Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] angezogenen Zeugnüsse der Alten wären ihm so
verdächtig/ als die neuen Ruhmsprüche etlicher
Betrüger. Denn Betrug und Lügen hätten
mit der Warheit einerley Alter. Fürnehmlich
wären die Priester in Egypten Meister im
Aufschneiden gewest/ da sonst die glaubwürdig-
sten Lehrer des Alterthums kein Wort dieser
Wissenschafft gedächten. Die gelehrten Ge-
dichte hätten in sich den Kern der Sitten-Lehre/
zu dieser geträumten Kunst aber würde sie mit
den Haaren und gantz ungereimt gezogen.
Hingegen liesse sich aus dem Gedichte/ samb
Vulcan die Minerva hätte nothzüchtigen wol-
len/ und aus seinem Samen der Halb-Drache
Erichtonius gezeugt worden wäre/ gar artlich
schlüssen: daß wenn diese Gold-Schmeltzer der
Natur Gewalt anthun wolten/ sie nichts als ei-
ne nur zu Verfälschung der Müntze dienende
Mißgeburt zuwege brächten. Da aber auch
diese Wissenschafft irgendswo anzutreffen wäre/
solte man allen Goldmachern/ weil dieses Ertzt
mehr Menschen als das Eisen tödtete/ einen
Stein in Hals hencken und ins tiefste Meer
werffen/ dem gesegneten Steine aber es nicht
besser mitspielen/ als die Einwohner der Stadt
Babytace an dem Flusse Tygris/ welche alles
Gold um es aus den Augen und dem Mißbrau-
che der Menschen zu reissen/ tief verscharreten.
Am allermeisten aber müste man diesen Stein
des Aergernüsses Fürsten aus dem Wege räu-
men. Denn/ weil weder Weißheit noch Herr-
schafft die gemeinen Begierden in uns ausrot-
tet/ und daher wenig Welt-Herrscher jenes
Mohren-Königs Meinung sind/ daß güldene
Fessel nur Sclaven anstünden/ insonderheit die
denen Königen obliegende schwere Ausgaben
das Verlangen nach diesem so angenehmen
Ertzte vergrösserten/ wären sie weniger als an-
dere zu verdencken/ wenn sie alle scheinbare
Mittel/ dessen fähig zu werden/ untersuchten.
Rhemetalces fing an: Jch aber bin der unvor-
greiflichen Gedancken/ daß ein Fürst so grosse
[Spaltenumbruch] Ursachen nicht habe viel Schätze zu sammlen.
Zwar bescheide ich mich wol/ daß ein Reich ohne
Vorrath nicht bestehen könne. Daher die ge-
meinen Schatzkammern von den Serern gar
klüglich Landwehren des Reichs/ der Beschluß/
darinnen von den Scythen das unversehrliche
Blut des Volcks genennet wird. Und also
Crates/ der sein Vermögen ins Meer warf/ e-
ben so wenig als jener Verschwender zu einem
Fürsten getaugt hätte/ der mit vielem Reich-
thum angefüllte Schiffe zu Verwahrung eines
Hafens in die See senckte/ um seinem Bau den
Ruhm der Kostbarkeit zu erwerben. Alleine
die Sicherheit einer Herrschafft auf Reichthum
bauen/ halte ich vor eine grosse Eitelkeit/ weil die-
ses so vieler mächtigen Reiche Fallbret/ Armuth
aber des so grossen Römischen Grundfeste ge-
wesen ist. Lycurgus verbot denen Spartani-
schen Bürgern allen Gebrauch des Goldes und
Silbers/ wormit dieses schädliche Ertz weder ih-
re gute Sitten verderben/ noch solch Uberfluß
dem Vaterlande die mißgünstigen Nachbarn
zu Feinden machen möchte. Sintemal doch
Reichthum und die Hofnung der Beute des
Krieges fürnehmste Ursachen wären. Hiero
frischte mit denen herausgestrichenen Schätzen
seine Kriegsleute wider die Sicilischen Wüte-
riche auf/ derer Raub ihnen mehr/ als ihr
Kriegs-Sold/ eintragen würde. Den König
in Cypern Ptolomeus hätten seine zusammen
gescharrete Schätze ums Königreich gebracht.
