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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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[Spaltenumbruch] Schwächen und Blössen/ die sein eigenes Volck
nicht wüste/ und der Purpur verdeckte viel ge-
fährliche Wunden. Man habe sich für den
Hülffs-Völckern zuweilen mehr/ als für offent-
lichen Feinden fürzuschauen. Roderich hätteet-
liche 30. Jahr die Klauen mit den Scythen ver-
mengt/ ihre Kräften ergründet/ die Leichtsinnig-
keit der Dacier und Pannonier behertzigt/ die
innerliche Unruh für Augen/ sein Bergabge-
hendes Alter im Gedächtnüsse/ der Herrschens-
Kunst Schwerigkeit in Erwegung gehabt; in
dem ein Fürst nichts minder als ein Weber zu
seinem Gewebe Augen/ Hände/ Armen/ Füsse/
und alle seine Kräfte/ welche doch durch Zeit und
Sorgen abnehmen/ anwenden/ das Verwirrete
verrichten/ das zerrissene ergäntzen müste. Die-
semnach solte ein Fürst/ mit dem es auf die Nei-
ge seiner Jahre kommen/ in seinen Entschlüssun-
gen ein gantz anderes Augenwerck haben/ als
der/ welcher im blühenden Alter/ bey wachsenden
Kräfften/ mit feurigen Regungen auf dem Stul
sitzt; da er anders sein Reich/ welches durch so viel
Tugend und Klugheit kaum in tausend Jahren
zu Stande kommen/ nicht durch eine augenblick-
liche Ubereilung in Verderben stürtzen/ und für
dem Richter-Stule der Nachwelt/ welche ohne
Heucheley urtheilet/ und denen prächtigsten Eh-
ren-Säulen ihre Larve vom Gesichte zieht/
den durch viel Schweiß und Blut kaum er-
worbenen Ruhm verspielen wil. Die Kette/
welche einen Herrscher mit den Unterthanen
verknüpfet/ nützet sich von Tag zu Tage ab.
Denn ich mag nicht sagen/ daß die Begierde des
Ruhms/ die Beysorge des Verlusts einen jun-
gen Herrn lebhafter und wachsamer mache/
hingegen bey einem bejahrten Fürsten der Zun-
der der Ehre verglimme; sintemal das Gemü-
the nichts minder als der Leib veraltert und
schwach wird/ also daß ihn weder das Glücke
aufmuntert/ noch bey seinem ohnedis für Au-
gen schwebenden Abschiede das Unglücke zu
[Spaltenumbruch] Hertzen geht/ und ein Reich bey so gestalten
Sachen/ das anfangs einen göldnen Kopf ge-
habt/ hernach auf thönernen Füssen stehet; son-
dern ich ziehe mich allein auf den wanckelmüthi-
gen Pöfel/ der das gegenwärtige hasset/ die Ver-
änderungen verlanget/ ja sich mit der Neuerung
über seiner eignen Gefahr belustigt; also die
vieljährige Herrschafft eines Hauptes ohne
Verdruß nicht ertragen kan. Du hast es in
allewege getroffen/ pflichtete ihm Malovend
bey. Denn Roderich sahe wol/ daß seine
greise Haare nicht bey allen Unterthanen be-
liebt waren/ daß die meisten die aufgehende
Sonne anbeteten/ und seine Herrschafft mehr
auf den Ruff/ als auf beständige Kräfften ge-
