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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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[Spaltenumbruch] Hermildis/ eine Fürstin von wunderwürdiger
Schönheit/ ungemeinem Verstande/ und
männlicher Tapferkeit. Diese Gaben zohen/
nicht anders als der Agtstein die Spreu/ unter-
schiedene tapfere Fürsten und Helden an ihres
Herrn Vatern königlichen Hof/ unter diesen
auch den Hertzog Jngram/ und den Dacischen
Fürsten Decebal. Weil nun beyde Fürsten sa-
hen/ daß Hermildis die Eigenschafft des Ma-
gnets und der Sonnen Wende hatte/ und wie
diese nur den Gestirnen/ also sie nur der Tugend
ihre Gewogenheit zuneigete; So diente die Lie-
be beyden Fürsten zu einem Wetzsteine/ ihre an-
gebohrne Fürtreffligkeiten täglich durch ruhm-
würdige Ubungen mehr zu schärffen; und nach
dem Hermildis eine Sonne ihres Königreichs/
ein Begriff aller Tugenden war/ suchte ieder
Fürst/ welcher sie für seinen Leitstern erkieset hat-
te/ mit tapfern Thaten ihre Gewogenheit zu er-
werben/ iedoch durch selbte stets einer des andern
Vollkommenheit zu verdüstern. Denn die
Flamme einer tugendhafften Liebe wecket die
eingeschlaffensten Menschen auf/ sie begeistert die
kältesten Gemüther. Sie machet die Klötzer
rege/ die Cyclopen höflich/ und die Nieder geschla-
genen Ehrsüchtig. Jn denen aufgeweckten
Seelen aber zündet sie eine so rühmliche Eyver-
sucht an/ daß selbte auch die Unmögligkeiten ü-
berwinden/ und entweder Stern oder Asche
werden wollen. Lissudaval war zwar über dem
Besitzthume eines so edlen Kleinods an seiner
Tochter hoch vergnügt/ gleichwol aber beküm-
mert/ daß er durch Erwehlung des einen Für-
sten den andern erbittern/ und also diese so schöne
Helena mit seinem Königreiche ein ander Troja
anzünden würde. Die Fürstin Hermildis selbst
konte über diesen zweyen Hertzogen/ welche alle
andere wie zwey Sonnen die gemeinen Sterne
verfinsterten/ sich mit ihr selbst eines gewissen
Urthels nicht vergleichen/ sondern gab ihrem
hierüber sorgfältigen Bruder/ entweder aus
wahrhafftem Zweifel/ oder aus einer vernünff-
[Spaltenumbruch] tigen Verstellung ihrer Zuneigung/ zu verste-
hen: Sie wüste einen dem andern so wenig für-
zuziehen/ als eines unter ihren eignen Augen
für dem andern zu erwehlen. Nach vielen sel-
tzamen beyder Fürsten Ansehn in gleicher Wage
haltenden Begebenheiten riß endlich beym De-
cebal die Gedult aus/ und daher gerieth er ent-
weder aus selbst eignem Mißtrauen zu sich selbst/
oder/ weil er die Tugenden zeither mehr ange-
nommen/ als eigenthümlich gehabt hatte/ von
dem Pfad der Ehren/ auf den verzweiffelten
Jrrweg der Laster. Alle sein Nachsinnen war
nun wie er diesen güldnen Apfel nicht mehr so
wohl durch seine numehr selbst verdammte Ver-
dienste als Arglist zu überkommen/ oder auf dem
eusersten Fall auch dem Jngram/ dessen hohes
Geschlechte das seine bey weitem überstralete/
dieses Kleinods verlustig zu machen. Denn ei-
ne falsche Liebe fähret/ wie die grimmige Medea/
mit Drachen/ sie verwandelt nicht nur/ wie die
zaubernde Circe/ andere/ sondern sich selbst in
reissende Thiere. Jhre Ungedult wird zur
Raserey/ und ihre Mißgunst hält eines fremb-
den Genüß für unerträglicher/ als seinen eige-
nen Verlust. Diesemnach Decebal den Jn-
gram zum minsten so unglücklich zu machen/ als
er selbst zu werden fürchtete/ die drey hefftigen
Gemüths-Regungen die Regiersucht/ die Ey-
versucht/ und Furcht wider ihn in Harnisch zu
jagen bemüht war. Die Gelegenheit hierzu
gab ihm ein grosses Feyer/ welches König Lissu-
daval auf seiner Tochter der Fürstin Hermildis
Geburts-Tag anstellte; darauf nicht allein alle
an diesem grossen Hofe anwesenden Fürsten und
Herren sich stattlich ausrüsteten/ sondern sich auch
viel frembde/ um bey den Strahlen dieser Für-
stin ihre Freyheit/ wie die Mutten bey dem Lich-
te ihre Flügel zu verlieren/ einfanden. Sinte-
mahl es schwer oder unmöglich war die Hermil-
dis zu kennen/ und nicht verliebt zu seyn. De-
cebal/ welcher des Hertzog Jngrams Beginnen
aufs genaueste auszuforschen viel Kundschaffter

unter-