Käyser Julius wäre durch der Einwohner
Vermögen in Gallien und Britannien gelockt
worden. Zu was für einem grossen Wachs-
thume aber stieg Rom empor/ als das Capitol
noch mit Schindeln gedeckt war? Die Tugend
war niemals in vollkommener Blüte/ und die
Siegs-Kräntze niemals gemeiner/ als da Rom
seine Kriegs-Häupter vom Pfluge holete. Cras-
sus und Lucullus verdienen zwar mit ihrer gros-
sen Pracht/ Curius und Fabricius aber mit ih-
ren nützlichen Helden-Thaten den Vorzug. Rom

hatte
Z 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] angezogenen Zeugnuͤſſe der Alten waͤren ihm ſo
verdaͤchtig/ als die neuen Ruhmſpruͤche etlicher
Betruͤger. Denn Betrug und Luͤgen haͤtten
mit der Warheit einerley Alter. Fuͤrnehmlich
waͤren die Prieſter in Egypten Meiſter im
Aufſchneiden geweſt/ da ſonſt die glaubwuͤrdig-
ſten Lehrer des Alterthums kein Wort dieſer
Wiſſenſchafft gedaͤchten. Die gelehrten Ge-
dichte haͤtten in ſich den Kern der Sitten-Lehre/
zu dieſer getraͤumten Kunſt aber wuͤrde ſie mit
den Haaren und gantz ungereimt gezogen.
Hingegen lieſſe ſich aus dem Gedichte/ ſamb
Vulcan die Minerva haͤtte nothzuͤchtigen wol-
len/ und aus ſeinem Samen der Halb-Drache
Erichtonius gezeugt worden waͤre/ gar artlich
ſchluͤſſen: daß wenn dieſe Gold-Schmeltzer der
Natur Gewalt anthun wolten/ ſie nichts als ei-
ne nur zu Verfaͤlſchung der Muͤntze dienende
Mißgeburt zuwege braͤchten. Da aber auch
dieſe Wiſſenſchafft irgendswo anzutreffen waͤre/
ſolte man allen Goldmachern/ weil dieſes Ertzt
mehr Menſchen als das Eiſen toͤdtete/ einen
Stein in Hals hencken und ins tiefſte Meer
werffen/ dem geſegneten Steine aber es nicht
beſſer mitſpielen/ als die Einwohner der Stadt
Babytace an dem Fluſſe Tygris/ welche alles
Gold um es aus den Augen und dem Mißbrau-
che der Menſchen zu reiſſen/ tief verſcharreten.
Am allermeiſten aber muͤſte man dieſen Stein
des Aergernuͤſſes Fuͤrſten aus dem Wege raͤu-
men. Denn/ weil weder Weißheit noch Herr-
ſchafft die gemeinen Begierden in uns ausrot-
tet/ und daher wenig Welt-Herrſcher jenes
Mohren-Koͤnigs Meinung ſind/ daß guͤldene
Feſſel nur Sclaven anſtuͤnden/ inſonderheit die
denen Koͤnigen obliegende ſchwere Ausgaben
das Verlangen nach dieſem ſo angenehmen
Ertzte vergroͤſſerten/ waͤren ſie weniger als an-
dere zu verdencken/ wenn ſie alle ſcheinbare
Mittel/ deſſen faͤhig zu werden/ unterſuchten.
Rhemetalces fing an: Jch aber bin der unvor-
greiflichen Gedancken/ daß ein Fuͤrſt ſo groſſe
[Spaltenumbruch] Urſachen nicht habe viel Schaͤtze zu ſammlen.
