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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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[Spaltenumbruch] und mich gegen dem/ welchem ich so hoch verbun-
den bin/ zu kämpffen nicht nöthigen werde.
Nach dem Königlichen Verlaub traffen Jn-
gram und Decebal als zwey Felsen an einander/
das Gefechte schien mehr als menschlich zu seyn/
denn nach gebrochenen Lantzen und gefälleten
Pferden führten sie zu Fuße mit ihren Schwerd-
tern auff einander ohne einiges Verblasen/
gleich als wenn sie keines Athemholens bedürf-
ten/ solche Streiche/ welche auffzuhalten Stahl
und Harnisch zu wenig waren. Endlich unter-
lieff Jngram dem Decebal sein Gewehr/ und
nach einem langen Ringen fielen sie mit ein-
ander zu Boden; weil aber Jngram das Glü-
cke hatte oben zu kommen/ nahm er seines
Vortheils so wohl wahr/ daß er dem Decebal
den Helm vom Haupte riß/ und ihm den De-
gen an die Gurgel setzte/ mit Bedräuung: Er
wolte ihm nun das Licht ausblasen/ da er nicht
die betrügerische Verfälschung seines Schildes
eröffnen würde. Jn Decebals Gemüthe kämpf-
te Schande und Liebe des Lebens. Diese aber
überwog jene/ und er gestand/ wie schwer es ihm
ankam/ mit Erzehlung aller Umstände zu/ daß
auff seine Anstifftung der Blattner der Cim-
brischen Hertzogin Bildniß unter das oberste
Blat eingeschraubet hätte; Welch Bekänt-
niß auch alsofort durch den herzu gefoderten
Blattner bekräfftigt ward. Nicht nur des Kö-
nigs und des Fürsten Gudwil/ sondern aller
anwesenden Gemüther wurden hierdurch gantz
umgekehrt/ und so viel Jngram Ansehen und
Gewogenheit erwarb/ so tieff verfiel Decebal
in Haß und Verachtung/ ja Lißudaval ließ ihm
alsofort Stadt und Hoff verbieten. Jngrams
gröste Bekümmerniß war die Fürstin ausser Ge-
fahr/ und sich bey ihr ausgesöhnt zu wissen. Al-
leine wenig Tage versetzten sie in eine versi-
cherte Genesung/ und ihres Brudern Erzeh-
lung der völligen Begebenheiten den Jngram
in so grosses Ansehen/ daß sie ihn selbst zur Ver-
[Spaltenumbruch] hör beruffen ließ/ ja/ als er ihr seine Verle-
tzung auff den Knien abbitten wolte/ einiges
sein Erkäntniß nicht annahm/ sondern ihr selbst
ein zweyfaches Verbrechen/ so wohl eines übel-
gegründeten Argwohns/ als einer ungerech-
ten Antastung zueignete. Es ist wunderns-
werth/ wie die zwey widrigsten Gemüths-Re-
gungen Liebe und Rache in einer Seele so ge-
schwind abwechseln können! Die zeither freye
Hermildis ward durch die verbindlichen Liebes-
Bezeugungen Hertzog Jngrams nunmehr tief-
fer im Gemüthe/ als vorher mit seinem De-
gen verwundet. Den König Lißudaval ver-
band er ihn zu einer innerlichen Zuneigung/
den Fürsten Gudwil zu einer brüderlichen
Vertrauligkeit; und hiermit schien er alle Hin-
dernisse die Qvadische Hertzogin zu erlangen
überstiegen zu haben/ als Hertzog Decebal bey
denen ihm benachbarten und befreundeten
Pannoniern den Hertzog Jngram durch eine
empfindliche Verläumdung vergällete. Denn
er ließ durch einen Betrüger seine Hand nach-
mahlen/ und sein Petschafft nachstechen/ schrieb
hiermit in seinem Nahmen einen Brieff an den
Obersten Feldherrn Marcomir/ darinnen er
die Hoffnung seiner Vermählung mit der
Hermildis Jhm vergewisserte/ wordurch er
das Pannonische Reich/ welches für acht und
sechtzig Jahren von ihrem Geschlechte durch
angemaßtes unrechtes Wahl-Recht abkom-
men wäre/ wiederum an sich zu ziehen anziel-
te. Diesen Brieff händigte er selbst einem
Post-Reuter ein/ solchen dem Marcomir zu ü-
berbringen/ stellte aber etliche Pannonier an/
daß sie einen solchen verdächtigen Brieff-Trä-
ger nicht allein anhalten/ und ihm die Schrei-
ben abnehmen/ sondern selbten auch/ wormit
sein Betrug verschwiegen bliebe/ todt schlagen
solten. Keine Natter kan so vergifftet sich an-
stellen/ wenn sie getreten wird/ als der Adel/
wenn man ihm das Wahl-Recht nehmen/ und

