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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] schrifft: Auch die Sonnen gehen den
Krebsgang;
Andere eine Schnecke/ die ihr
Schnecken-Haus trug mit dem Beysatze:
der Atlas träget nicht allein seinen
Himmel.
Aber Marcomir hat nicht Ursa-
che sich seiner Schrifft zu schämen/ sondern viel-
mehr seine Siege des grossen Alexanders für-
zuziehen. Denn er erfand und eroberte die
überaus grossen Länder Kokisem und Rupe/
in welche man alle von den Griechen iemahls
bezwungene Königreiche setzen kan. Er kam
biß an das andere Gestade des grossen Ost-
Meeres/ und erlangte diß/ wornach der uner-
sättliche Alexander vergebens seuffzete. Er
entdeckte das Silbervolle Gebürge Opisot/ er-
füllte Britannien mit Golde/ und die Welt
mit Perlen. Rhemetalces fiel hiermit geschwin-
de ein: Jch sehe wohl Malovend ist zeitlich un-
ser Meinung worden/ und er rühmet nunmehr/
was er für kurtzer Zeit verworffen. Dahero
würde er schwerlich seinem Marcomir eine sol-
che Schand- und Fluch-Seule auffrichten/
wie Technas in dem Thebanischen Tempel
dem Könige Menis/ darum/ daß er bey denen
vor dürfftigen Egyptiern den Gebrauch des
Geldes eingeführet hatte. Zeno fing hierauff
an: Jch lerne in Deutschland mehr/ als ich ie-
mahls zu Rom erfahren/ und bin so vielmehr
begierig von dem sonst so sparsamen Malo-
vend die Beschaffenheit dieser so reichen neu-
en Welt zu vernehmen; insonderheit: ob man
darinnen auch ansehnliche Städte/ wie bey
uns/ finde? Malovend antwortete: in der
Menge und Festigkeit zwar nicht/ aber an Grös-
se und Beqvemligkeit geben sie den unsrigen
nicht nach/ und hätte Marcomir eine in einer
saltzichten See gebauete erobert/ welche ihrer
Beschreibung nach der Stadt Rom wenig nach-
geben müste/ weil sie sechzig tausend Häuser hät-
te/ und alle Jahr ihrem Abgotte sechs tausend
ihrer Kinder schlachtete. Wie nun Zeno und
[Spaltenumbruch] Rhemetalces hierüber ihre Verwunderung
mercken liessen/ sagte Malovend: diese Stadt
wäre von Marcomirn noch unglaublich ver-
grössert und verbessert worden. Aber/ sagte Ze-
no: ist denn die abscheuliche Abschlachtung der
Menschen auch über das grosse Meer gesegelt/
und bey diesen fremden Völckern eingewur-
tzelt? Malovend antwortete: Jn allewege/
und zwar nirgends mehr als allhier/ wo man
Kinder zu tausenden schlachtet/ und da es gan-
tze Völcker giebt/ welche wenig anders als
Menschen-Fleisch speisen. Jedoch wäre diß
von diesen wilden Leuten nicht so sehr zu ver-
wundern/ weil sie vermuthlich nicht allein die
Carthaginenser in dieser Grausamkeit zum
Wegweiser gehabt/ sondern auch solche bey de-
nen Völckern/ die für die sittsamsten wolten an-
gesehen seyn/ eingerissen wäre; und noch darzu
für ein Gottesdienst gehalten würde. Sinte-
mahl die Phönicier dem Saturn die Stadt He-
liopolis der Juno/ die Blemies der Sonne/ an-
dere andern himmlischen und vermeinten güti-
gen Göttern ihre liebsten Kinder schlachteten;
da doch diese Greuel-That denen höllischen Gei-
stern zu abscheulich seyn solte/ welchen die grau-
same Königin in Persien Amestris und andere
nur fremde Menschen geopffert hätten. Wie
aber der Römische Rath den Griechen die
Menschen-Opfferung abschaffte/ und die Ve-
stalischen Jungfrauen an derselben statt alle
Jahr dreißig aus kleinen Baum-Ruthen ge-
flochtene Bilder in die Tieber werffen/ Ama-
sis an statt der Menschen-Verbrennung in E-
gypten Wachs-Kertzen anzünden ließ; also hat
auch Marcomir durch Einführung der Druy-
den und ihres itzt sanfften Gottesdiensts diese
neue Welt von ihren unbarmhertzigen Göt-
tern und dem grausamen Aberglauben erledi-
get. Marcomir fing hierüber an: Jn Warheit
Marcomirs Thaten sind den Siegen der männ-
lichen Semiramis und des grossen Cyrus für-
zuziehen. Malovend bestätigte es und mel-

dete/
R 3

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſchrifft: Auch die Sonnen gehen den
Krebsgang;
Andere eine Schnecke/ die ihr
Schnecken-Haus trug mit dem Beyſatze:
der Atlas traͤget nicht allein ſeinen
Himmel.
