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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] unterhielt/ erfuhr endlich/ daß er ihm bey einem
Silberdrechsler einen künstlichen Schild aus-
arbeiten ließ/ darauf eine schöne von der Son-
nen bestrahlte Perlen-Muschel geetzt/ auff der
Schalen aber das schöne Antlitz der Hermildis
abgebildet/ und der gantze Schild mit dieser U-
berschrifft bezeichnet war: Das Beste/ und
mein Abgott ist gleichwohl verborgen.

Decebal konte aus dieser Nachricht unschwer
errathen/ daß Jngram hierdurch so viel sagen
wolte: Wie in der Muschel die Perle das köst-
lichste wäre/ also liebte er an der Hermildis mehr
ihr tugendhafstes Gemüthe/ als ihre euserliche
Schönheit. Er mißbrauchte aber diese herrli-
che Gedancken nicht anders/ als die Hirnse und
Spinne die Rosen. Denn er ließ alsofort auf
ein dünnes Blat das Bildnüß einer zur selben
Zeit ihrer Schönheit wegen beschrienen Cim-
brischen Fürstin Gondeberge mahlen/ welche
man insgemein die Mitternächtische Perle
hieß; brachte es auch durch die dritte und vierdte
Hand der über solchem Schilde arbeitenden
Kunst-Meister so weit/ daß nicht allein dis dün-
ne Bildnüß/ ohne Jngrams Wissen/ unter das
oberste Blat seines Schildes mit eingemacht/
sondern auch das oberste Blat schwach und zer-
brechlich eingeschraubt ward. Hingegen ließ
Decebal ihm einen Harnisch/ der über und über
voller Feuer-Flammen loderte/ und einen
Schild fertigen/ dessen Umkreiß sich gleicher ge-
stalt in eitel Feuer-Flammen endigte/ in der mit-
ten sich aber in drey Kleeblätter zertheilte/ um
hierdurch so wohl seine inbrünstige Liebe als die
unverwelckliche Hoffnung fürzubilden. Auff
iedem Kleeblatte war ein Hertz gemahlet. Das
erste lag auf glüenden Kohlen/ mit der Uber-
schrifft: O süsse Einäscherung! Jn das
andere ließ eine Hand biß zur innersten Spitze
ein Bleymaaß/ mit der Uberschrifft: Liebe lie-
be nichts seichtes.
Das dritte hing zerspal-
tet an einem durchgehenden Pfeile aneinander/
[Spaltenumbruch] mit der Uberschrifft: Jn- und auswendig.
Auf den angestellten Tag erschienen beyde Her-
tzoge/ nach vielen vorhergegangenen Ergetzlig-
keiten mit prächtigen Aufzügen/ auf den zu den
Ritterspielen bestimmten Schauplatz/ mit nicht
andern Gemüths-Regungen/ als wenn dieser
Tag ihrer Tapfferkeit die Fürstin Hermildis zu
einem Siegs-Preiß aufgesetzt hätte. Jm Ring-
und Kopf-Rennen hielten beyde einander die
Wage. Denn im ersten erhielt Decebal/ im
andern Jngram aus den Händen ihrer irrdi-
schen Göttin den Preiß. Jederman war zu er-
warten begierig/ wer unter diesen zwey Löwen
im Turnier die Oberhand behalten würde/ dar-
innen sie einander als zwey geschworne Tod-
feinde anfielen. Jngram traf im zusammen-
rennen den Decebal auf den Helm/ dieser je-
nen/ und zwar mit sonderbarem Fleisse auf den
Schild so hefftig/ daß beyde Lantzen in Stücken
sprangen. Hiermit griffen sie beyde nach sel-
biger Landsart zu ihren Streitkolben; und so
sehr sich Jngram bemühete den Decebal am Lei-
be zu beleidigen/ so sehr trachtete Decebal des
Jngrams Schild zu zerschmettern. Bey sol-
cher Beschaffenheit gaben die Zuschauer schon
grösten theils dem Jngram gewonnen/ als/ nach
einem heftigen Schlage des Decebals/ von Jn-
grams Schilde das oberste Blat absprang. Das
zusehende Volck hielt diß für seine eigene sinn-
reiche Erfindung/ weil sie darauf alsofort ein so
schönes Bild ins Gesichte bekamen; Hertzog
Jngram aber ward hierüber allein so heftig be-
stürtzt/ und nach dem er bey Herumdrehung des
Schildes eines so frembden Bildnüsses gewahr
ward/ hielt er sich nicht so wol für betrogen als be-
zaubert. Decebal/ an statt daß er sich solcher
Bestürtzung zu seinem Vortheil und Beleidi-
gung seines Neben-Buhlers/ dem gemeinen
Urthel nach/ hätte bedienen sollen/ maste sich ei-
ner befrembdenden Verwunderung an/ und
ritte unter dem Schein einer gegen den Jngram
gebrauchten Höfligkeit aus dem Schrancken.

Wie
Erster Theil. T

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] unterhielt/ erfuhr endlich/ daß er ihm bey einem
Silberdrechsler einen kuͤnſtlichen Schild aus-
arbeiten ließ/ darauf eine ſchoͤne von der Son-
nen beſtrahlte Perlen-Muſchel geetzt/ auff der
Schalen aber das ſchoͤne Antlitz der Hermildis
abgebildet/ und der gantze Schild mit dieſer U-
berſchrifft bezeichnet war: Das Beſte/ und
mein Abgott iſt gleichwohl verborgen.

