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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Drittes Buch
[Spaltenumbruch] zu erwürgen kein Erbarmnüß haben/ weil zwi-
schen herschsüchtigen und freyen Leuten keine
Verträgligkeit/ von ihnen aber als Nachbarn
und Bluts-Verwandten nicht nur iederzeit auf
den Fall der Noth genugsame Hülffe/ sondern
gar eine Macht/ welche wie ihre Vor-Eltern
mit ihnen in Jtalien zu brechen/ und Rom zu
zerstören/ mächtig und behertzt wäre/ zu hoffen
sey. Jnzwischen fing die frembde Königin/
welche von der Fürstin Thußnelda für der
Schlacht im Zweykampfe war zu Boden ge-
fället worden/ durch sorgfältige Wartung wie-
der an zu genesen. Wie nun Thusnelda/ so
bald sie die Beschaffenheit dieser überwundenen
vernommen hatte/ aus einer angebohrnen Gut-
hertzigkeit mit ihr empfindliches Mitleiden
trug/ also unterließ sie nicht/ alles ersinnliche für-
zukehren/ daß sie ihrem Stande gemäß/ und
nach Erheischung ihrer kummerhafften Be-
schaffenheit unterhalten würde. Sie erkun-
digte sich alle Tage mehr als einmahl ihrer Bes-
serung bey ihrer Gefärthin/ welche alsofort
auch die Mannskleider von sich geworffen/ und
für ein Frauenzimmer sich zu erkennen gegeben
hatte/ als mit dieser Königin Falle auch ihre
Heimligkeit offenbar worden war. So bald
es nun die Erholung ihrer Kräffte/ und der Kö-
nigin gesuchte Erlaubung verstattete/ hielt es
die Fürstin Thußnelda und Jsmene ihre Schul-
digkeit zu seyn sie selbst heimzusuchen. Als sie
nun einander ansichtig worden/ überfiel eine
iegliche so eine nachdrückliche Verwunderung
über der andern ungemeinen Gestalt/ daß weder
eine noch die andere ihre entschlossene Gemüths-
Meinung alsobald eröfnen konte. Thußnel-
de hatte ein wolgebildetes Antlitz/ eine klare
Haut/ einen Blut-rothen allezeit lächelnden
Mund/ Himmel-blaue Augen/ aus welchen
die Freundligkeit selbst zu sehen schien/ weisse
kringlichte Haarlocken/ welche über ihre Ach-
seln und aufschwellenden Brüste spielten/ und
gleichsam mit einander/ oder vielmehr selbst
[Spaltenumbruch] mit dem Schnee um den Vorzug ihrer Farbe
strietten. Jhr Leib war lang und geschlang/
ihre Geberden holdselig/ welche mit ihrer An-
muth im ersten Anblicke gleichsam aller An-
schauer Seelen bezauberten/ und ihnen das
Band der Zuneigung anschlingeten. Fast e-
ben so war die Fürstin Jsmene gebildet/ auser/
daß ihre Haare ein wenig Goldfärbicht/ ihre
Gebehrdung was mehr trauriger/ oder viel-
mehr nachsinnend zu seyn schien. Die Köni-
gin war mehr rößlicht/ ihre Haarlocken braun/
ihre Augen groß und schwartz/ und in steter Be-
wegung/ welche unaufhörlich Strahlen als ei-
nen beweglichen Blitz von sich liessen/ und die
Lebhafftigkeit ihres Geistes andeuteten. Das
Gesichte schien zwar etwas ernsthafft zu seyn/
die Gebehrden aber vermischten selbtes mit ei-
ner durchdringenden Freundligkeit/ also daß
es schien/ das Glücke hätte hier drey Muster
einer unterschiedenen Schönheit mit Fleiß zu-
