den Panno- niſchen Krieg nicht erſchoͤpft geweſt waͤre. Dieſemnach koͤnte er bey ſich nicht befinden: daß man die ſelten-umbkehrende Gelegenheit ſolte aus den Haͤnden laſſen. Dieſe mit beyden Haͤn-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/71
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/71>, abgerufen am 19.04.2024.