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] Hermildis/ eine Fuͤrſtin von wunderwuͤrdiger
Schoͤnheit/ ungemeinem Verſtande/ und
maͤnnlicher Tapferkeit. Dieſe Gaben zohen/
nicht anders als der Agtſtein die Spreu/ unter-
ſchiedene tapfere Fuͤrſten und Helden an ihres
Herrn Vatern koͤniglichen Hof/ unter dieſen
auch den Hertzog Jngram/ und den Daciſchen
Fuͤrſten Decebal. Weil nun beyde Fuͤrſten ſa-
hen/ daß Hermildis die Eigenſchafft des Ma-
gnets und der Sonnen Wende hatte/ und wie
dieſe nur den Geſtirnen/ alſo ſie nur der Tugend
ihre Gewogenheit zuneigete; So diente die Lie-
be beyden Fuͤrſten zu einem Wetzſteine/ ihre an-
gebohrne Fuͤrtreffligkeiten taͤglich durch ruhm-
wuͤrdige Ubungen mehr zu ſchaͤrffen; und nach
dem Hermildis eine Sonne ihres Koͤnigreichs/
ein Begriff aller Tugenden war/ ſuchte ieder
Fuͤrſt/ welcher ſie fuͤr ſeinen Leitſtern erkieſet hat-
te/ mit tapfern Thaten ihre Gewogenheit zu er-
werben/ iedoch durch ſelbte ſtets einer des andern
Vollkommenheit zu verduͤſtern. Denn die
Flamme einer tugendhafften Liebe wecket die
eingeſchlaffenſten Menſchen auf/ ſie begeiſteꝛt die
kaͤlteſten Gemuͤther. Sie machet die Kloͤtzer
rege/ die Cyclopen hoͤflich/ und die Nieder geſchla-
genen Ehrſuͤchtig. Jn denen aufgeweckten
Seelen aber zuͤndet ſie eine ſo ruͤhmliche Eyver-
ſucht an/ daß ſelbte auch die Unmoͤgligkeiten uͤ-
berwinden/ und entweder Stern oder Aſche
werden wollen. Liſſudaval war zwar uͤber dem
Beſitzthume eines ſo edlen Kleinods an ſeiner
Tochter hoch vergnuͤgt/ gleichwol aber bekuͤm-
mert/ daß er durch Erwehlung des einen Fuͤr-
ſten den andern erbittern/ und alſo dieſe ſo ſchoͤne
Helena mit ſeinem Koͤnigreiche ein ander Troja
anzuͤnden wuͤrde. Die Fuͤrſtin Hermildis ſelbſt
konte uͤber dieſen zweyen Hertzogen/ welche alle
andere wie zwey Sonnen die gemeinen Sterne
verfinſterten/ ſich mit ihr ſelbſt eines gewiſſen
Urthels nicht vergleichen/ ſondern gab ihrem
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wahrhafftem Zweifel/ oder aus einer vernuͤnff-
[Spaltenumbruch] tigen Verſtellung ihrer Zuneigung/ zu verſte-
hen: Sie wuͤſte einen dem andern ſo wenig fuͤr-
zuziehen/ als eines unter ihren eignen Augen
fuͤr dem andern zu erwehlen. Nach vielen ſel-
tzamen beyder Fuͤrſten Anſehn in gleicher Wage
haltenden Begebenheiten riß endlich beym De-
cebal die Gedult aus/ und daher gerieth er ent-
weder aus ſelbſt eignem Mißtrauen zu ſich ſelbſt/
oder/ weil er die Tugenden zeither mehr ange-
nommen/ als eigenthuͤmlich gehabt hatte/ von
dem Pfad der Ehren/ auf den verzweiffelten
Jrrweg der Laſter. Alle ſein Nachſinnen war
nun wie er dieſen guͤldnen Apfel nicht mehr ſo
wohl durch ſeine numehr ſelbſt verdammte Ver-
dienſte als Argliſt zu uͤberkommen/ oder auf dem
euſerſten Fall auch dem Jngram/ deſſen hohes
Geſchlechte das ſeine bey weitem uͤberſtralete/
dieſes Kleinods verluſtig zu machen. Denn ei-
ne falſche Liebe faͤhret/ wie die grimmige Medea/
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zaubernde Circe/ andere/ ſondern ſich ſelbſt in
reiſſende Thiere. Jhre Ungedult wird zur
Raſerey/ und ihre Mißgunſt haͤlt eines fremb-
den Genuͤß fuͤr unertraͤglicher/ als ſeinen eige-
nen Verluſt. Dieſemnach Decebal den Jn-
gram zum minſten ſo ungluͤcklich zu machen/ als
er ſelbſt zu werden fuͤrchtete/ die drey hefftigen
Gemuͤths-Regungen die Regierſucht/ die Ey-
verſucht/ und Furcht wider ihn in Harniſch zu
jagen bemuͤht war. Die Gelegenheit hierzu
gab ihm ein groſſes Feyer/ welches Koͤnig Liſſu-
daval auf ſeiner Tochter der Fuͤrſtin Hermildis
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an dieſem groſſen Hofe anweſenden Fuͤrſten und
Herren ſich ſtattlich ausruͤſteten/ ſondeꝛn ſich auch
viel frembde/ um bey den Strahlen dieſer Fuͤr-
ſtin ihre Freyheit/ wie die Mutten bey dem Lich-
te ihre Fluͤgel zu verlieren/ einfanden. Sinte-
mahl es ſchwer oder unmoͤglich war die Hermil-
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cebal/ welcher des Hertzog Jngrams Beginnen
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/194>, abgerufen am 18.04.2024.