Aber Marcomir hat nicht Urſa-
che ſich ſeiner Schrifft zu ſchaͤmen/ ſondern viel-
mehr ſeine Siege des groſſen Alexanders fuͤr-
zuziehen. Denn er erfand und eroberte die
uͤberaus groſſen Laͤnder Kokiſem und Rupe/
in welche man alle von den Griechen iemahls
bezwungene Koͤnigreiche ſetzen kan. Er kam
biß an das andere Geſtade des groſſen Oſt-
Meeres/ und erlangte diß/ wornach der uner-
ſaͤttliche Alexander vergebens ſeuffzete. Er
entdeckte das Silbervolle Gebuͤrge Opiſot/ er-
fuͤllte Britannien mit Golde/ und die Welt
mit Perlen. Rhemetalces fiel hiermit geſchwin-
de ein: Jch ſehe wohl Malovend iſt zeitlich un-
ſer Meinung worden/ und er ruͤhmet nunmehr/
was er fuͤr kurtzer Zeit verworffen. Dahero
wuͤrde er ſchwerlich ſeinem Marcomir eine ſol-
che Schand- und Fluch-Seule auffrichten/
wie Technas in dem Thebaniſchen Tempel
dem Koͤnige Menis/ darum/ daß er bey denen
vor duͤrfftigen Egyptiern den Gebrauch des
Geldes eingefuͤhret hatte. Zeno fing hierauff
an: Jch lerne in Deutſchland mehr/ als ich ie-
mahls zu Rom erfahren/ und bin ſo vielmehr
begierig von dem ſonſt ſo ſparſamen Malo-
vend die Beſchaffenheit dieſer ſo reichen neu-
en Welt zu vernehmen; inſonderheit: ob man
darinnen auch anſehnliche Staͤdte/ wie bey
uns/ finde? Malovend antwortete: in der
Menge und Feſtigkeit zwar nicht/ aber an Groͤſ-
ſe und Beqvemligkeit geben ſie den unſrigen
nicht nach/ und haͤtte Marcomir eine in einer
ſaltzichten See gebauete erobert/ welche ihrer
Beſchreibung nach der Stadt Rom wenig nach-
geben muͤſte/ weil ſie ſechzig tauſend Haͤuſer haͤt-
te/ und alle Jahr ihrem Abgotte ſechs tauſend
ihrer Kinder ſchlachtete. Wie nun Zeno und
[Spaltenumbruch] Rhemetalces hieruͤber ihre Verwunderung
mercken lieſſen/ ſagte Malovend: dieſe Stadt
waͤre von Marcomirn noch unglaublich ver-
groͤſſert und verbeſſert worden. Aber/ ſagte Ze-
no: iſt denn die abſcheuliche Abſchlachtung der
Menſchen auch uͤber das groſſe Meer geſegelt/
und bey dieſen fremden Voͤlckern eingewur-
tzelt? Malovend antwortete: Jn allewege/
und zwar nirgends mehr als allhier/ wo man
Kinder zu tauſenden ſchlachtet/ und da es gan-
tze Voͤlcker giebt/ welche wenig anders als
Menſchen-Fleiſch ſpeiſen. Jedoch waͤre diß
von dieſen wilden Leuten nicht ſo ſehr zu ver-
wundern/ weil ſie vermuthlich nicht allein die
Carthaginenſer in dieſer Grauſamkeit zum
Wegweiſer gehabt/ ſondern auch ſolche bey de-
nen Voͤlckern/ die fuͤr die ſittſamſten wolten an-
geſehen ſeyn/ eingeriſſen waͤre; und noch darzu
fuͤr ein Gottesdienſt gehalten wuͤrde. Sinte-
mahl die Phoͤnicier dem Saturn die Stadt He-
liopolis der Juno/ die Blemies der Sonne/ an-
dere andern himmliſchen und vermeinten guͤti-
gen Goͤttern ihre liebſten Kinder ſchlachteten;
da doch dieſe Greuel-That denen hoͤlliſchen Gei-
ſtern zu abſcheulich ſeyn ſolte/ welchen die grau-
ſame Koͤnigin in Perſien Ameſtris und andere
nur fremde Menſchen geopffert haͤtten. Wie
aber der Roͤmiſche Rath den Griechen die
Menſchen-Opfferung abſchaffte/ und die Ve-
ſtaliſchen Jungfrauen an derſelben ſtatt alle
Jahr dreißig aus kleinen Baum-Ruthen ge-
flochtene Bilder in die Tieber werffen/ Ama-
ſis an ſtatt der Menſchen-Verbrennung in E-
gypten Wachs-Kertzen anzuͤnden ließ; alſo hat
auch Marcomir durch Einfuͤhrung der Druy-
den und ihres itzt ſanfften Gottesdienſts dieſe
neue Welt von ihren unbarmhertzigen Goͤt-
tern und dem grauſamen Aberglauben erledi-
get. Marcomir fing hieruͤber an: Jn Warheit
Marcomirs Thaten ſind den Siegen der maͤnn-
lichen Semiramis und des groſſen Cyrus fuͤr-