sammen bringen/ und dadurch so wol die All-
macht der Natur/ welche dreyen gegen einan-
der gesetzten Dingen einerley Wunder und
Würckungen einpflantzen könne/ erhärten/
als der Liebe einen Zanckapfel/ wohin sie greif-
fen solle/ aufwerffen wollen. Thußnelde
färbte ihre Wangen mit einer züchtigen
Scham-röthe/ als sie durch ihre Verwunde-
rung etwas ihre sonst fertige Zunge gehemmet
empfandt/ erholete sich aber bald wieder/ umb-
armte die Königin mit einer so beweglichen An-
stellung/ welche auch ohne einigen Wortes
Ausdrückung ihr ihr hertzliches Mitleiden ein-
redete. Diese erste Versicherung bekräfftig-
te sie mit durchdringenden Worten/ daß sie ih-
re Wunden und Unglück in ihrer selbst eige-
nen Seele empfinde/ und alle Kräfften ihres
Gemüthes zu ihrer Genes- und Befreyung an-
zuwenden begierig wäre; und wormit sie sol-
chen Unrechts-Verzeihung so viel leichter er-
langen könte/ hätte sie die Fürstin Jsmene zu
einer Vorbitterin vermocht. Die Königin

nam

Drittes Buch
[Spaltenumbruch] zu erwuͤrgen kein Erbarmnuͤß haben/ weil zwi-
ſchen herſchſuͤchtigen und freyen Leuten keine
Vertraͤgligkeit/ von ihnen aber als Nachbarn
und Bluts-Verwandten nicht nur iederzeit auf
den Fall der Noth genugſame Huͤlffe/ ſondern
gar eine Macht/ welche wie ihre Vor-Eltern
mit ihnen in Jtalien zu brechen/ und Rom zu
zerſtoͤren/ maͤchtig und behertzt waͤre/ zu hoffen
ſey. Jnzwiſchen fing die frembde Koͤnigin/
welche von der Fuͤrſtin Thußnelda fuͤr der
Schlacht im Zweykampfe war zu Boden ge-
faͤllet worden/ durch ſorgfaͤltige Wartung wie-
der an zu geneſen. Wie nun Thuſnelda/ ſo
bald ſie die Beſchaffenheit dieſer uͤberwundenen
vernommen hatte/ aus einer angebohrnen Gut-
hertzigkeit mit ihr empfindliches Mitleiden
trug/ alſo unterließ ſie nicht/ alles erſiñliche fuͤr-
zukehren/ daß ſie ihrem Stande gemaͤß/ und
nach Erheiſchung ihrer kummerhafften Be-
ſchaffenheit unterhalten wuͤrde. Sie erkun-
digte ſich alle Tage mehr als einmahl ihrer Beſ-
ſerung bey ihrer Gefaͤrthin/ welche alſofort
auch die Mannskleider von ſich geworffen/ und
fuͤr ein Frauenzimmer ſich zu erkennen gegeben
hatte/ als mit dieſer Koͤnigin Falle auch ihre
Heimligkeit offenbar worden war. So bald
es nun die Erholung ihrer Kraͤffte/ und der Koͤ-
nigin geſuchte Erlaubung verſtattete/ hielt es
die Fuͤrſtin Thußnelda und Jſmene ihre Schul-
digkeit zu ſeyn ſie ſelbſt heimzuſuchen. Als ſie
nun einander anſichtig worden/ uͤberfiel eine
iegliche ſo eine nachdruͤckliche Verwunderung
uͤber der andern ungemeinen Geſtalt/ daß weder
eine noch die andere ihre entſchloſſene Gemuͤths-
Meinung alſobald eroͤfnen konte. Thußnel-
de hatte ein wolgebildetes Antlitz/ eine klare
Haut/ einen Blut-rothen allezeit laͤchelnden
Mund/ Himmel-blaue Augen/ aus welchen
die Freundligkeit ſelbſt zu ſehen ſchien/ weiſſe
kringlichte Haarlocken/ welche uͤber ihre Ach-
ſeln und aufſchwellenden Bruͤſte ſpielten/ und
gleichſam mit einander/ oder vielmehr ſelbſt