Zwar beſcheide ich mich wol/ daß ein Reich ohne
Vorrath nicht beſtehen koͤnne. Daher die ge-
meinen Schatzkammern von den Serern gar
kluͤglich Landwehren des Reichs/ der Beſchluß/
darinnen von den Scythen das unverſehrliche
Blut des Volcks genennet wird. Und alſo
Crates/ der ſein Vermoͤgen ins Meer warf/ e-
ben ſo wenig als jener Verſchwender zu einem
Fuͤrſten getaugt haͤtte/ der mit vielem Reich-
thum angefuͤllte Schiffe zu Verwahrung eines
Hafens in die See ſenckte/ um ſeinem Bau den
Ruhm der Koſtbarkeit zu erwerben. Alleine
die Sicherheit einer Herrſchafft auf Reichthum
bauen/ halte ich vor eine groſſe Eitelkeit/ weil die-
ſes ſo vieler maͤchtigen Reiche Fallbret/ Armuth
aber des ſo groſſen Roͤmiſchen Grundfeſte ge-
weſen iſt. Lycurgus verbot denen Spartani-
ſchen Buͤrgern allen Gebrauch des Goldes und
Silbers/ wormit dieſes ſchaͤdliche Ertz weder ih-
re gute Sitten verderben/ noch ſolch Uberfluß
dem Vaterlande die mißguͤnſtigen Nachbarn
zu Feinden machen moͤchte. Sintemal doch
Reichthum und die Hofnung der Beute des
Krieges fuͤrnehmſte Urſachen waͤren. Hiero
friſchte mit denen herausgeſtrichenen Schaͤtzen
ſeine Kriegsleute wider die Siciliſchen Wuͤte-
riche auf/ derer Raub ihnen mehr/ als ihr
Kriegs-Sold/ eintragen wuͤrde. Den Koͤnig
in Cypern Ptolomeus haͤtten ſeine zuſammen
geſcharrete Schaͤtze ums Koͤnigreich gebracht.
Kaͤyſer Julius waͤre durch der Einwohner
Vermoͤgen in Gallien und Britannien gelockt
worden. Zu was fuͤr einem groſſen Wachs-
thume aber ſtieg Rom empor/ als das Capitol
noch mit Schindeln gedeckt war? Die Tugend
war niemals in vollkommener Bluͤte/ und die
Siegs-Kraͤntze niemals gemeiner/ als da Rom
ſeine Kriegs-Haͤupter vom Pfluge holete. Craſ-
ſus und Lucullus verdienen zwar mit ihrer groſ-
ſen Pracht/ Curius und Fabricius aber mit ih-
ren nuͤtzlichen Helden-Thaten den Voꝛzug. Rom

hatte
Z 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0229" n="179"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
angezogenen Zeugnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der Alten wa&#x0364;ren ihm &#x017F;o<lb/>
verda&#x0364;chtig/ als die neuen Ruhm&#x017F;pru&#x0364;che etlicher<lb/>
Betru&#x0364;ger. Denn Betrug und Lu&#x0364;gen ha&#x0364;tten<lb/>
mit der Warheit einerley Alter. Fu&#x0364;rnehmlich<lb/>
wa&#x0364;ren die Prie&#x017F;ter in Egypten Mei&#x017F;ter im<lb/>
Auf&#x017F;chneiden gewe&#x017F;t/ da &#x017F;on&#x017F;t die glaubwu&#x0364;rdig-<lb/>
&#x017F;ten Lehrer des Alterthums kein Wort die&#x017F;er<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft geda&#x0364;chten. Die gelehrten Ge-<lb/>
dichte ha&#x0364;tten in &#x017F;ich den Kern der Sitten-Lehre/<lb/>
zu die&#x017F;er getra&#x0364;umten Kun&#x017F;t aber wu&#x0364;rde &#x017F;ie mit<lb/>
den Haaren und gantz ungereimt gezogen.<lb/>
Hingegen lie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich aus dem Gedichte/ &#x017F;amb<lb/>
Vulcan die Minerva ha&#x0364;tte nothzu&#x0364;chtigen wol-<lb/>
