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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] sein für beyden Fürsten eröffneter Schluß sich
ohne seine höchste Ehren-Verletzung/ für wel-
cher ehe alles müste zu drümmern gehen/ ver-
ändern liesse. Mit diesen Worten entbrach
er sich ihrer/ und ließ Riamen und Olorenen
in höchster Gemüths-Bestürtzung. Beyde
mischten allhier ihre Thränen zusammen/ wel-
che kurtz vorher einander mit so scheelen Augen
angesehen hatten. Also hat die Gemeinschafft
des Jammers diese seltzame Krafft/ daß selbte
zertrennte Gemüther vereinbart. Und diese
Eintracht erhärtete/ daß die Hände des Un-
glücks stärcker/ als die Klauen der Eifersucht
sind. Klodomir und Astinabes waren hinge-
gen bemüht durch Ausübung allerhand erge-
tzender Ritterspiele und Kurtzweilen so wohl sich
sehen zu lassen/ als ihnen die Zeit zu verkürtzen/
wormit sie hierüber ihnen ihren Kummer und
Gedancken aus dem Gemüthe schlagen möch-
ten/ und durch hunderterley Arten annehmli-
cher Bedienungen suchten sie ihr Hertze zu ge-
winnen. Wiewohl nun Riame und Olore-
ne die grossen Tugenden dieser zweyen ausbün-
digen Herren nicht allein erkennen/ sondern
auch darüber sich öffters verwundern musten/
so sprachen sie doch in Gedancken allemahl
Friedebalden den Preiß zu/ entweder weil ihr
Hertze von ihm schon vorher besessen war/ o-
der weil die Liebe an sich einen Zug zu einer
gewissen Hartnäckigkeit hat/ daß sie auch et-
was köstlichers verschmähet/ welches man ihr
einnöthigen will. Welches so vielweniger zu
verwundern/ weil die hefftige Liebe einen Men-
schen völlig entzücket/ und ausser dem/ was sie
liebet/ gegen alle andere Reitzungen unempfind-
lich macht/ auch ein liebender selbst diß/ was
er vorhin gewest/ zu seyn auffhöret/ und durch
eine gleichsam zauberische Vereinbarung zu
seiner Buhlschafft wird. Nach zweyen Ta-
gen führte Marcomir sie insgesamt auff ein
von dem Hofe sechs Meil Weges entlegenes
Lust-Haus. Nach unterschiedenen Ergetz-
[Spaltenumbruch] ligkeiten verfügten sie sich mit einander ans
Gestade des Meeres/ und sahen denen Fi-
schern/ wie sie daselbst die Fische berückten/ zu.
Kurtz hierauff wurden sie inne/ daß die Wel-
len etliche Breter und Stücke von zerbroche-
nen Schiffen an die Klippen trieben. Die
Fischer waren darum sorgfältig/ in Hoffnung
grössern Gewinn aus fremdem Unglücke/ als
durch ihren Fischzug zu erlangen. Massen
sie denn auch kurtz hierauff etliche Menschen/
so dem Ansehen nach Boots-Leute waren/ aus
dem Wasser fischten und auff ihre Kähne leg-
ten. Unter andern brachte die Fluth eine mit
köstlichen Kleidern angethane Leiche getrieben/
welchen die Fischer alsofort auff Königlichen
Befehl ans Ufer tragen musten. Das Was-
ser aber hatte sein Antlitz/ und der anklebende
Schlamm und Schilff seine Kleider gantz un-
kentbar gemacht. Nachdem sie ihn nun ab-
sauberten/ und Olorene einen an dem Finger
sich befindenden Ring wahrnahm; hob sie un-
vermuthet einen hellen Gall an zuschreyen.
Hierauff verblaßte sie nicht anders/ als die für
ihr liegende Leiche/ und sanck hiermit in eine
tieffe Ohnmacht. Die bestürtzten Umstehenden
wusten nicht/ ob sie vor die wahre Veschaf-
fenheit dieser Leiche erkundigen/ oder der Ohn-
mächtigen beyspringen solten. Als diese sich
nur ein wenig erholete/ und man sie um die
Ursache ihrer Bestürtzung befragte/ seuffzete
sie und sprach mit gebrochener Zunge: Ach!
Friedebald! Worüber die Fürstin Riama
alsofort als ein Stein erstarrete/ alle Em-
pfindligkeit und Bewegung verlohr/ ausser:
daß aus ihren Augen häuffige Thränen schos-
sen/ und sie also einem Marmel-Bilde in den
Wasser-Künsten wahrhafftig ähnlich ward.