anckert war; ungeachtet er sich der dem Alter
meist anklebenden und einen Fürsten ver-
hasst machenden Fehler/ nemlich des Geitzes/
der Verschrenckung zuläßlicher Ergetzligkei-
ten/ der fahrlässigen Hinlassung der Regirung in
frembde Hände vernünftig entäuserte/ und un-
ter andern Zeitvertrieben seine Vergnügung
aus Umbarmung des Reichs und Beobachtung
des gemeinen Wesens schöpfte. Zu dem man-
gelten ihm die rechten Pfeiler seiner Herr-
schafft/ nemlich Kinder/ welche mehr als Kriegs-
Heere/ besser als alle ihrem Eigennutz die-
nende/ und den Mantel stets nach dem Winde
des Glücks hängende Freunde einen Für-
sten beschirmen. Hingegen hatte Malorich
schon so viel Jahre nach dem Hefte des Reichs/
und hiermit auch nach seines Bruders Tode
gelechset; weßwegen seine Siege ihn mehrmals
weniger/ als das Geräusche der feindlichen
Waffen schlaffen liessen/ ungeachtet Roderich
ihn zwar zum Haupte seiner Heere gemacht/
einem niedrigern aber stets die eigentliche Ge-
walt anvertrauet hatte. Endlich hat Rode-
rich behertzigt/ daß wie ein Schiff von Her-
umbwerffung der Segel auch bey gutem Win-
de sich erschüttert/ und/ wo zwey Ströme zu-

sam-

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] Schwaͤchen und Bloͤſſen/ die ſein eigenes Volck
nicht wuͤſte/ und der Purpur verdeckte viel ge-
faͤhrliche Wunden. Man habe ſich fuͤr den
Huͤlffs-Voͤlckern zuweilen mehr/ als fuͤr offent-
lichen Feinden fuͤrzuſchauen. Roderich haͤtteet-
liche 30. Jahr die Klauen mit den Scythen ver-
mengt/ ihre Kraͤften ergruͤndet/ die Leichtſinnig-
keit der Dacier und Pannonier behertzigt/ die
innerliche Unruh fuͤr Augen/ ſein Bergabge-
hendes Alter im Gedaͤchtnuͤſſe/ der Herrſchens-
Kunſt Schwerigkeit in Erwegung gehabt; in
dem ein Fuͤrſt nichts minder als ein Weber zu
ſeinem Gewebe Augen/ Haͤnde/ Armen/ Fuͤſſe/
und alle ſeine Kraͤfte/ welche doch durch Zeit und
Sorgen abnehmen/ anwenden/ das Verwirrete
verrichten/ das zerriſſene ergaͤntzen muͤſte. Die-
ſemnach ſolte ein Fuͤrſt/ mit dem es auf die Nei-
ge ſeiner Jahre kommen/ in ſeinen Entſchluͤſſun-
gen ein gantz anderes Augenwerck haben/ als
der/ welcher im bluͤhenden Alter/ bey wachſenden
Kraͤfften/ mit feurigen Regungen auf dem Stul
ſitzt; da er anders ſein Reich/ welches durch ſo viel
Tugend und Klugheit kaum in tauſend Jahren
zu Stande kommen/ nicht durch eine augenblick-
liche Ubereilung in Verderben ſtuͤrtzen/ und fuͤr
dem Richter-Stule der Nachwelt/ welche ohne
Heucheley urtheilet/ und denen praͤchtigſten Eh-
ren-Saͤulen ihre Larve vom Geſichte zieht/
den durch viel Schweiß und Blut kaum er-
worbenen Ruhm verſpielen wil. Die Kette/
welche einen Herrſcher mit den Unterthanen
verknuͤpfet/ nuͤtzet ſich von Tag zu Tage ab.