len/ und aus &#x017F;einem Samen der Halb-Drache<lb/>
Erichtonius gezeugt worden wa&#x0364;re/ gar artlich<lb/>
&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en: daß wenn die&#x017F;e Gold-Schmeltzer der<lb/>
Natur Gewalt anthun wolten/ &#x017F;ie nichts als ei-<lb/>
ne nur zu Verfa&#x0364;l&#x017F;chung der Mu&#x0364;ntze dienende<lb/>
Mißgeburt zuwege bra&#x0364;chten. Da aber auch<lb/>
die&#x017F;e Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft irgendswo anzutreffen wa&#x0364;re/<lb/>
&#x017F;olte man allen Goldmachern/ weil die&#x017F;es Ertzt<lb/>
mehr Men&#x017F;chen als das Ei&#x017F;en to&#x0364;dtete/ einen<lb/>
Stein in Hals hencken und ins tief&#x017F;te Meer<lb/>
werffen/ dem ge&#x017F;egneten Steine aber es nicht<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er mit&#x017F;pielen/ als die Einwohner der Stadt<lb/>
Babytace an dem Flu&#x017F;&#x017F;e Tygris/ welche alles<lb/>
Gold um es aus den Augen und dem Mißbrau-<lb/>
che der Men&#x017F;chen zu rei&#x017F;&#x017F;en/ tief ver&#x017F;charreten.<lb/>
Am allermei&#x017F;ten aber mu&#x0364;&#x017F;te man die&#x017F;en Stein<lb/>
des Aergernu&#x0364;&#x017F;&#x017F;es Fu&#x0364;r&#x017F;ten aus dem Wege ra&#x0364;u-<lb/>
men. Denn/ weil weder Weißheit noch Herr-<lb/>
&#x017F;chafft die gemeinen Begierden in uns ausrot-<lb/>
tet/ und daher wenig Welt-Herr&#x017F;cher jenes<lb/>
Mohren-Ko&#x0364;nigs Meinung &#x017F;ind/ daß gu&#x0364;ldene<lb/>
Fe&#x017F;&#x017F;el nur Sclaven an&#x017F;tu&#x0364;nden/ in&#x017F;onderheit die<lb/>
denen Ko&#x0364;nigen obliegende &#x017F;chwere Ausgaben<lb/>
das Verlangen nach die&#x017F;em &#x017F;o angenehmen<lb/>
Ertzte vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erten/ wa&#x0364;ren &#x017F;ie weniger als an-<lb/>
dere zu verdencken/ wenn &#x017F;ie alle &#x017F;cheinbare<lb/>
Mittel/ de&#x017F;&#x017F;en fa&#x0364;hig zu werden/ unter&#x017F;uchten.<lb/>
Rhemetalces fing an: Jch aber bin der unvor-<lb/>
greiflichen Gedancken/ daß ein Fu&#x0364;r&#x017F;t &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e<lb/><cb/>
Ur&#x017F;achen nicht habe viel Scha&#x0364;tze zu &#x017F;ammlen.<lb/>
Zwar be&#x017F;cheide ich mich wol/ daß ein Reich ohne<lb/>
Vorrath nicht be&#x017F;tehen ko&#x0364;nne. Daher die ge-<lb/>
meinen Schatzkammern von den Serern gar<lb/>
klu&#x0364;glich Landwehren des Reichs/ der Be&#x017F;chluß/<lb/>
darinnen von den Scythen das unver&#x017F;ehrliche<lb/>
Blut des Volcks genennet wird. Und al&#x017F;o<lb/>
Crates/ der &#x017F;ein Vermo&#x0364;gen ins Meer warf/ e-<lb/>
ben &#x017F;o wenig als jener Ver&#x017F;chwender zu einem<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten getaugt ha&#x0364;tte/ der mit vielem Reich-<lb/>
thum angefu&#x0364;llte Schiffe zu Verwahrung eines<lb/>
Hafens in die See &#x017F;enckte/ um &#x017F;einem Bau den<lb/>
Ruhm der Ko&#x017F;tbarkeit zu erwerben. Alleine<lb/>
die Sicherheit einer Herr&#x017F;chafft auf Reichthum<lb/>
