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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Anderes Buch
[Spaltenumbruch] Wie nun Jngram dergestalt stille hielt/ und sich
mit sonderbarer Ehrerbietung gegen die köni-
gliche Schaubühne wendete/ ward iederman
und hiermit auch das Fräulein Hermildis ge-
wahr/ daß auf Jngrams Schilde die allenthal-
ben mehr denn zu viel bekandte Cimbrische Her-
tzogin Gandeberge abgebildet war/ und über
selbter diese Uberschrifft stand: Meine und
die Nordische Perle.
Jeder Einfältiger/
geschweige eine so verschmitzte Fürstin/ konte ü-
ber diese und Jngrams erste über die Perlen-
Muschel gestellte Uberschrifft und Sinnenbild
vernünftig keine andere Ausdeutung machen/
als daß Jngram die Hermildis nur für die eu-
serste Schale/ die Cimbrische Hertzogin aber für
die Perle und seinen Abgott hielt. Dahero ist
leicht zu erachten/ wie Hermildis diese eingebil-
dete Beschimpffung ihr zu Gemüthe zoh. Rhe-
metalces fiel ein: Jch bin begierig ihre Empfind-
ligkeit zu vernehmen. Denn man sagt/ daß
wenn eine erzürnte Taube ein Ey lege/ werde ei-
ne Natter daraus gebrüttet/ und ein erbostes
Weib gewinne an Grausamkeit den höllischen
Unholden ab. Ja/ antwortete Malovend/
aber gleichwol vermochte Hermildis ihren Ge-
müths-Regungen einen solchen Zaum anzule-
gen/ daß die Zuschauer ihnen einbildeten/ es
müste Hermildis dieser Bildnüsse so genau nicht
innen worden seyn. Der König nahm diese
Begebenheiten zwar wol wahr/ weil er aber aus
dem Stegereiffen keine untadelhafte Entschlüs-
sung zu erkiesen wuste/ gebrauchte er sich des un-
gefähr fallenden Regens zu einem Vortheil sei-
ner Klugheit/ befahl also wegen unsteten Wet-
ters vom Turnier abzublasen/ und ließ durch
den Herold dessen Fortstellung auf folgenden
Morgen andeuten. Weder Hermildis noch
Jngram wusten/ wie sie vom Schauplatze ka-
men/ also waren beyder Gemüther verwirret.
Jngram verfluchte den schändlichen und uner-
forschlichen Betrug/ Hermildis wütete über so
schimpflicher Verschmähung. Decebal hin-
[Spaltenumbruch] gegen lachte in die Faust/ und kitzelte sich über sei-
ner so glücklichen Arglist. Fürst Gudwil dach-
te auf nichts als eine geschwinde/ Lissudaval auff
eine vorsichtige Rache. Denn die Beleidigten
sind insgemein blutgieriger als die Aegeln/ und
ergetzen sich an abgeschlachteten Leichen mehr/
als die Scharfrichter. Hertzog Jngram war
in tiefsten Gedancken begriffen/ so wol den Ur-
sprung des Betrugs zu ergründen/ als der Für-
stin Hermildis seine Unschuld zu erhärten. We-
gen des ersten ar gwohnte er auf Decebaln/ theils
aus seinen Sinnenbildern/ theils aus denen auf
den Schild fort für fort geführten Streichen.