Denn ich mag nicht ſagen/ daß die Begierde des
Ruhms/ die Beyſorge des Verluſts einen jun-
gen Herrn lebhafter und wachſamer mache/
hingegen bey einem bejahrten Fuͤrſten der Zun-
der der Ehre verglimme; ſintemal das Gemuͤ-
the nichts minder als der Leib veraltert und
ſchwach wird/ alſo daß ihn weder das Gluͤcke
aufmuntert/ noch bey ſeinem ohnedis fuͤr Au-
gen ſchwebenden Abſchiede das Ungluͤcke zu
[Spaltenumbruch] Hertzen geht/ und ein Reich bey ſo geſtalten
Sachen/ das anfangs einen goͤldnen Kopf ge-
habt/ hernach auf thoͤnernen Fuͤſſen ſtehet; ſon-
dern ich ziehe mich allein auf den wanckelmuͤthi-
gen Poͤfel/ der das gegenwaͤrtige haſſet/ die Ver-
aͤnderungen verlanget/ ja ſich mit der Neuerung
uͤber ſeiner eignen Gefahr beluſtigt; alſo die
vieljaͤhrige Herrſchafft eines Hauptes ohne
Verdruß nicht ertragen kan. Du haſt es in
allewege getroffen/ pflichtete ihm Malovend
bey. Denn Roderich ſahe wol/ daß ſeine
greiſe Haare nicht bey allen Unterthanen be-
liebt waren/ daß die meiſten die aufgehende
Sonne anbeteten/ und ſeine Herrſchafft mehr
auf den Ruff/ als auf beſtaͤndige Kraͤfften ge-
anckert war; ungeachtet er ſich der dem Alter
meiſt anklebenden und einen Fuͤrſten ver-
haſſt machenden Fehler/ nemlich des Geitzes/
der Verſchrenckung zulaͤßlicher Ergetzligkei-
ten/ der fahrlaͤſſigen Hinlaſſung der Regirung in
frembde Haͤnde vernuͤnftig entaͤuſerte/ und un-
ter andern Zeitvertrieben ſeine Vergnuͤgung
aus Umbarmung des Reichs und Beobachtung
des gemeinen Weſens ſchoͤpfte. Zu dem man-
gelten ihm die rechten Pfeiler ſeiner Herr-
ſchafft/ nemlich Kinder/ welche mehr als Kriegs-
Heere/ beſſer als alle ihrem Eigennutz die-
nende/ und den Mantel ſtets nach dem Winde
des Gluͤcks haͤngende Freunde einen Fuͤr-
ſten beſchirmen. Hingegen hatte Malorich
ſchon ſo viel Jahre nach dem Hefte des Reichs/
und hiermit auch nach ſeines Bruders Tode
gelechſet; weßwegen ſeine Siege ihn mehrmals
weniger/ als das Geraͤuſche der feindlichen
Waffen ſchlaffen lieſſen/ ungeachtet Roderich
ihn zwar zum Haupte ſeiner Heere gemacht/
einem niedrigern aber ſtets die eigentliche Ge-
walt anvertrauet hatte. Endlich hat Rode-
rich behertzigt/ daß wie ein Schiff von Her-
umbwerffung der Segel auch bey gutem Win-
de ſich erſchuͤttert/ und/ wo zwey Stroͤme zu-

ſam-
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[174/0224] Anderes Buch Schwaͤchen und Bloͤſſen/ die ſein eigenes Volck nicht wuͤſte/ und der Purpur verdeckte viel ge- faͤhrliche Wunden. Man habe ſich fuͤr den Huͤlffs-Voͤlckern zuweilen mehr/ als fuͤr offent- lichen Feinden fuͤrzuſchauen. Roderich haͤtteet- liche 30. Jahr die Klauen mit den Scythen ver- mengt/ ihre Kraͤften ergruͤndet/ die Leichtſinnig- keit der Dacier und Pannonier behertzigt/ die innerliche Unruh fuͤr Augen/ ſein Bergabge- hendes Alter im Gedaͤchtnuͤſſe/ der Herrſchens- Kunſt Schwerigkeit in Erwegung gehabt; in dem ein Fuͤrſt nichts minder als ein Weber zu ſeinem Gewebe Augen/ Haͤnde/ Armen/ Fuͤſſe/ und alle ſeine Kraͤfte/ welche doch durch Zeit und Sorgen abnehmen/ anwenden/ das Verwirrete verrichten/ das zerriſſene ergaͤntzen