bauen/ halte ich vor eine gro&#x017F;&#x017F;e Eitelkeit/ weil die-<lb/>
&#x017F;es &#x017F;o vieler ma&#x0364;chtigen Reiche Fallbret/ Armuth<lb/>
aber des &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Grundfe&#x017F;te ge-<lb/>
we&#x017F;en i&#x017F;t. Lycurgus verbot denen Spartani-<lb/>
&#x017F;chen Bu&#x0364;rgern allen Gebrauch des Goldes und<lb/>
Silbers/ wormit die&#x017F;es &#x017F;cha&#x0364;dliche Ertz weder ih-<lb/>
re gute Sitten verderben/ noch &#x017F;olch Uberfluß<lb/>
dem Vaterlande die mißgu&#x0364;n&#x017F;tigen Nachbarn<lb/>
zu Feinden machen mo&#x0364;chte. Sintemal doch<lb/>
Reichthum und die Hofnung der Beute des<lb/>
Krieges fu&#x0364;rnehm&#x017F;te Ur&#x017F;achen wa&#x0364;ren. Hiero<lb/>
fri&#x017F;chte mit denen herausge&#x017F;trichenen Scha&#x0364;tzen<lb/>
&#x017F;eine Kriegsleute wider die Sicili&#x017F;chen Wu&#x0364;te-<lb/>
riche auf/ derer Raub ihnen mehr/ als ihr<lb/>
Kriegs-Sold/ eintragen wu&#x0364;rde. Den Ko&#x0364;nig<lb/>
in Cypern Ptolomeus ha&#x0364;tten &#x017F;eine zu&#x017F;ammen<lb/>
ge&#x017F;charrete Scha&#x0364;tze ums Ko&#x0364;nigreich gebracht.<lb/>
Ka&#x0364;y&#x017F;er Julius wa&#x0364;re durch der Einwohner<lb/>
Vermo&#x0364;gen in Gallien und Britannien gelockt<lb/>
worden. Zu was fu&#x0364;r einem gro&#x017F;&#x017F;en Wachs-<lb/>
thume aber &#x017F;tieg Rom empor/ als das Capitol<lb/>
noch mit Schindeln gedeckt war? Die Tugend<lb/>
war niemals in vollkommener Blu&#x0364;te/ und die<lb/>
Siegs-Kra&#x0364;ntze niemals gemeiner/ als da Rom<lb/>
&#x017F;eine Kriegs-Ha&#x0364;upter vom Pfluge holete. Cra&#x017F;-<lb/>
&#x017F;us und Lucullus verdienen zwar mit ihrer gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Pracht/ Curius und Fabricius aber mit ih-<lb/>
ren nu&#x0364;tzlichen Helden-Thaten den Vo&#xA75B;zug. Rom<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 2</fw><fw place="bottom" type="catch">hatte</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0229] Arminius und Thußnelda. angezogenen Zeugnuͤſſe der Alten waͤren ihm ſo verdaͤchtig/ als die neuen Ruhmſpruͤche etlicher Betruͤger. Denn Betrug und Luͤgen haͤtten mit der Warheit einerley Alter. Fuͤrnehmlich waͤren die Prieſter in Egypten Meiſter im Aufſchneiden geweſt/ da ſonſt die glaubwuͤrdig- ſten Lehrer des Alterthums kein Wort dieſer Wiſſenſchafft gedaͤchten. Die gelehrten Ge- dichte haͤtten in ſich den Kern der Sitten-Lehre/ zu dieſer getraͤumten Kunſt aber wuͤrde ſie mit den Haaren und gantz ungereimt gezogen. Hingegen lieſſe ſich aus dem Gedichte/ ſamb Vulcan die Minerva haͤtte nothzuͤchtigen wol- len/ und aus ſeinem Samen der Halb-Drache Erichtonius gezeugt worden waͤre/ gar artlich ſchluͤſſen: daß wenn dieſe Gold-Schmeltzer der Natur Gewalt anthun wolten/ ſie nichts als ei- ne nur zu Verfaͤlſchung der Muͤntze dienende Mißgeburt zuwege braͤchten. Da aber auch dieſe Wiſſenſchafft irgendswo anzutreffen waͤre/ ſolte man allen Goldmachern/ weil dieſes Ertzt mehr Menſchen