Die übrigen Anwesenden aber befunden lei-
der! nur nach eigendlicher Beschauung des
todten Leichnams/ daß es dieser fürtreffliche
Held war. Sie kebrten diesem nach mit
der Leiche höchst bestürtzt auff das Königli-

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X 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſein fuͤr beyden Fuͤrſten eroͤffneter Schluß ſich
ohne ſeine hoͤchſte Ehren-Verletzung/ fuͤr wel-
cher ehe alles muͤſte zu druͤmmern gehen/ ver-
aͤndern lieſſe. Mit dieſen Worten entbrach
er ſich ihrer/ und ließ Riamen und Olorenen
in hoͤchſter Gemuͤths-Beſtuͤrtzung. Beyde
miſchten allhier ihre Thraͤnen zuſammen/ wel-
che kurtz vorher einander mit ſo ſcheelen Augen
angeſehen hatten. Alſo hat die Gemeinſchafft
des Jammers dieſe ſeltzame Krafft/ daß ſelbte
zertrennte Gemuͤther vereinbart. Und dieſe
Eintracht erhaͤrtete/ daß die Haͤnde des Un-
gluͤcks ſtaͤrcker/ als die Klauen der Eiferſucht
ſind. Klodomir und Aſtinabes waren hinge-
gen bemuͤht durch Ausuͤbung allerhand erge-
tzender Ritterſpiele und Kurtzweilen ſo wohl ſich
ſehen zu laſſen/ als ihnen die Zeit zu verkuͤrtzen/
wormit ſie hieruͤber ihnen ihren Kummer und
Gedancken aus dem Gemuͤthe ſchlagen moͤch-
ten/ und durch hunderterley Arten annehmli-
cher Bedienungen ſuchten ſie ihr Hertze zu ge-
winnen. Wiewohl nun Riame und Olore-
ne die groſſen Tugenden dieſer zweyen ausbuͤn-
digen Herren nicht allein erkennen/ ſondern
auch daruͤber ſich oͤffters verwundern muſten/
ſo ſprachen ſie doch in Gedancken allemahl
Friedebalden den Preiß zu/ entweder weil ihr
Hertze von ihm ſchon vorher beſeſſen war/ o-
der weil die Liebe an ſich einen Zug zu einer
gewiſſen Hartnaͤckigkeit hat/ daß ſie auch et-
was koͤſtlichers verſchmaͤhet/ welches man ihr
einnoͤthigen will. Welches ſo vielweniger zu
verwundern/ weil die hefftige Liebe einen Men-
ſchen voͤllig entzuͤcket/ und auſſer dem/ was ſie
liebet/ gegen alle andere Reitzungen unempfind-
lich macht/ auch ein liebender ſelbſt diß/ was
er vorhin geweſt/ zu ſeyn auffhoͤret/ und durch
eine gleichſam zauberiſche Vereinbarung zu
ſeiner Buhlſchafft wird. Nach zweyen Ta-
gen fuͤhrte Marcomir ſie insgeſamt auff ein
von dem Hofe ſechs Meil Weges entlegenes
Luſt-Haus. Nach unterſchiedenen Ergetz-
[Spaltenumbruch] ligkeiten verfuͤgten ſie ſich mit einander ans
Geſtade des Meeres/ und ſahen denen Fi-
ſchern/ wie ſie daſelbſt die Fiſche beruͤckten/ zu.
Kurtz hierauff wurden ſie inne/ daß die Wel-
len etliche Breter und Stuͤcke von zerbroche-
nen Schiffen an die Klippen trieben. Die
Fiſcher waren darum ſorgfaͤltig/ in Hoffnung
groͤſſern Gewinn aus fremdem Ungluͤcke/ als
durch ihren Fiſchzug zu erlangen. Maſſen
ſie denn auch kurtz hierauff etliche Menſchen/
ſo dem Anſehen nach Boots-Leute waren/ aus
dem Waſſer fiſchten und auff ihre Kaͤhne leg-
ten. Unter andern brachte die Fluth eine mit
koͤſtlichen Kleidern angethane Leiche getrieben/
welchen die Fiſcher alſofort auff Koͤniglichen
Befehl ans Ufer tragen muſten. Das Waſ-
ſer aber hatte ſein Antlitz/ und der anklebende
Schlamm und Schilff ſeine Kleider gantz un-
kentbar gemacht. Nachdem ſie ihn nun ab-
ſauberten/ und Olorene einen an dem Finger
ſich befindenden Ring wahrnahm; hob ſie un-
vermuthet einen hellen Gall an zuſchreyen.
Hierauff verblaßte ſie nicht anders/ als die fuͤr
ihr liegende Leiche/ und ſanck hiermit in eine
tieffe Ohnmacht. Die beſtuͤrtzten Umſtehenden
wuſten nicht/ ob ſie vor die wahre Veſchaf-
fenheit dieſer Leiche erkundigen/ oder der Ohn-
maͤchtigen beyſpringen ſolten. Als dieſe ſich
nur ein wenig erholete/ und man ſie um die
Urſache ihrer Beſtuͤrtzung befragte/ ſeuffzete
ſie und ſprach mit gebrochener Zunge: Ach!
Friedebald! Woruͤber die Fuͤrſtin Riama
alſofort als ein Stein erſtarrete/ alle Em-
pfindligkeit und Bewegung verlohr/ auſſer:
daß aus ihren Augen haͤuffige Thraͤnen ſchoſ-
ſen/ und ſie alſo einem Marmel-Bilde in den
Waſſer-Kuͤnſten wahrhafftig aͤhnlich ward.
Die uͤbrigen Anweſenden aber befunden lei-
der! nur nach eigendlicher Beſchauung des
todten Leichnams/ daß es dieſer fuͤrtreffliche
Held war. Sie kebrten dieſem nach mit
der Leiche hoͤchſt beſtuͤrtzt auff das Koͤnigli-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/213>, abgerufen am 29.03.2024.