muͤſte. Die- ſemnach ſolte ein Fuͤrſt/ mit dem es auf die Nei- ge ſeiner Jahre kommen/ in ſeinen Entſchluͤſſun- gen ein gantz anderes Augenwerck haben/ als der/ welcher im bluͤhenden Alter/ bey wachſenden Kraͤfften/ mit feurigen Regungen auf dem Stul ſitzt; da er anders ſein Reich/ welches durch ſo viel Tugend und Klugheit kaum in tauſend Jahren zu Stande kommen/ nicht durch eine augenblick- liche Ubereilung in Verderben ſtuͤrtzen/ und fuͤr dem Richter-Stule der Nachwelt/ welche ohne Heucheley urtheilet/ und denen praͤchtigſten Eh- ren-Saͤulen ihre Larve vom Geſichte zieht/ den durch viel Schweiß und Blut kaum er- worbenen Ruhm verſpielen wil. Die Kette/ welche einen Herrſcher mit den Unterthanen verknuͤpfet/ nuͤtzet ſich von Tag zu Tage ab. Denn ich mag nicht ſagen/ daß die Begierde des Ruhms/ die Beyſorge des Verluſts einen jun- gen Herrn lebhafter und wachſamer mache/ hingegen bey einem bejahrten Fuͤrſten der Zun- der der Ehre verglimme; ſintemal das Gemuͤ- the nichts minder als der Leib veraltert und ſchwach wird/ alſo daß ihn weder das Gluͤcke aufmuntert/ noch bey ſeinem ohnedis fuͤr Au- gen ſchwebenden Abſchiede das Ungluͤcke zu Hertzen geht/ und ein Reich bey ſo geſtalten Sachen/ das anfangs einen goͤldnen Kopf ge- habt/ hernach auf thoͤnernen Fuͤſſen ſtehet; ſon- dern ich ziehe mich allein auf den wanckelmuͤthi- gen Poͤfel/ der das gegenwaͤrtige haſſet/ die Ver- aͤnderungen verlanget/ ja ſich mit der Neuerung uͤber ſeiner eignen Gefahr beluſtigt; alſo die vieljaͤhrige Herrſchafft eines Hauptes ohne Verdruß nicht ertragen kan. Du haſt es in allewege getroffen/ pflichtete ihm Malovend bey. Denn Roderich ſahe wol/ daß ſeine greiſe Haare nicht bey allen Unterthanen be- liebt waren/ daß die meiſten die aufgehende Sonne anbeteten/ und ſeine Herrſchafft mehr auf den Ruff/ als auf beſtaͤndige Kraͤfften ge- anckert war; ungeachtet er ſich der dem Alter meiſt anklebenden und einen Fuͤrſten ver- haſſt machenden Fehler/ nemlich des Geitzes/ der Verſchrenckung zulaͤßlicher Ergetzligkei- ten/ der fahrlaͤſſigen Hinlaſſung der Regirung in frembde Haͤnde vernuͤnftig entaͤuſerte/ und un- ter andern Zeitvertrieben ſeine Vergnuͤgung aus Umbarmung des Reichs und Beobachtung des gemeinen Weſens ſchoͤpfte. Zu dem man- gelten ihm die rechten Pfeiler ſeiner Herr- ſchafft/ nemlich Kinder/ welche mehr als Kriegs- Heere/ beſſer als alle ihrem Eigennutz die- nende/ und den Mantel ſtets nach dem Winde des Gluͤcks haͤngende Freunde einen Fuͤr- ſten beſchirmen. Hingegen hatte Malorich ſchon ſo viel Jahre nach dem Hefte des Reichs/ und hiermit auch nach ſeines Bruders Tode gelechſet; weßwegen ſeine Siege ihn mehrmals weniger/ als das Geraͤuſche der feindlichen Waffen ſchlaffen lieſſen/ ungeachtet Roderich ihn zwar zum Haupte ſeiner Heere gemacht/ einem niedrigern aber ſtets die eigentliche Ge- walt anvertrauet hatte. Endlich hat Rode- rich behertzigt/ daß wie ein Schiff von Her- umbwerffung der Segel auch bey gutem Win- de ſich erſchuͤttert/ und/ wo zwey Stroͤme zu- ſam-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/224>, abgerufen am 28.03.2024.