Wegen des andern aber zweifelte er/ daß Her-
mildis von ihm einige Schutz-Schrifft anneh-
men würde. Als er sich nun mit diesen Gedan-
cken schlug/ brachte ihm der Ritter Bercka vom
Fürsten Gudwil/ und einen Augenblick darauf
ein Norichischer Edelmann vom Decebal einen
anzügerlichen Absag- und Ausfoderungs-Brief
zu einem ernsten Kampffe auf folgenden Tag;
darinnen sie die der ihm von niemanden feil gebo-
tenen Fürstin zugefügte Beschimpfung mit nichts
wenigerm/ als seinem Blute/ auszuleschen
dräueten. Eine Viertelstunde darauf empfing
er durch einen Edelknaben von ihr selbst einen
Befehl/ er solte bey Vermeidung grimmigster
Rache ihr nicht mehr ins Antlitz zu kommen sich
erkühnen. Jngram hätte bey so unübersehli-
chem Unglücke verzweifeln mögen. Er konte
ohne Zagheit nicht vom Kampfplatze aussen
bleiben/ und gleichwol dorfte er ohne seiner an-
dern Seele der holdseligen Hermildis noch grös-
sere Beleidigung sich dahin/ nemlich für ihre Au-
gen/ nicht gestellen. Die gantze Nacht ward oh-
ne Schlaf und mit tausendfachen Abwechselun-
gen der heftigsten Gemüths-Regungen aller
Orts zubracht. Die freudige Sonne hatte allein
ruhig ausgeschlaffen/ und die anmuthige Mor-
genröthe grüste den Tag mit lachendem Mun-
de. Jhr und allen aber war auf dem Schauplatze
noch zuvor kommen ein Ritter in eben einem so

feuri-

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] Wie nun Jngram dergeſtalt ſtille hielt/ und ſich
mit ſonderbarer Ehrerbietung gegen die koͤni-
gliche Schaubuͤhne wendete/ ward iederman
und hiermit auch das Fraͤulein Hermildis ge-
wahr/ daß auf Jngrams Schilde die allenthal-
ben mehr denn zu viel bekandte Cimbriſche Her-
tzogin Gandeberge abgebildet war/ und uͤber
ſelbter dieſe Uberſchrifft ſtand: Meine und
die Nordiſche Perle.
Jeder Einfaͤltiger/
geſchweige eine ſo verſchmitzte Fuͤrſtin/ konte uͤ-
ber dieſe und Jngrams erſte uͤber die Perlen-
Muſchel geſtellte Uberſchrifft und Sinnenbild
vernuͤnftig keine andere Ausdeutung machen/
als daß Jngram die Hermildis nur fuͤr die eu-
ſerſte Schale/ die Cimbriſche Hertzogin aber fuͤr
die Perle und ſeinen Abgott hielt. Dahero iſt
leicht zu erachten/ wie Hermildis dieſe eingebil-
dete Beſchimpffung ihr zu Gemuͤthe zoh. Rhe-
metalces fiel ein: Jch bin begierig ihre Empfind-
ligkeit zu vernehmen. Denn man ſagt/ daß
wenn eine erzuͤrnte Taube ein Ey lege/ werde ei-
ne Natter daraus gebruͤttet/ und ein erboſtes
Weib gewinne an Grauſamkeit den hoͤlliſchen
Unholden ab. Ja/ antwortete Malovend/
aber gleichwol vermochte Hermildis ihren Ge-
muͤths-Regungen einen ſolchen Zaum anzule-
gen/ daß die Zuſchauer ihnen einbildeten/ es
muͤſte Hermildis dieſer Bildnuͤſſe ſo genau nicht
innen worden ſeyn. Der Koͤnig nahm dieſe
Begebenheiten zwar wol wahr/ weil er aber aus
dem Stegereiffen keine untadelhafte Entſchluͤſ-
ſung zu erkieſen wuſte/ gebrauchte er ſich des un-
gefaͤhr fallenden Regens zu einem Vortheil ſei-
ner Klugheit/ befahl alſo wegen unſteten Wet-
ters vom Turnier abzublaſen/ und ließ durch
den Herold deſſen Fortſtellung auf folgenden
Morgen andeuten. Weder Hermildis noch
Jngram wuſten/ wie ſie vom Schauplatze ka-
men/ alſo waren beyder Gemuͤther verwirret.