[Spaltenumbruch] mit dem Schnee um den Vorzug ihrer Farbe
ſtrietten. Jhr Leib war lang und geſchlang/
ihre Geberden holdſelig/ welche mit ihrer An-
muth im erſten Anblicke gleichſam aller An-
ſchauer Seelen bezauberten/ und ihnen das
Band der Zuneigung anſchlingeten. Faſt e-
ben ſo war die Fuͤrſtin Jſmene gebildet/ auſer/
daß ihre Haare ein wenig Goldfaͤrbicht/ ihre
Gebehrdung was mehr trauriger/ oder viel-
mehr nachſinnend zu ſeyn ſchien. Die Koͤni-
gin war mehr roͤßlicht/ ihre Haarlocken braun/
ihre Augen groß und ſchwartz/ und in ſteter Be-
wegung/ welche unaufhoͤrlich Strahlen als ei-
nen beweglichen Blitz von ſich lieſſen/ und die
Lebhafftigkeit ihres Geiſtes andeuteten. Das
Geſichte ſchien zwar etwas ernſthafft zu ſeyn/
die Gebehrden aber vermiſchten ſelbtes mit ei-
ner durchdringenden Freundligkeit/ alſo daß
es ſchien/ das Gluͤcke haͤtte hier drey Muſter
einer unterſchiedenen Schoͤnheit mit Fleiß zu-
ſammen bringen/ und dadurch ſo wol die All-
macht der Natur/ welche dreyen gegen einan-
der geſetzten Dingen einerley Wunder und
Wuͤrckungen einpflantzen koͤnne/ erhaͤrten/
als der Liebe einen Zanckapfel/ wohin ſie greif-
fen ſolle/ aufwerffen wollen. Thußnelde
faͤrbte ihre Wangen mit einer zuͤchtigen
Scham-roͤthe/ als ſie durch ihre Verwunde-
rung etwas ihre ſonſt fertige Zunge gehemmet
empfandt/ erholete ſich aber bald wieder/ umb-
armte die Koͤnigin mit einer ſo beweglichen An-
ſtellung/ welche auch ohne einigen Wortes
Ausdruͤckung ihr ihr hertzliches Mitleiden ein-
redete. Dieſe erſte Verſicherung bekraͤfftig-
te ſie mit durchdringenden Worten/ daß ſie ih-
re Wunden und Ungluͤck in ihrer ſelbſt eige-
nen Seele empfinde/ und alle Kraͤfften ihres
Gemuͤthes zu ihrer Geneſ- und Befreyung an-
zuwenden begierig waͤre; und wormit ſie ſol-
chen Unrechts-Verzeihung ſo viel leichter er-
langen koͤnte/ haͤtte ſie die Fuͤrſtin Jſmene zu
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[196/0248] Drittes Buch zu erwuͤrgen kein Erbarmnuͤß haben/ weil zwi- ſchen herſchſuͤchtigen und freyen Leuten keine Vertraͤgligkeit/ von ihnen aber als Nachbarn und Bluts-Verwandten nicht nur iederzeit auf den Fall der Noth genugſame Huͤlffe/ ſondern gar eine Macht/ welche wie ihre Vor-Eltern mit ihnen in Jtalien zu brechen/ und Rom zu zerſtoͤren/ maͤchtig und behertzt waͤre/ zu hoffen ſey. Jnzwiſchen fing die frembde Koͤnigin/ welche von der Fuͤrſtin Thußnelda fuͤr der Schlacht im Zweykampfe war zu Boden ge- faͤllet worden/ durch ſorgfaͤltige Wartung wie- der an zu geneſen. Wie nun Thuſnelda/ ſo bald ſie die Beſchaffenheit dieſer uͤberwundenen vernommen hatte/ aus einer angebohrnen Gut- hertzigkeit mit ihr empfindliches Mitleiden trug/ alſo unterließ ſie nicht/ alles erſiñliche fuͤr- zukehren/ daß ſie ihrem Stande gemaͤß/ und nach Erheiſchung ihrer kummerhafften Be- ſchaffenheit unterhalten wuͤrde. Sie erkun- digte ſich alle Tage mehr als einmahl ihrer Beſ- ſerung bey ihrer