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[133/0183] Arminius und Thußnelda. ſchrifft: Auch die Sonnen gehen den Krebsgang; Andere eine Schnecke/ die ihr Schnecken-Haus trug mit dem Beyſatze: der Atlas traͤget nicht allein ſeinen Himmel. Aber Marcomir hat nicht Urſa- che ſich ſeiner Schrifft zu ſchaͤmen/ ſondern viel- mehr ſeine Siege des groſſen Alexanders fuͤr- zuziehen. Denn er erfand und eroberte die uͤberaus groſſen Laͤnder Kokiſem und Rupe/ in welche man alle von den Griechen iemahls bezwungene Koͤnigreiche ſetzen kan. Er kam biß an das andere Geſtade des groſſen Oſt- Meeres/ und erlangte diß/ wornach der uner- ſaͤttliche Alexander vergebens ſeuffzete. Er entdeckte das Silbervolle Gebuͤrge Opiſot/ er- fuͤllte Britannien mit Golde/ und die Welt mit Perlen. Rhemetalces fiel hiermit geſchwin- de ein: Jch ſehe wohl Malovend iſt zeitlich un- ſer Meinung worden/ und er ruͤhmet nunmehr/ was er fuͤr kurtzer Zeit verworffen. Dahero wuͤrde er ſchwerlich ſeinem Marcomir eine ſol- che Schand- und Fluch-Seule auffrichten/ wie Technas in dem Thebaniſchen Tempel dem Koͤnige Menis/ darum/ daß er bey denen vor duͤrfftigen Egyptiern den Gebrauch des Geldes eingefuͤhret hatte. Zeno fing hierauff an: Jch lerne in Deutſchland mehr/ als ich ie- mahls zu Rom erfahren/ und bin ſo vielmehr begierig von dem ſonſt ſo ſparſamen Malo- vend die Beſchaffenheit dieſer ſo reichen neu- en Welt zu vernehmen; inſonderheit: ob man darinnen auch anſehnliche Staͤdte/ wie bey uns/ finde? Malovend antwortete: in der Menge und Feſtigkeit zwar nicht/ aber an Groͤſ- ſe und Beqvemligkeit geben ſie den unſrigen nicht nach/ und haͤtte Marcomir eine in einer ſaltzichten See gebauete erobert/ welche ihrer Beſchreibung nach der Stadt Rom wenig nach- geben muͤſte/ weil ſie ſechzig tauſend Haͤuſer haͤt- te/ und alle Jahr ihrem Abgotte ſechs tauſend ihrer Kinder ſchlachtete. Wie nun Zeno und Rhemetalces hieruͤber ihre Verwunderung mercken lieſſen/ ſagte Malovend: dieſe Stadt waͤre von Marcomirn noch unglaublich ver- groͤſſert und verbeſſert worden. Aber/ ſagte Ze- no: iſt denn die abſcheuliche Abſchlachtung der Menſchen auch uͤber das groſſe Meer geſegelt/ und bey dieſen fremden Voͤlckern eingewur- tzelt? Malovend antwortete: Jn allewege/ und zwar nirgends mehr als allhier/ wo man Kinder zu tauſenden ſchlachtet/ und da es gan- tze Voͤlcker giebt/ welche wenig anders als Menſchen-Fleiſch ſpeiſen. Jedoch waͤre diß von dieſen wilden Leuten nicht ſo ſehr zu ver- wundern/ weil ſie vermuthlich nicht allein die Carthaginenſer in dieſer Grauſamkeit zum Wegweiſer gehabt/ ſondern auch ſolche bey de- nen Voͤlckern/ die fuͤr die ſittſamſten wolten an- geſehen ſeyn/ eingeriſſen waͤre; und noch darzu fuͤr ein Gottesdienſt gehalten wuͤrde. Sinte- mahl die Phoͤnicier dem Saturn die Stadt He- liopolis der Juno/ die Blemies der Sonne/ an- dere andern himmliſchen und vermeinten guͤti- gen Goͤttern ihre liebſten Kinder ſchlachteten; da doch dieſe Greuel-That denen hoͤlliſchen Gei- ſtern zu abſcheulich ſeyn ſolte/ welchen die grau- ſame Koͤnigin in Perſien Ameſtris und andere nur fremde Menſchen geopffert haͤtten. Wie aber der Roͤmiſche Rath den Griechen die Menſchen-Opfferung abſchaffte/ und die Ve- ſtaliſchen Jungfrauen an derſelben ſtatt alle Jahr dreißig aus kleinen Baum-Ruthen ge- flochtene Bilder in die Tieber werffen/ Ama- ſis an ſtatt der Menſchen-Verbrennung in E- gypten Wachs-Kertzen anzuͤnden ließ; alſo hat auch Marcomir durch Einfuͤhrung der Druy- den und ihres itzt ſanfften Gottesdienſts dieſe neue Welt von ihren unbarmhertzigen Goͤt- tern und dem grauſamen Aberglauben erledi- get. Marcomir fing hieruͤber an: Jn Warheit Marcomirs Thaten ſind den Siegen der maͤnn- lichen Semiramis und des groſſen Cyrus fuͤr- zuziehen. Malovend beſtaͤtigte es und mel- dete/ R 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/183>, abgerufen am 28.03.2024.