Jngram verfluchte den ſchaͤndlichen und uner-
forſchlichen Betrug/ Hermildis wuͤtete uͤber ſo
ſchimpflicher Verſchmaͤhung. Decebal hin-
[Spaltenumbruch] gegen lachte in die Fauſt/ und kitzelte ſich uͤber ſei-
ner ſo gluͤcklichen Argliſt. Fuͤrſt Gudwil dach-
te auf nichts als eine geſchwinde/ Liſſudaval auff
eine vorſichtige Rache. Denn die Beleidigten
ſind insgemein blutgieriger als die Aegeln/ und
ergetzen ſich an abgeſchlachteten Leichen mehr/
als die Scharfrichter. Hertzog Jngram war
in tiefſten Gedancken begriffen/ ſo wol den Ur-
ſprung des Betrugs zu ergruͤnden/ als der Fuͤr-
ſtin Hermildis ſeine Unſchuld zu erhaͤrten. We-
gen des erſten ar gwohnte er auf Decebaln/ theils
aus ſeinen Sinnenbildern/ theils aus denen auf
den Schild fort fuͤr fort gefuͤhrten Streichen.
Wegen des andern aber zweifelte er/ daß Her-
mildis von ihm einige Schutz-Schrifft anneh-
men wuͤrde. Als er ſich nun mit dieſen Gedan-
cken ſchlug/ brachte ihm der Ritter Bercka vom
Fuͤrſten Gudwil/ und einen Augenblick darauf
ein Norichiſcher Edelmann vom Decebal einen
anzuͤgerlichen Abſag- und Ausfoderungs-Brief
zu einem ernſten Kampffe auf folgenden Tag;
darinnen ſie die der ihm von niemandẽ feil gebo-
tenẽ Fuͤrſtin zugefuͤgte Beſchimpfung mit nichts
wenigerm/ als ſeinem Blute/ auszuleſchen
draͤueten. Eine Viertelſtunde darauf empfing
er durch einen Edelknaben von ihr ſelbſt einen
Befehl/ er ſolte bey Vermeidung grimmigſter
Rache ihr nicht mehr ins Antlitz zu kommen ſich
erkuͤhnen. Jngram haͤtte bey ſo unuͤberſehli-
chem Ungluͤcke verzweifeln moͤgen. Er konte
ohne Zagheit nicht vom Kampfplatze auſſen
bleiben/ und gleichwol dorfte er ohne ſeiner an-
dern Seele der holdſeligen Hermildis noch groͤſ-
ſere Beleidigung ſich dahin/ nemlich fuͤr ihre Au-
gen/ nicht geſtellen. Die gantze Nacht ward oh-
ne Schlaf und mit tauſendfachen Abwechſelun-
gen der heftigſten Gemuͤths-Regungen aller
Orts zubracht. Die freudige Sonne hatte allein
ruhig ausgeſchlaffen/ und die anmuthige Mor-
genroͤthe gruͤſte den Tag mit lachendem Mun-
de. Jhr und allen aber war auf dem Schauplatze
noch zuvor kommen ein Ritter in eben einem ſo

feuri-
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[146/0196] Anderes Buch Wie nun Jngram dergeſtalt ſtille hielt/ und ſich mit ſonderbarer Ehrerbietung gegen die koͤni- gliche Schaubuͤhne wendete/ ward iederman und hiermit auch das Fraͤulein Hermildis ge- wahr/ daß auf Jngrams Schilde die allenthal- ben mehr denn zu viel bekandte Cimbriſche Her- tzogin Gandeberge abgebildet war/ und uͤber ſelbter dieſe Uberſchrifft ſtand: Meine und die Nordiſche Perle. Jeder Einfaͤltiger/ geſchweige eine ſo verſchmitzte Fuͤrſtin/ konte uͤ- ber dieſe und Jngrams erſte uͤber die Perlen- Muſchel geſtellte Uberſchrifft und Sinnenbild vernuͤnftig keine andere Ausdeutung machen/ als daß Jngram die Hermildis nur fuͤr die eu- ſerſte Schale/ die Cimbriſche Hertzogin aber fuͤr die Perle und ſeinen Abgott hielt. Dahero iſt leicht zu erachten/ wie Hermildis dieſe eingebil- dete Beſchimpffung ihr zu Gemuͤthe zoh. Rhe- metalces fiel ein: Jch bin begierig ihre Empfind- ligkeit