Gefaͤrthin/ welche alſofort auch die Mannskleider von ſich geworffen/ und fuͤr ein Frauenzimmer ſich zu erkennen gegeben hatte/ als mit dieſer Koͤnigin Falle auch ihre Heimligkeit offenbar worden war. So bald es nun die Erholung ihrer Kraͤffte/ und der Koͤ- nigin geſuchte Erlaubung verſtattete/ hielt es die Fuͤrſtin Thußnelda und Jſmene ihre Schul- digkeit zu ſeyn ſie ſelbſt heimzuſuchen. Als ſie nun einander anſichtig worden/ uͤberfiel eine iegliche ſo eine nachdruͤckliche Verwunderung uͤber der andern ungemeinen Geſtalt/ daß weder eine noch die andere ihre entſchloſſene Gemuͤths- Meinung alſobald eroͤfnen konte. Thußnel- de hatte ein wolgebildetes Antlitz/ eine klare Haut/ einen Blut-rothen allezeit laͤchelnden Mund/ Himmel-blaue Augen/ aus welchen die Freundligkeit ſelbſt zu ſehen ſchien/ weiſſe kringlichte Haarlocken/ welche uͤber ihre Ach- ſeln und aufſchwellenden Bruͤſte ſpielten/ und gleichſam mit einander/ oder vielmehr ſelbſt mit dem Schnee um den Vorzug ihrer Farbe ſtrietten. Jhr Leib war lang und geſchlang/ ihre Geberden holdſelig/ welche mit ihrer An- muth im erſten Anblicke gleichſam aller An- ſchauer Seelen bezauberten/ und ihnen das Band der Zuneigung anſchlingeten. Faſt e- ben ſo war die Fuͤrſtin Jſmene gebildet/ auſer/ daß ihre Haare ein wenig Goldfaͤrbicht/ ihre Gebehrdung was mehr trauriger/ oder viel- mehr nachſinnend zu ſeyn ſchien. Die Koͤni- gin war mehr roͤßlicht/ ihre Haarlocken braun/ ihre Augen groß und ſchwartz/ und in ſteter Be- wegung/ welche unaufhoͤrlich Strahlen als ei- nen beweglichen Blitz von ſich lieſſen/ und die Lebhafftigkeit ihres Geiſtes andeuteten. Das Geſichte ſchien zwar etwas ernſthafft zu ſeyn/ die Gebehrden aber vermiſchten ſelbtes mit ei- ner durchdringenden Freundligkeit/ alſo daß es ſchien/ das Gluͤcke haͤtte hier drey Muſter einer unterſchiedenen Schoͤnheit mit Fleiß zu- ſammen bringen/ und dadurch ſo wol die All- macht der Natur/ welche dreyen gegen einan- der geſetzten Dingen einerley Wunder und Wuͤrckungen einpflantzen koͤnne/ erhaͤrten/ als der Liebe einen Zanckapfel/ wohin ſie greif- fen ſolle/ aufwerffen wollen. Thußnelde faͤrbte ihre Wangen mit einer zuͤchtigen Scham-roͤthe/ als ſie durch ihre Verwunde- rung etwas ihre ſonſt fertige Zunge gehemmet empfandt/ erholete ſich aber bald wieder/ umb- armte die Koͤnigin mit einer ſo beweglichen An- ſtellung/ welche auch ohne einigen Wortes Ausdruͤckung ihr ihr hertzliches Mitleiden ein- redete. Dieſe erſte Verſicherung bekraͤfftig- te ſie mit durchdringenden Worten/ daß ſie ih- re Wunden und Ungluͤck in ihrer ſelbſt eige- nen Seele empfinde/ und alle Kraͤfften ihres Gemuͤthes zu ihrer Geneſ- und Befreyung an- zuwenden begierig waͤre; und wormit ſie ſol- chen Unrechts-Verzeihung ſo viel leichter er- langen koͤnte/ haͤtte ſie die Fuͤrſtin Jſmene zu einer Vorbitterin vermocht. Die Koͤnigin nam

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/248>, abgerufen am 28.03.2024.