als das Eiſen toͤdtete/ einen Stein in Hals hencken und ins tiefſte Meer werffen/ dem geſegneten Steine aber es nicht beſſer mitſpielen/ als die Einwohner der Stadt Babytace an dem Fluſſe Tygris/ welche alles Gold um es aus den Augen und dem Mißbrau- che der Menſchen zu reiſſen/ tief verſcharreten. Am allermeiſten aber muͤſte man dieſen Stein des Aergernuͤſſes Fuͤrſten aus dem Wege raͤu- men. Denn/ weil weder Weißheit noch Herr- ſchafft die gemeinen Begierden in uns ausrot- tet/ und daher wenig Welt-Herrſcher jenes Mohren-Koͤnigs Meinung ſind/ daß guͤldene Feſſel nur Sclaven anſtuͤnden/ inſonderheit die denen Koͤnigen obliegende ſchwere Ausgaben das Verlangen nach dieſem ſo angenehmen Ertzte vergroͤſſerten/ waͤren ſie weniger als an- dere zu verdencken/ wenn ſie alle ſcheinbare Mittel/ deſſen faͤhig zu werden/ unterſuchten. Rhemetalces fing an: Jch aber bin der unvor- greiflichen Gedancken/ daß ein Fuͤrſt ſo groſſe Urſachen nicht habe viel Schaͤtze zu ſammlen. Zwar beſcheide ich mich wol/ daß ein Reich ohne Vorrath nicht beſtehen koͤnne. Daher die ge- meinen Schatzkammern von den Serern gar kluͤglich Landwehren des Reichs/ der Beſchluß/ darinnen von den Scythen das unverſehrliche Blut des Volcks genennet wird. Und alſo Crates/ der ſein Vermoͤgen ins Meer warf/ e- ben ſo wenig als jener Verſchwender zu einem Fuͤrſten getaugt haͤtte/ der mit vielem Reich- thum angefuͤllte Schiffe zu Verwahrung eines Hafens in die See ſenckte/ um ſeinem Bau den Ruhm der Koſtbarkeit zu erwerben. Alleine die Sicherheit einer Herrſchafft auf Reichthum bauen/ halte ich vor eine groſſe Eitelkeit/ weil die- ſes ſo vieler maͤchtigen Reiche Fallbret/ Armuth aber des ſo groſſen Roͤmiſchen Grundfeſte ge- weſen iſt. Lycurgus verbot denen Spartani- ſchen Buͤrgern allen Gebrauch des Goldes und Silbers/ wormit dieſes ſchaͤdliche Ertz weder ih- re gute Sitten verderben/ noch ſolch Uberfluß dem Vaterlande die mißguͤnſtigen Nachbarn zu Feinden machen moͤchte. Sintemal doch Reichthum und die Hofnung der Beute des Krieges fuͤrnehmſte Urſachen waͤren. Hiero friſchte mit denen herausgeſtrichenen Schaͤtzen ſeine Kriegsleute wider die Siciliſchen Wuͤte- riche auf/ derer Raub ihnen mehr/ als ihr Kriegs-Sold/ eintragen wuͤrde. Den Koͤnig in Cypern Ptolomeus haͤtten ſeine zuſammen geſcharrete Schaͤtze ums Koͤnigreich gebracht. Kaͤyſer Julius waͤre durch der Einwohner Vermoͤgen in Gallien und Britannien gelockt worden. Zu was fuͤr einem groſſen Wachs- thume aber ſtieg Rom empor/ als das Capitol noch mit Schindeln gedeckt war? Die Tugend war niemals in vollkommener Bluͤte/ und die Siegs-Kraͤntze niemals gemeiner/ als da Rom ſeine Kriegs-Haͤupter vom Pfluge holete. Craſ- ſus und Lucullus verdienen zwar mit ihrer groſ- ſen Pracht/ Curius und Fabricius aber mit ih- ren nuͤtzlichen Helden-Thaten den Voꝛzug. Rom hatte Z 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/229
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/229>, abgerufen am 28.03.2024.