zu vernehmen. Denn man ſagt/ daß wenn eine erzuͤrnte Taube ein Ey lege/ werde ei- ne Natter daraus gebruͤttet/ und ein erboſtes Weib gewinne an Grauſamkeit den hoͤlliſchen Unholden ab. Ja/ antwortete Malovend/ aber gleichwol vermochte Hermildis ihren Ge- muͤths-Regungen einen ſolchen Zaum anzule- gen/ daß die Zuſchauer ihnen einbildeten/ es muͤſte Hermildis dieſer Bildnuͤſſe ſo genau nicht innen worden ſeyn. Der Koͤnig nahm dieſe Begebenheiten zwar wol wahr/ weil er aber aus dem Stegereiffen keine untadelhafte Entſchluͤſ- ſung zu erkieſen wuſte/ gebrauchte er ſich des un- gefaͤhr fallenden Regens zu einem Vortheil ſei- ner Klugheit/ befahl alſo wegen unſteten Wet- ters vom Turnier abzublaſen/ und ließ durch den Herold deſſen Fortſtellung auf folgenden Morgen andeuten. Weder Hermildis noch Jngram wuſten/ wie ſie vom Schauplatze ka- men/ alſo waren beyder Gemuͤther verwirret. Jngram verfluchte den ſchaͤndlichen und uner- forſchlichen Betrug/ Hermildis wuͤtete uͤber ſo ſchimpflicher Verſchmaͤhung. Decebal hin- gegen lachte in die Fauſt/ und kitzelte ſich uͤber ſei- ner ſo gluͤcklichen Argliſt. Fuͤrſt Gudwil dach- te auf nichts als eine geſchwinde/ Liſſudaval auff eine vorſichtige Rache. Denn die Beleidigten ſind insgemein blutgieriger als die Aegeln/ und ergetzen ſich an abgeſchlachteten Leichen mehr/ als die Scharfrichter. Hertzog Jngram war in tiefſten Gedancken begriffen/ ſo wol den Ur- ſprung des Betrugs zu ergruͤnden/ als der Fuͤr- ſtin Hermildis ſeine Unſchuld zu erhaͤrten. We- gen des erſten ar gwohnte er auf Decebaln/ theils aus ſeinen Sinnenbildern/ theils aus denen auf den Schild fort fuͤr fort gefuͤhrten Streichen. Wegen des andern aber zweifelte er/ daß Her- mildis von ihm einige Schutz-Schrifft anneh- men wuͤrde. Als er ſich nun mit dieſen Gedan- cken ſchlug/ brachte ihm der Ritter Bercka vom Fuͤrſten Gudwil/ und einen Augenblick darauf ein Norichiſcher Edelmann vom Decebal einen anzuͤgerlichen Abſag- und Ausfoderungs-Brief zu einem ernſten Kampffe auf folgenden Tag; darinnen ſie die der ihm von niemandẽ feil gebo- tenẽ Fuͤrſtin zugefuͤgte Beſchimpfung mit nichts wenigerm/ als ſeinem Blute/ auszuleſchen draͤueten. Eine Viertelſtunde darauf empfing er durch einen Edelknaben von ihr ſelbſt einen Befehl/ er ſolte bey Vermeidung grimmigſter Rache ihr nicht mehr ins Antlitz zu kommen ſich erkuͤhnen. Jngram haͤtte bey ſo unuͤberſehli- chem Ungluͤcke verzweifeln moͤgen. Er konte ohne Zagheit nicht vom Kampfplatze auſſen bleiben/ und gleichwol dorfte er ohne ſeiner an- dern Seele der holdſeligen Hermildis noch groͤſ- ſere Beleidigung ſich dahin/ nemlich fuͤr ihre Au- gen/ nicht geſtellen. Die gantze Nacht ward oh- ne Schlaf und mit tauſendfachen Abwechſelun- gen der heftigſten Gemuͤths-Regungen aller Orts zubracht. Die freudige Sonne hatte allein ruhig ausgeſchlaffen/ und die anmuthige Mor- genroͤthe gruͤſte den Tag mit lachendem Mun- de. Jhr und allen aber war auf dem Schauplatze noch zuvor kommen ein Ritter in eben einem ſo feuri-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/196>, abgerufen am 25.04.2024.