ein

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] und mich gegen dem/ welchem ich ſo hoch verbun-
den bin/ zu kaͤmpffen nicht noͤthigen werde.
Nach dem Koͤniglichen Verlaub traffen Jn-
gram und Decebal als zwey Felſen an einander/
das Gefechte ſchien mehr als menſchlich zu ſeyn/
denn nach gebrochenen Lantzen und gefaͤlleten
Pferden fuͤhrten ſie zu Fuße mit ihꝛen Schwerd-
tern auff einander ohne einiges Verblaſen/
gleich als wenn ſie keines Athemholens beduͤrf-
ten/ ſolche Streiche/ welche auffzuhalten Stahl
und Harniſch zu wenig waren. Endlich unter-
lieff Jngram dem Decebal ſein Gewehr/ und
nach einem langen Ringen fielen ſie mit ein-
ander zu Boden; weil aber Jngram das Gluͤ-
cke hatte oben zu kommen/ nahm er ſeines
Vortheils ſo wohl wahr/ daß er dem Decebal
den Helm vom Haupte riß/ und ihm den De-
gen an die Gurgel ſetzte/ mit Bedraͤuung: Er
wolte ihm nun das Licht ausblaſen/ da er nicht
die betruͤgeriſche Verfaͤlſchung ſeines Schildes
eroͤffnen wuͤrde. Jn Decebals Gemuͤthe kaͤmpf-
te Schande und Liebe des Lebens. Dieſe aber
uͤberwog jene/ und er geſtand/ wie ſchwer es ihm
ankam/ mit Erzehlung aller Umſtaͤnde zu/ daß
auff ſeine Anſtifftung der Blattner der Cim-
briſchen Hertzogin Bildniß unter das oberſte
Blat eingeſchraubet haͤtte; Welch Bekaͤnt-
niß auch alſofort durch den herzu gefoderten
Blattner bekraͤfftigt ward. Nicht nur des Koͤ-
nigs und des Fuͤrſten Gudwil/ ſondern aller
anweſenden Gemuͤther wurden hierdurch gantz
umgekehrt/ und ſo viel Jngram Anſehen und
Gewogenheit erwarb/ ſo tieff verfiel Decebal
in Haß und Verachtung/ ja Lißudaval ließ ihm
alſofort Stadt und Hoff verbieten. Jngrams
groͤſte Bekuͤmmerniß war die Fuͤrſtin auſſer Ge-
fahr/ und ſich bey ihr ausgeſoͤhnt zu wiſſen. Al-
leine wenig Tage verſetzten ſie in eine verſi-
cherte Geneſung/ und ihres Brudern Erzeh-
lung der voͤlligen Begebenheiten den Jngram
in ſo groſſes Anſehen/ daß ſie ihn ſelbſt zur Ver-
[Spaltenumbruch] hoͤr beruffen ließ/ ja/ als er ihr ſeine Verle-
tzung auff den Knien abbitten wolte/ einiges
ſein Erkaͤntniß nicht annahm/ ſondern ihr ſelbſt
ein zweyfaches Verbrechen/ ſo wohl eines uͤbel-
gegruͤndeten Argwohns/ als einer ungerech-
ten Antaſtung zueignete. Es iſt wunderns-
werth/ wie die zwey widrigſten Gemuͤths-Re-
gungen Liebe und Rache in einer Seele ſo ge-
ſchwind abwechſeln koͤnnen! Die zeither freye
Hermildis ward durch die verbindlichen Liebes-
Bezeugungen Hertzog Jngrams nunmehr tief-
fer im Gemuͤthe/ als vorher mit ſeinem De-
gen verwundet. Den Koͤnig Lißudaval ver-
band er ihn zu einer innerlichen Zuneigung/
den Fuͤrſten Gudwil zu einer bruͤderlichen
Vertrauligkeit; und hiermit ſchien er alle Hin-
derniſſe die Qvadiſche Hertzogin zu erlangen
uͤberſtiegen zu haben/ als Hertzog Decebal bey
denen ihm benachbarten und befreundeten
Pannoniern den Hertzog Jngram durch eine
empfindliche Verlaͤumdung vergaͤllete. Denn
er ließ durch einen Betruͤger ſeine Hand nach-
mahlen/ und ſein Petſchafft nachſtechen/ ſchrieb
hiermit in ſeinem Nahmen einen Brieff an den
Oberſten Feldherrn Marcomir/ darinnen er
die Hoffnung ſeiner Vermaͤhlung mit der
Hermildis Jhm vergewiſſerte/ wordurch er
das Pannoniſche Reich/ welches fuͤr acht und
ſechtzig Jahren von ihrem Geſchlechte durch
angemaßtes unrechtes Wahl-Recht abkom-
men waͤre/ wiederum an ſich zu ziehen anziel-
te. Dieſen Brieff haͤndigte er ſelbſt einem
Poſt-Reuter ein/ ſolchen dem Marcomir zu uͤ-
berbringen/ ſtellte aber etliche Pannonier an/
daß ſie einen ſolchen verdaͤchtigen Brieff-Traͤ-
ger nicht allein anhalten/ und ihm die Schrei-
ben abnehmen/ ſondern ſelbten auch/ wormit
ſein Betrug verſchwiegen bliebe/ todt ſchlagen
ſolten. Keine Natter kan ſo vergifftet ſich an-
ſtellen/ wenn ſie getreten wird/ als der Adel/
wenn man ihm das Wahl-Recht nehmen/ und

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/198>, abgerufen am 24.04.2024.