Decebal konte aus dieſer Nachricht unſchwer
errathen/ daß Jngram hierdurch ſo viel ſagen
wolte: Wie in der Muſchel die Perle das koͤſt-
lichſte waͤre/ alſo liebte er an der Hermildis mehr
ihr tugendhafſtes Gemuͤthe/ als ihre euſerliche
Schoͤnheit. Er mißbrauchte aber dieſe herrli-
che Gedancken nicht anders/ als die Hirnſe und
Spinne die Roſen. Denn er ließ alſofort auf
ein duͤnnes Blat das Bildnuͤß einer zur ſelben
Zeit ihrer Schoͤnheit wegen beſchrienen Cim-
briſchen Fuͤrſtin Gondeberge mahlen/ welche
man insgemein die Mitternaͤchtiſche Perle
hieß; brachte es auch durch die dritte und vierdte
Hand der uͤber ſolchem Schilde arbeitenden
Kunſt-Meiſter ſo weit/ daß nicht allein dis duͤn-
ne Bildnuͤß/ ohne Jngrams Wiſſen/ unter das
oberſte Blat ſeines Schildes mit eingemacht/
ſondern auch das oberſte Blat ſchwach und zer-
brechlich eingeſchraubt ward. Hingegen ließ
Decebal ihm einen Harniſch/ der uͤber und uͤber
voller Feuer-Flammen loderte/ und einen
Schild fertigen/ deſſen Umkreiß ſich gleicher ge-
ſtalt in eitel Feuer-Flammen endigte/ in der mit-
ten ſich aber in drey Kleeblaͤtter zertheilte/ um
hierdurch ſo wohl ſeine inbruͤnſtige Liebe als die
unverwelckliche Hoffnung fuͤrzubilden. Auff
iedem Kleeblatte war ein Hertz gemahlet. Das
erſte lag auf gluͤenden Kohlen/ mit der Uber-
ſchrifft: O ſuͤſſe Einaͤſcherung! Jn das
andere ließ eine Hand biß zur innerſten Spitze
ein Bleymaaß/ mit der Uberſchrifft: Liebe lie-
be nichts ſeichtes.
Das dritte hing zerſpal-
tet an einem durchgehenden Pfeile aneinander/
[Spaltenumbruch] mit der Uberſchrifft: Jn- und auswendig.
Auf den angeſtellten Tag erſchienen beyde Her-
tzoge/ nach vielen vorhergegangenen Ergetzlig-
keiten mit praͤchtigen Aufzuͤgen/ auf den zu den
Ritterſpielen beſtimmten Schauplatz/ mit nicht
andern Gemuͤths-Regungen/ als wenn dieſer
Tag ihrer Tapfferkeit die Fuͤrſtin Hermildis zu
einem Siegs-Preiß aufgeſetzt haͤtte. Jm Ring-
und Kopf-Rennen hielten beyde einander die
Wage. Denn im erſten erhielt Decebal/ im
andern Jngram aus den Haͤnden ihrer irrdi-
ſchen Goͤttin den Preiß. Jederman war zu er-
warten begierig/ wer unter dieſen zwey Loͤwen
im Turnier die Oberhand behalten wuͤrde/ dar-
innen ſie einander als zwey geſchworne Tod-
feinde anfielen. Jngram traf im zuſammen-
rennen den Decebal auf den Helm/ dieſer je-
nen/ und zwar mit ſonderbarem Fleiſſe auf den
Schild ſo hefftig/ daß beyde Lantzen in Stuͤcken
ſprangen. Hiermit griffen ſie beyde nach ſel-
biger Landsart zu ihren Streitkolben; und ſo
ſehr ſich Jngram bemuͤhete den Decebal am Lei-
be zu beleidigen/ ſo ſehr trachtete Decebal des
Jngrams Schild zu zerſchmettern. Bey ſol-
cher Beſchaffenheit gaben die Zuſchauer ſchon
groͤſten theils dem Jngram gewonnen/ als/ nach
einem heftigen Schlage des Decebals/ von Jn-
grams Schilde das oberſte Blat abſprang. Das
zuſehende Volck hielt diß fuͤr ſeine eigene ſinn-
reiche Erfindung/ weil ſie darauf alſofort ein ſo
ſchoͤnes Bild ins Geſichte bekamen; Hertzog
Jngram aber ward hieruͤber allein ſo heftig be-
ſtuͤrtzt/ und nach dem er bey Herumdrehung des
Schildes eines ſo frembden Bildnuͤſſes gewahr
ward/ hielt er ſich nicht ſo wol fuͤr betrogen als be-
zaubert. Decebal/ an ſtatt daß er ſich ſolcher
Beſtuͤrtzung zu ſeinem Vortheil und Beleidi-
gung ſeines Neben-Buhlers/ dem gemeinen
Urthel nach/ haͤtte bedienen ſollen/ maſte ſich ei-
ner befrembdenden Verwunderung an/ und
ritte unter dem Schein einer gegen den Jngram
gebrauchten Hoͤfligkeit aus dem Schrancken.

Wie
Erſter Theil. T
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/195>, abgerufen am 25.04.2024.